"Bayern ein grandioses Lebenswerk"

Rosen (2.v.l.) mit 1899-Geschäftsführer Rettig (l.) und Leverkusens Völler (2.v.r.) bei der Phantomtor-Verhandlung
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SPOX: Sie waren zweieinhalb Jahre für das Nachwuchsleistungszentrum zuständig. Parallel ist seit 2006 Bernhard Peters als Direktor für Sport- und Nachwuchsförderung in Hoffenheim tätig. Wie sah Ihre Arbeitsteilung aus?

Rosen: Meine Kernthemen im Nachwuchsbereich waren die konkrete Kaderplanung aller Jahrgänge, inklusive des Scoutings der regionalnahen Vereine und der Toptalente in ganz Deutschland. Mit der U 16, U 17, U 19 und U 23 unterstanden mir vier Mannschaften und insgesamt acht Jahrgänge, über die ich den Überblick behalten musste. Ein breites Feld, zu welchem der Eltern- und Berater-Kontakt, die Führung des Nachwuchsleitungszentrums und die Führung der Jugendtrainer gehören. In dem Bereich hatte ich viele Schnittstellen zu Bernhard Peters, wobei er vor allem in strategischen und perspektivischen Themen und im Ausbildungsbereich tätig ist.

SPOX: Ernst Tanner, der wie Sie vom Nachwuchs- zum Profi-Verantwortlichen ernannt wurde, sagte einst: "Hoffenheim hat mit die beste Nachwuchsarbeit der Welt." Können Sie das bestätigen?

Rosen: Ich kenne zwar das eine oder andere Nachwuchsleistungszentrum, allerdings fehlen mir global leider die Vergleichsmöglichkeiten. Dennoch bin ich voll überzeugt, dass wir eine Top-Nachwuchsarbeit betreiben. Die infrastrukturellen Voraussetzungen und unsere technische, taktische und schulische Ausbildung sind hervorragend.

SPOX: Mit der Rückbesinnung auf eigene Talente erinnert das Hoffenheim von 2013 wieder an das Hoffenheim von 2009.

Rosen: Natürlich entstammen Markus Gisdol und ich der Klub-Philosophie, die den Verein groß gemacht hat. Man muss bedenken, dass Markus mein Trainer in der U 23 war und wir ähnlich dachten wie Ralf Rangnick und Helmut Groß. Daher ist es nicht zufällig, dass Parallelen gezogen werden. Nur: Es geht nicht darum, etwas Vergangenes wieder aufwärmen zu wollen. Wir gehen unseren eigenen Weg und das Spiel an sich entwickelt sich immer weiter. Im Bereich Scouting haben wir strukturell und personell einiges verändert. Wir haben bereits gegen Ende der letzten Saison viele Spieler aus dem Nachwuchsbereich fest bei den Profis eingebaut. Wenn es uns auf Dauer gelingt, zumindest ein bis zwei Spieler pro Jahr im Seniorenbereich zu installieren, können wir sehr zufrieden sein.

SPOX: Eine weitere Parallele zu früher: Mit Anthony Modeste oder Tarik Elyounoussi verpflichteten Sie unbekannte Spieler aus dem Ausland, die sich sofort als Verstärkungen erwiesen.

Rosen: Wenn auf dem internationalen Markt jemand zu haben ist, von dem wir nach ausgiebigem Scouting überzeugt sind und dessen Ablöse nicht übertrieben hoch ist, schlagen wir zu. Unrealistische Summen mit "Hoffenheim-Aufschlag" wird es aber unter unser Führung nicht mehr geben.

SPOX: Welche Bedeutung kommt dabei Lutz Pfannenstiel, verantwortlich für internationales Scouting und internationale Beziehungen, zu?

Rosen: Lutz ist ein Teil unseres Scouting-Systems und spielt eine wichtige Rolle in der generellen internationalen Ausrichtung. Er kümmert sich einerseits um die Marktbeobachtung, war zuletzt für uns bei der U-17-WM in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Andererseits ist sein Profil viel weitreichender. Mit seinem unglaublichen Netzwerk arbeitet er daran, uns international zu positionieren und Beziehungen zu pflegen. Er ist ein hervorragender Botschafter unseres Klubs und setzt auch im Charity-Bereich tolle Dinge um.

SPOX: Die Neuausrichtung des Kaders führte dazu, dass zu viele Spieler unter Vertrag standen, weswegen Sie die berüchtigte Trainingsgruppe II für die Aussortierten einführten. Wegen der Degradierung war in den Medien gar von der Verletzung der Menschenwürde die Rede. Wie weh tat Ihnen die Berichterstattung?

Rosen: Wir konnten nicht damit rechnen, dass alle Hurra schreien, wenn sie unser Modell bewerten - aber vieles war auch rein populistisch. Unser Vorgehen war angesichts von mehr als 40 Vertragsspielern alternativlos. Wir haben für diese Spieler einen hohen Aufwand betrieben: Wir stellten das entsprechende Personal mit Fußball-Lehrer, Torwart-Trainer, Teammanager, Physiotherapeuten, das komplette Paket. Dieses Konstrukt entstand aus dem Gefühl der Verantwortung heraus.

SPOX: Sie bezeichnen Uli Hoeneß als Ihr Vorbild. Unter anderem, weil Sie bei aller Verbindlichkeit wissen, dass man gelegentlich als Arschloch auftreten muss?

Rosen: Ein richtiges Vorbild als Manager besitze ich nicht, aber wenn ich einen Namen nennen müsste, so wäre es Uli Hoeneß. Er hat es mit gutem und verantwortlichem Management geschafft, den FC Bayern zu einem der besten Klubs der Welt zu machen. Ein grandioses Lebenswerk.

SPOX: Welche Ziele verfolgt Hoffenheim mittelfristig? Sind die Zeiten vorbei, als man mit einer Anspielung auf die Europa League am Mannschaftsbus das Autokennzeichen "HD-EL 1899" anbrachte?

Rosen: EL kann auch für Erste Liga stehen. (lacht) Wir wollen uns einfach weiter über unseren Weg positionieren und damit auch wieder unsere Glaubwürdigkeit zurückerlangen. Drei Säulen bilden dabei die Grundlage. Erstens: Der Klub soll sich wieder über die Art und Weise, wie Fußball gespielt wird, definieren. Zweitens: Es sollen junge Spieler aus der eigenen Akademie eingebaut werden. Und eine gewisse Bescheidenheit im Auftreten ist die dritte Säule. Unser Eindruck ist, dass dieser Weg angenommen wird und die Leute ihn gerne mitgehen.

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