Rosenthal: "Ich gebe gerne Sicherheiten auf"

Von Interview: Jochen Tittmar
Jan Rosenthal (l.) wechselte im Sommer zu Eintracht Frankfurt
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SPOX: Wie ist Ihr erster Eindruck von Frankfurt? Die Begeisterung ist ja so groß wie seit Jahren nicht mehr.

Rosenthal: Es ist aber auch eine sehr gefährliche Euphorie. In Freiburg wurde immer darüber gesprochen, dass es nach einer solchen Saison mit der anstehenden Doppelbelastung schwer werden würde, die Klasse zu halten. Die Eintracht ist erst seit einem Jahr in der Liga, deshalb ist es trotz des starken Vorjahres mental eine noch größere Herausforderung, die gleiche Euphorie mitzutragen und dieselben Leistungen zu bringen. Man hat am 1. Spieltag gesehen, dass es nicht von alleine läuft.

SPOX: In Freiburg und Frankfurt stehen in dieser Saison Europacupspiele an, die gerade bei in diesen Wettbewerben unerfahrenen Mannschaften die mentale Belastung ansteigen lassen. Wie können Sie sich sicher sein, dass Sie persönlich diese Belastung positiv verpacken?

Rosenthal: Einerseits hatten wir bereits in Freiburg unter der Woche ein Trainingspensum absolviert, das deutlich über dem vieler anderer Vereine in der Vorbereitung lag. Rein körperlich ist man also stabiler und weiß, was zu tun ist, um für diese Herausforderung fit zu werden. Andererseits freue ich mich einfach sehr auf die Spiele. Sobald ich im Spiel bin, laufe ich eh von alleine und achte weniger auf meine körperlichen Wehwehchen. Dazu gab es in Freiburg auch Phasen, in denen man zehn, zwölf Spiele nicht gewinnen konnte - und dennoch einfach weitergearbeitet hat, vor allem ohne negative Stimmung innerhalb der Mannschaft zu verbreiten. Daraus habe ich eine Menge mitgenommen, um solche Phasen anders einzuordnen und ruhiger zu bleiben.

SPOX: Wie wichtig ist es, dass die einzelnen Spieler im Kader dieselbe Herangehensweise an dieses Phänomen haben? Es sollte ja idealerweise niemand unter der mentalen Herausforderung zusammenbrechen.

Rosenthal: Zwei oder drei Spieler dieser Sorte könnte man sicherlich verkraften. Letztlich braucht man aber alle, die durch die Führung des Trainers auf eine Linie getrimmt werden - gerade die jungen Spieler. Es besteht ansonsten die Gefahr, sich zu sehr mit vergangenen Spielen zu beschäftigen. Man muss versuchen, bei sich zu bleiben.

SPOX: Gerade die jungen Spieler loben die Menschenkenntnis und die Fähigkeit Christian Streichs, auf der einen Seite Respektperson und auf der anderen Kumpel zu sein. Ist diese Eigenschaft auch auf seinen persönlichen Lebenslauf zurück zu führen?

Rosenthal: Man merkt schnell, dass er ein sehr neugieriger und offener Mensch ist, der zudem noch viel gereist und mit anderen Menschen in Kontakt getreten ist. Er wurde kein bisschen vom Bundesligageschäft geprägt. Dadurch, dass er Lehrer war, hat er diese pädagogische Herangehensweise komplett verinnerlicht. Das steht auch ein wenig im Gegensatz zu Armin Veh: Streich versucht, auch "erwachsenen" Fußballspielern jeden Tag irgendwelche Kleinigkeiten beizubringen - seien es Lebensweisheiten oder detaillierte, grundlegende taktische Erklärungen.

SPOX: Gegenüber den Medien kann Streich besonders nach Niederlagen kurz angebunden wirken. Inwiefern steckt er diesbezüglich noch in einem Lernprozess?

Rosenthal: Das haben in meinen Augen viele noch nicht verstanden. Manche Medien haben bestimmte Aussagen von ihm beinahe als aufgesetzt abgetan, so dass man denken konnte, er spielt einem da eine Rolle vor. Er hat beispielsweise von Anfang an gesagt, dass man nur auf das nächste Spiel schauen und sich nicht mit dem Europacup beschäftigen würde. Wenn dann jede Woche die gleiche Frage kommt, dann bekommt man auch jedes Mal dieselbe Antwort - weil er es vollen Ernstes so meint, wie er es bereits gesagt hat.

SPOX: Also hat das Kauzige bei ihm weniger mit dem Fragesteller zu tun?

Rosenthal: Ja. Es hat viel eher damit zu tun, dass er vom Kopf her noch voll im Spiel steckt und da wohl etwas gefunden hat, was ihm nicht passt. Er ist einfach sehr ehrlich und von innen heraus. Das möchte er natürlich auch bleiben, damit er persönlich weiter in den Spiegel schauen kann.

SPOX: Dennoch hat man manchmal das Gefühl, dass er mit seiner bodenständigen Herangehensweise versucht zu verdeutlichen, dass Bundesligaprofis auch nur Menschen wie du und ich sind.

Rosenthal: Klar, aber viele Medien sind so an dieses Geschäft gewöhnt mit irgendwelchen aufgesetzten Typen, die Dinge sagen, um es jedem recht zu machen. Er sagt hingegen einfach nur das, was er aus vollster Überzeugung denkt. Das ist dann aufgrund der eintönigen Fragen leider oft das gleiche. Ein perfektes Beispiel ist auch die Nummer, dass er mit dem Fahrrad zum Stadion fährt. Da hieß es sofort: Das ist ein unnormaler Typ für die Bundesliga. Dabei wohnt er nur 100 Meter entfernt. Was wäre, wenn Jürgen Klopp 100 Meter vom Stadion entfernt wohnen und mit dem Auto fahren würde? Wäre das dann unnormaler?

SPOX: Auch Armin Veh hat etwas Kauziges an sich. Worin unterscheiden sich die beiden denn, was die persönliche Ansprache angeht?

Rosenthal: Christian Streich ist ein wenig kommunikativer in dem Sinne, dass er wirklich ständig etwas zur Mannschaft sagt. Armin Veh lässt den Spielern etwas mehr freiere Hand. Damit hat er mit den Jahren einfach gute Erfahrungen gemacht. Er lässt die Spieler emotional eher in Ruhe, um sie nicht zu überfordern und die Freiheit in ihrer Spielweise zu fördern.

Jan Rosenthal im Steckbrief