Rosenthal: "Ich gebe gerne Sicherheiten auf"

Von Interview: Jochen Tittmar
Jan Rosenthal (l.) wechselte im Sommer zu Eintracht Frankfurt
© imago

Jan Rosenthals Karriere hat beim SC Freiburg einen Aufschwung erfahren. Dennoch wechselte der 27-Jährige vor der Saison zu Eintracht Frankfurt. Im Interview spricht Rosenthal über den Wandel, den er als Mensch und Fußballer in den vergangenen Jahren vollzog, erklärt den "ungewöhnlichen" Typen Christian Streich und bezeichnet die Euphorie am Main als gefährlich.

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SPOX: Herr Rosenthal, weshalb hat sich für Sie herauskristallisiert, dass der Reiz und die Neugier auf die Herausforderung Frankfurt größer ist als der Fakt, in Freiburg eine große Sicherheit und Ruhe zu verspüren?

Jan Rosenthal: Ich habe bereits in Hannover nach drei, vier Jahren gemerkt, dass ich etwas Neues brauche. Ich war auch so etwas wie der Auszubildende im eigenen Lager und kam kaum über diesen Status hinaus. Ich hatte in Freiburg das Gefühl, dass es mit dieser Zusammenstellung der Mannschaft und der Art und Weise, wie wir dort Fußball gespielt haben, wohl nicht mehr so viel Steigerungspotential gibt. Deshalb war ich der Überzeugung, mich eher entwickeln zu können, wenn ich wieder in ein anderes Umfeld gehe und damit teste, ob ich auch dazu bereit bin.

SPOX: Wieso fiel die Wahl auf die Eintracht?

Rosenthal: Aus Freiburg wegzugehen und etwas Neues zu beginnen war grundsätzlich ausschlaggebender, als speziell nach Frankfurt zu wechseln. Natürlich hat die Eintracht gerade im Vergleich zu anderen Vereinen mit den besten Fußball gespielt. Der Norden wäre für mich natürlich auch immer eine Option gewesen, aber ich habe beispielsweise bei Vereinen wie Hamburg oder Bremen eben nicht so viel Potential gesehen wie bei der Eintracht. Hinzu kam, dass ich innerhalb der Freiburger Mannschaft Stimmungen vernahm, dass viele Spieler mögliche Angebote auch wahrnehmen würden - weil es dann auch finanzielle Unterschiede gibt, so ehrlich muss man sein.

SPOX: Inwiefern unterscheidet sich denn der heutige Jan Rosenthal zu dem aus Hannoveraner Zeit?

Rosenthal: Ich fokussiere mich deutlich mehr auf die wesentlichen Dinge und verspüre eine Ruhe im richtigen Moment, das geht bis hinein in den Bereich des Privatlebens. Ich lege mittlerweile weniger Wert auf Nebensächlichkeiten.

SPOX: Wie problematisch war es, eine Entscheidung für die Zukunft getroffen und kommuniziert zu haben und dennoch im damaligen Hier und Jetzt in Freiburg so zu funktionieren wie zuvor?

Rosenthal: Das war mit das Schwerste. Das haben vielleicht auch nicht alle Freiburger Fans verstanden. Der Fußballspieler muss für sie auch immer irgendwie als Gesamtgebilde funktionieren. Ich habe eine Entscheidung im Kopf getroffen und mich dennoch im Hier und Jetzt noch sehr wohlgefühlt. Das steht dann seelisch, mental und physisch im Gegensatz. Es ist dann schon nicht einfach, wieder die optimale Leistung abzurufen.

SPOX: Und die Fans denken dann schnell, dass man die restliche Zeit nicht mehr voll und ganz bei der Sache ist.

Rosenthal: Exakt, aber es ist genau das Gegenteil der Fall: Ich war mit Freiburg sehr emotional verbunden, deshalb war es schwieriger, weiterhin dieselbe Leistung zu bringen. Es hat aber dennoch auch in dieser Phase gereicht, die Ziele zu erreichen. Für mich war diese Situation eine riesige Herausforderung, der ich mehr Bedeutung zumesse, als mit anderen Vereinen deutscher Meister zu werden.

SPOX: In Frankfurt herrscht ein hektischeres Umfeld als in Freiburg. Möchten Sie jetzt auch einfach nochmal sehen, ob Sie unter diesem erhöhten Druck weiterhin in der Lage sind, sich als Mensch und Fußballer weiter zu entwickeln?

Rosenthal: Genau darum geht es mir. Ich möchte nicht mit 27 Jahren das Karriereende einläuten, sondern mich weiterentwickeln und sehen, dass ich auch in einem anderen Umfeld mit neuen Spielern guten Fußball spielen kann.

SPOX: Auch die Presselandschaft ist jetzt eine ganz andere.

Rosenthal: In Freiburg gab es so gut wie gar keine Presse. Daher möchte ich nun auch auf diesem Gebiet überprüfen, ob ich meine Gedanken klarer formuliere, mich auch mal gar nicht äußere oder mir grundsätzlich einfach weniger einen Kopf darüber mache, was geschrieben wird. Ich will mir selbst beweisen, dass ich mich davon nicht beeinflussen lasse und dennoch in der Lage bin, guten Fußball zu spielen.

SPOX: War es Ihnen in Freiburg in dieser Hinsicht zu harmonisch?

Rosenthal: Es kommt immer auf die Phase an, in der der jeweilige Spieler steckt. Für viele ist es dort perfekt - wie für mich, als ich aus Hannover kam. Als ich dann diese Ruhe gefunden habe, kam irgendwann wieder der Wunsch nach mehr. Ich habe mich in Freiburg auch immer sehr klein gehalten. Es war nach oben etwas gedeckelt, was die persönliche Entwicklung angeht.

SPOX: Was wäre, wenn Sie sehen, dass Sie an der neuen Herausforderung scheitern?

Rosenthal: Das gehört für mich zum Sinn des Lebens - scheitern und daraus lernen. Wenn man als kleines Kind fünfmal über den Zaun springt, wird es irgendwann langweilig. Also legt man die Latte höher und probiert es wieder. Ich bin eben so geprägt, mir Herausforderungen zu suchen und daran zu wachsen. Das ist für mich ein Lebensinhalt, zu schauen, wie weit und in welche Richtung es gehen kann. Deshalb gebe ich auch ab und an gerne Sicherheiten auf. Auch eine gewisse Neugier ist mitentscheidend. Ich weiß, dass das viele Menschen nicht ganz nachvollziehen können, weil bei vielen die Ruhe und die Sicherheit eine größere Rolle spielen.

Seite 2: Rosenthal: "Was wäre, wenn Jürgen Klopp mit dem Auto fahren würde?"