Eine Frage der Konzentration

Von Andreas Lehner
Daniel van Buyten und Jerome Boateng im Zweikampf im Trainingslager in Doha
© Getty

Der FC Bayern geht mit der Innenverteidigung Dante und Daniel van Buyten in die Rückrunde. Für Jerome Boateng wird es langsam eng. Zumal im Sommer mit Jan Kirchhoff ein neuer Abwehrspieler hinzukommt und möglicherweise intern ein Konkurrent heranwächst.

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Matthias Sammer kriegte sich gar nicht mehr ein. Während des Spiels bekam der vierte Offizielle der UEFA ein paar saftige Worte zu hören. Später in der Mixed Zone lederte der Sportvorstand des FC Bayern auch öffentlich gegen den Schiedsrichter und seine fehlende Linie.

Die Rote Karte von Jerome Boateng im abschließenden Gruppenspiel gegen BATE Borissow beim Stand von 2:0 sorgte für einen erhöhten Blutdruck bei Sammer.

Interner Anpfiff für Boateng

Nachdem der öffentliche Ärger verraucht und Boateng mit einer Sperre von zwei Spielen durch die UEFA belegt war, soll es aber auch intern ganz schön "gestaubt" haben, wie man in Bayern sagt.

Boatengs wiederkehrende Aussetzer kommen bei den Verantwortlichen an der Säbener Straße nicht gut an. Sammer soll den Nationalspieler eindringlich daran erinnert haben, dass absolute Konzentration über die komplette Spielzeit und auch im Training für einen Profi unabdingbar seien.

Schließlich hatte Boateng in der Schlussphase der Hinrunde neben seinem Platzverweis auch noch mit seinem verschuldeten Handelfmeter gegen Gladbach und seiner überzogenen Grätsche gegen Javi Martinez im Training für Aufregung gesorgt.

Van Buyten überholt Boateng

Trainer Jupp Heynckes hat Boateng in dieser Saison im Zentrum etabliert, Ausweichmanöver nach rechts soll es nicht mehr geben. Boateng ist dankbar dafür, dass er nicht mehr "hin und her hopsen" muss. Es ist jetzt aber an der Zeit, das Vertrauen zurückzuzahlen. Nach dem Spiel gegen Borissow gab ihm der Trainer mit auf den Weg, er müsse lernen, "sich über die gesamte Distanz zu konzentrieren".

Galt vor der Saison das Duo Holger Badstuber/Boateng als gesetzt, stand zum Rückrundenauftakt gegen Greuther Fürth (2:0)Daniel van Buyten an der Seite des in der Vorrunde überragenden Dante.

Zum einen steht der Belgier für das auf Dauer zuverlässigere Abwehrspiel, auch wenn er technisch nicht die Qualitäten Boatengs besitzt. Zum anderen muss Heynckes van Buyten Spielpraxis verschaffen, damit er ihn im Champions-League-Achtelfinale gegen den FC Arsenal nicht ins kalte Wasser werfen muss, wenn Boateng gesperrt fehlt.

Zusätzliche Konkurrenz durch Kirchhoff

Nach der Verpflichtung von Jan Kirchhoff für die kommende Saison galt der Abschied des 34-jährigen van Buyten im Sommer als sehr wahrscheinlich, sein Vertrag läuft aus. Van Buyten könnte sich vorstellen, noch ein Jahr dranzuhängen und dann mit Belgien zur WM 2014 nach Brasilien zu fahren.

Mit der Rolle des Ergänzungsspielers hat er sich arrangiert. "Es ist besser, bei Bayern zu trainieren und ab und an zu spielen als irgendwo auf niedrigerem Niveau immer zu spielen", sagt van Buyten.

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Von Boateng erwarten sie in München dagegen endlich einen gewaltigen Schritt nach vorne. Schließlich bringt der 24-Jährige, der 2011 für 12,5 Millionen Euro von Manchester City zum FC Bayern wechselte, alle Voraussetzungen mit, die ein moderner Innenverteidiger haben muss. Er ist schnell, technisch stark, kopfballstark und körperlich robust.

Und bei aller Kritik sollte man auch nicht vergessen, dass Boateng bis zu seinem Muskelfaserriss im November gegen Eintracht Frankfurt alle Spiele über 90 Minuten auf dem Platz stand. Bayern kassierte in diesem Zeitraum nur vier Gegentore.

Professionalität und Konzentration sind gefragt

Die einfach formulierte Anforderung an Boateng: Er muss seine Konzentrationsmängel und die daraus resultierenden Fehler abstellen. Es sind genau die Sachen, die Heynckes und Sammer unablässig einfordern und auch als Merkmal von Professionalität kennzeichnen.

Van Buyten hat das im Laufe seiner Karriere verinnerlicht. "Jedes Mal, wenn man mich braucht, werde ich 100 Prozent geben. Das gehört zu meiner Professionalität. Ich gebe nie auf", sagt van Buyten.

Heynckes schätzt diese Verlässlichkeit, will die Entscheidung am 18. Spieltag aber nicht als endgültige Verbannung Boatengs verstanden wissen. Das könne sich auch schnell wieder ändern, die Aufstellung werde er "situativ von Spiel zu Spiel" wählen.

Can ein Innenverteidiger?

Neben Kirchhoff könnte für Boateng und Co. ein zusätzlicher Konkurrent in den eigenen Reihen heranwachsen. Emre Can überzeugte Heynckes beim 5:0-Testspielsieg gegen Schalke 04.

"Vielleicht liegt seine Zukunft auch auf dieser Position, er will es nur nicht wahrhaben", sagte Heynckes. "Er hat das gegen Schalke gut gemacht, sicher gespielt und sich keine unnötigen Ballverluste geleistet."

Die defensive Stabilität ist das Mantra des FC Bayern in dieser Saison. Unisono wird immer wieder betont, dass die Grundlage für den Erfolg ein kollektives Rückwärtsdenken ist.

Bastian Schweinsteiger hat deshalb schon mal einen mutigen Wunsch für die Rückrunde geäußert: "Wir wollen jedes Spiel zu null gewinnen." Zwölf Mal blieben die Bayern in der Bundesliga schon ohne Gegentor. "Zu null gewinnt Titel und Pokal", sagt Heynckes.

Und Titel sind schon immer die Triebfeder des FC Bayern, noch mehr nach zwei titellosen Spielzeiten.

Der Kader des FC Bayern München