Das verflixte zweite Jahr

Von Daniel Reimann
Christian Tiffert muss mit dem 1. FC Kaiserslautern auf dem Relegationsplatz überwintern
© Getty

Die Bundesligisten bereiten sich auf die Rückrunde vor. In den Tagen vor dem Start in die zweite Saisonhälfte beleuchtet SPOX alle 18 Klubs. Dieses Mal: Der 1. FC Kaiserslautern.

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"Das zweite Jahr nach dem Aufstieg ist immer das schwerste." Ein Satz, der zwar das Phrasenschwein mächtig klingeln lässt, der aber zugleich eine Menge Wahrheit beinhaltet. Nach dem geschafften Klassenerhalt müssen neue Saisonziele formuliert werden, die weder die Euphorie der Fans noch den Ehrgeiz der Mannschaft bremsen, aber zugleich angemessen sind.

In Kaiserslautern setzt man auch im zweiten Jahr auf die realistischere Variante: "Unser Ziel ist ganz klar der Klassenverbleib", stellte Trainer Marco Kurz bereits vor Saisonbeginn klar. In der Rückrunde soll dieses Ziel mit neuem Konkurrenzkampf im Angriff und effektiverem Offensivspiel erreicht werden.

So lief die Vorrunde

Der Saisonauftakt sorgte für Ernüchterung in der Pfalz, sechs Spieltage lang musste man auf den ersten FCK-Sieg warten. Zum Glück gab es mit dem Aufsteiger aus Augsburg und dem Hamburger SV zwei Teams, die den Bundesliga-Start noch eklatanter versemmelten, als es der FCK tat. So blieb den Roten Teufeln die Rote Laterne über die komplette Vorrunde hinweg erspart. Immerhin etwas.

Bis zur Winterpause sollten lediglich zwei weitere Dreier hinzukommen, in der Summe ergaben sich Platz 16 in der Liga und ein vermeidbares Pokal-Aus (1:3 in Berlin). Nach einer Hinrunde zwischen Hoffnung und Harmlosigkeit bleiben viele offene Fragen und zahlreiche Baustellen.

Das war gut

Nur fünf Teams kassierten weniger Gegentore als der FCK, nur ein einziges Mal setzte es mehr als zwei davon - beim 0:3 in München. Zwar stand die Lauterer Viererkette keineswegs bombensicher, doch hinter der durchweg soliden Abwehr wartete mit Kevin Trapp ein meist herausragender Keeper, der sich stets als zuverlässiger Rückhalt profilieren konnte.

Neben der Defensive sind die Zuschauer eine echte Konstante beim FCK: Trotz mäßiger Auftritte vor heimischem Publikum fanden durchschnittlich 42.272 Fans den Weg zum Betze.

Ein letztlich entscheidender Faktor könnte außerdem die positive Bilanz gegen die unmittelbaren Konkurrenten aus dem Tabellenkeller sein. Aus den fünf Spielen gegen die Teams von Platz 13 bis 18 holten die Lauterer acht Punkte, lediglich eine Partie ging verloren.

Das muss besser werden

Luft nach oben gibt es in vielen Bereichen, das Vorzeigethema in diesem Fall ist die Chancenverwertung. "Die Chancen sind da, aber wir schießen keine Tore. So kann man nicht gewinnen", kritisierte Stürmer Nemec. Zurecht! Denn die 13 erzielten Tore sind der mieseste Wert aller Erstligateams.

Dabei hat der FCK (man bedenke: als Tabellensechzehnter!) durchschnittlich fast genauso viele Torschüsse (13,4) wie seine Gegner (13,6). Doch der Angriff glänzt durch gravierende Ineffizienz. Zum Vergleich: Vergangene Saison hatte man zum selben Zeitpunkt mehr als doppelt so viele Treffer auf dem Konto (27).

Die teils schwerwiegenden Abgänge von Srdjan Lakic, Jan Moravek, Ivo Illicevic, Erwin Hoffer und Adam Hlousek konnten nicht adäquat kompensiert werden. Die Hoffnungsträger Itay Shechter und insbesondere Gil Vermouth fristen trotz vielversprechender Anlagen ein Reservisten-Dasein, Dorge Kouemaha und Richard Sukuta-Pasu haben noch keine Knipser-Qualitäten offenbart.

Neben fehlender Abschlussstärke fielen vor allem mangelnde Abstimmung und Planlosigkeit im Angriffsspiel ins Auge, Spielwitz oder Kreativität suchte man beim FCK meist vergeblich.

Der Spieler im Fokus

Nicolai Jörgensen. "Wir glauben, dass Nicolai Jörgensen den Sprung zum Stammspieler schafft", meinte Trainer Kurz über die Stürmer-Leihgabe aus Leverkusen. Auf seinen Schultern ruht die Hoffnung vieler FCK-Fans auf wachsende Torausbeute, auch wenn Kurz immer wieder betont: "Auch Jörgensen wird uns alleine nicht zum Klassenerhalt schießen, wir sind als Kollektiv gefordert, mehr Tore zu erzielen." Der 19-Jährige selbst träumt von der EM 2012 mit Dänemark, dafür muss er in Kaiserslautern herausstechen.

Prognose

Man kann Marco Kurz sicherlich nicht vorwerfen, für Unruhe im Verein zu sorgen. Seine stoisch sachlichen Analysen und sein unzerbrechlicher Optimismus mögen bei manch enttäuschtem FCK-Fan zwar für steigende Sehnsucht nach klaren Worten sorgen, doch Kurz vermeidet Hau-drauf-Statements in der Öffentlichkeit zugunsten ruhiger Arbeitsatmosphäre.

Andererseits werden Sätze wie "Wir haben das Vertrauen, mit dem Kader den Klassenverbleib schaffen zu können" auch häufig als Durchhalteparolen eines kommenden Absteigers kategorisiert.

Um dem Abstieg zu entgehen, ist mindestens eine spürbare Verbesserung in Sachen Effektivität vonnöten. Immerhin wurde der Konkurrenzkampf in der Offensive durch die Verpflichtungen von Jörgensen und Jakub Sweirczok (19-jähriges Stürmertalent) kräftig angeheizt.

Zudem geht Verteidiger Jan Simunek, der nach eineinhalbjähriger Leidenszeit am Comeback arbeitet, auch noch locker als Neuzugang durch. Ein Neuzugang wird wohl auch der Uruguayer Verteidiger Gary Kagelmacher.

Sollten die gewünschten Fortschritte nicht eintreten, bleibt Kurz immer noch die Möglichkeit, Youngster aus dem klubeigenen Nachwuchs ins kalte Profiwasser zu werfen. Schließlich wurde die A-Jugend des FCK 2011 Vizemeister, hier schlummert eine Menge junges, hungriges Potenzial.

Wie man eine durchwachsene Saison vorzüglich zu Ende bringt, haben die Roten Teufel schon einmal auf beeindruckende Art und Weise bewiesen: Vergangene Saison belegte Lautern am 25. Spieltag noch einen Abstiegsplatz, neun Partien und sieben Siege später beendete der FCK die Spielzeit auf einem hervorragenden siebten Rang.

Ob das reicht, um dem Abstieg zu entgehen? Dem FCA beispielsweise hat Kaiserslautern diese Erfahrung voraus, zugleich ist die Arbeitsatmosphäre deutlich entspannter als beim von Rausschmissen geplagten SC Freiburg.

Zwei Kandidaten, die der FCK bei normalem Rückrundenverlauf hinter sich lassen dürfte. Doch ob es zu mehr reicht, bleibt ob der fehlenden spielerischen Klasse und der harmlosen Offensive fraglich.

Der Kader des 1. FC Kaiserslautern