Ohne Marin zurück zur Raute?

Von Marc-Oliver Robbers
Eng mit der Systemfrage bei Werder verknüpft: Die Personalien Marko Marin und Tim Borowski
© Imago

Die Saison verläuft alles andere als optimal. Werder Bremen befindet sich im Abstiegskampf. Doch die Mannschaft von Trainer Thomas Schaaf konnte zuletzt den Negativtrend stoppen und eine Serie von vier Spielen ohne Niederlage starten. Die Rückkehr zur altbewährten Mittelfeldraute gilt hierbei als entscheidend. Mit der Systemfrage eng verknüpft ist die Zukunft von Marko Marin an der Weser.

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Seit fast zwölf Jahren ist Thomas Schaaf jetzt Trainer bei Werder Bremen, hat vieles erlebt. Eine Saison wie diese allerdings auch noch nicht.

Mit großen Ambitionen war Werder in die Runde gestartet, als Champions-League-Teilnehmer und für einige wenige sogar als heimlicher Titelkandidat.

Sieben Spieltage vor Schluss ist die Bilanz ernüchternd: Frühes Aus in der Königsklasse, frühes Aus im Pokal und in der Liga steckt die Mannschaft trotz zuletzt vernünftiger Leistungen und entsprechender Punktausbeute weiter voll im Abstiegskampf.

Özil-Abgang nicht kompensiert

Die Verantwortlichen haben die Phase der Umorientierung nach dem Weggang von Mesut Özil unterschätzt, steuern jetzt aber seit einigen Wochen gezielt gegen und kündigen jetzt schon an: Es wird im Sommer einen richtigen Umbruch geben müssen.

Eine Saison ohne die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb sei zu kompensieren, sagt Geschäftsführer Klaus Allofs. Trotzdem bleibt die Kaderstruktur auf Champions League ausgerichtet, vielen Spielern wurden ihre Verträge in den fetten Jahren zu deutlich angehobenen Bezügen verlängert.

Jetzt wird sich daran einiges ändern müssen. Die Erlöse aus einem internationalen Wettbewerb fallen zum erstenmal seit sieben Jahren weg, es ist auch deshalb wahrscheinlich, dass Leistungsträger den Verein verlassen müssen.

Systemfrage entscheidend

Dazu kommt die ungeklärte Frage nach dem Spielsystem: Schaaf studierte nach dem 4-2-3-1 der letzten Özil-Jahre sogar die Variante im 4-3-3 ein, dementsprechend wurden Spieler zugekauft.

In der heiklen Phase im Abstiegskampf besinnt sich Bremen aber plötzlich wieder auf sein ureigenes 4-4-2 mit Raute.

Wohin also mit den Spielern, die einem System mit zwei Sechsern entsprechen? Oder behält Schaaf die Stützen des Teams und bessert nur auf ein paar zentralen Positionen personell nach? Eine Bestandsaufnahme.

Die Torhüter: Tim Wiese ist Leistungsträger und Publikumsliebling in einer Person - allerdings auch ein Topverdiener. Sein Vertrag läuft noch bis 2012. Es gäbe also im Sommer letztmalig die Chance, eine Ablösesumme zu erzielen. Immer mal wieder wird ein Interesse aus England an Wiese kolportiert. Wiese ist derzeit kein Diskussionsgegenstand, bei einem Topangebot für beide Seiten gäbe es sicherlich zumindest Verhandlungsbereitschaft. Zumal Ersatzmann Sebastian Mielitz in dieser Saison gezeigt hat, dass er für höhere Aufgaben bereit ist als die Bank zu wärmen.

Die Innenverteidigung: Auf die Besetzung der Innenverteidigung wird die sportliche Leitung ganz besonders achten müssen, hier gibt es eine Reihe an Fragezeichen. Um Nationalspieler Per Mertesacker ranken sich verstärkt Transfergerüchte. Der FC Arsenal erscheint latent interessiert, wollte den Abwehrchef schon nach der Weltmeisterschaft unter Vertrag nehmen. Auch Mertes Vertrag läuft nur noch bis 2012, er selbst betonte immer wieder, dass die Premier League einen besonderen Reiz hätte. Aller Formkrisen und Dementis zum Trotz wird Mertesacker auch in diesem Sommer wieder ein Kandidat für einen Wechsel sein.

Sein langjähriger Nebenspieler Naldo plagt sich weiterhin mit einer Knieverletzung rum. Glaubt man den Prognosen, ist eine Rückkehr im August realistisch. Aber Prognosen gab es in der Causa Naldo schon viele, die Realität ist: Naldo hat eine komplette Saison einfach so verloren. Und selbst wenn er bald vollständig gesund werden sollte: Spielfit und auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit wird er so schnell nicht sein.

Sebastian Prödl fällt nach einem Muskeleinriss ebenfalls mehrere Monate aus, auch die Saison des Österreichers ist gelaufen. Der talentierte Österreicher lässt zudem weiterhin die Konstanz auf höchstem Niveau vermissen, auch wenn er in dieser Saison mehrere kleine Schritte nach vorne gemacht hat. Prödl braucht weiterhin einen starken Partner an seiner Seite, der ihn führt.

Nicht ausgeschlossen ist, dass Trainer Thomas Schaaf Routinier Mikael Silvestre von der linken Seite nach innen zieht. Der Franzose hat sich nach anfänglich katastrophalen Auftritten auf einem soliden Niveau stabilisiert.

Allzweckwaffe Petri Pasanen wird die Bremer nach sieben Jahren im Sommer verlassen. Ebenso fraglich ist der Verbleib von Nachwuchsspieler Dominik Schmidt, dessen Vertrag ausläuft. Schmidts Gehaltsforderungen sorgten für große Aufregung, die Verhandlungen liegen offenbar weiter auf Eis.

Der im Winter verpflichtete Samuel darf sich bis Ende der Saison für einen Anschlussvertrag empfehlen. Allerdings schaffte es der Brasilianer bisher am Spieltag noch nicht einmal in den Kader, eine Weiterverpflichtung erscheint deshalb unwahrscheinlich.

Es gibt viele Baustellen, Allofs wird handeln und einen, vielleicht zwei neue Innenverteidiger verpflichten müssen. Dabei könnten die schon im Winter gehandelten Zanka (FC Kopenhagen), Felipe Lopes (Nacional Funchal) und Andreas Granqvist (FC Groningen) wieder ein Thema werden.

Die Außenverteidigung: Wie in jedem Jahr gilt es, die Dauerbaustelle auf links in Angriff zu nehmen. Silvestre spielt mittlerweile einen soliden Part, mehr aber auch nicht. Durch den Abgang von Pasanen und die erneut schwere Knieverletzung von Sebastian Boenisch besteht Handlungsbedarf.

Boenisch, dessen Vertrag um ein Jahr verlängert wird, steht frühestens im September wieder zur Verfügung. Bleibt nur noch Eigengewächs Timo Perthel, der nach einem Jahr Leihe von Sturm Graz zurück an die Weser kommt. Der Schwede Oscar Wendt ist weiterhin ein Kandidat. Er kann den FC Kopenhagen am Saisonende ablösefrei verlassen.

Auch auf der rechten Seite fehlt eine Alternative. Clemens Fritz dürfte weiterhin gesetzt sein, Schmidt wäre sein Vertreter. Eine interne Möglichkeit wäre Clemens Schoppenhauer. Der Nachwuchsspieler hat die Position zuletzt in der U 23 bekleidet, ist aber gelernter Innenverteidiger. Boenisch könnte im Notfall und nach überstandener Verletzung Fritz ebenso entlasten.

Seite 2: Das Werder-Mittelfeld: Raute oder Doppel-Sechs?

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