Rakitic: "Wir werden die Bayern angreifen!"

Von Interview: Haruka Gruber
Ivan Rakitic (2.v.l.) kam 2007 vom FC Basel zu den Königsblauen
© Getty

Als Schalkes Version von Bastian Schweinsteiger hat sich Ivan Rakitic unverzichtbar gemacht. Der 22-jährige kroatische Nationalspieler über Autogramme von Raul, das Werben um Zvjezdan Misimovic und sein John-Isner-Problem.
 
 

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SPOX: Stimmt es, dass Sie in diesem Sommer auf Tennis verzichten, weil Sie das elfstündige Wimbledon-Match zwischen John Isner und Nicolas Mahut gesehen und davon abgeschreckt wurden?

Ivan Rakitic: Zumindest indirekt. (lacht) Ich habe vor einiger Zeit mit meinem Kumpel und ehemaligen Teamkollegen Toni Tapalovic ein wahnsinniges Tennis-Spiel abgeliefert. Es ging dreieinhalb Stunden hin und her - mit dem besseren Ende für mich, aber danach war ich fix und fertig. Als ich mir Isner gegen Mahut angeschaut habe, musste ich daran denken, wie fertig ich schon nach dreieinhalb Stunden war und dachte mir, dass ein Sommer ohne Tennis auch mal okay ist.

SPOX: Aber auch ohne Tennis befinden Sie sich bereits in Topform. Sie sollen der fitteste Spieler im Schalker Kader sein.

Rakitic: Es freut mich, dass mein Plan im Sommer aufgegangen ist. Einerseits musste ich im Urlaub nach der aufregenden letzten Saison entspannen und bewusst runterfahren, andererseits habe ich dennoch etwas für den Körper getan, um nicht von null anfangen zu müssen. Von diesen Grundlagen profitiere ich jetzt.

SPOX: Vor einem Jahr erzählten Sie im SPOX-Interview, dass Sie im Urlaub drei Kilogramm abgenommen haben. Gelang es Ihnen erneut, Gewicht zu verlieren?

Rakitic: Das wollte ich gar nicht, mittlerweile ist der Körper so durchtrainiert, dass ich mein Idealgewicht erreicht habe. Vielmehr lag mein Fokus darauf, Muskeln aufzubauen, um im Zweikampf noch stabiler zu sein.

SPOX: Weil Sie im Laufe der letzten Saison vom offensiven zum defensiven Mittelfeldspieler umfunktioniert wurden?

Rakitic: Es betrifft nicht nur den Muskelaufbau. Im Vergleich zu den vergangenen Sommern wurde in der Vorbereitung einiges angepasst, damit ich besser für die veränderten Anforderungen gewappnet bin. Der Bewegungsablauf und die Laufwege wurden optimiert, außerdem gab es neue Trainingsformen für mich, weil ich nun näher vor dem eigenen Tor postiert bin und dadurch mehr Verantwortung trage.

SPOX: Sie sind demnach endgültig als Sechser eingeplant?

Rakitic: Die Umstellung hat super geklappt und ich bin sehr glücklich in der defensiven Rolle, daher deutet nichts daraufhin, dass etwas geändert wird.

SPOX: Haben Sie während der WM vor allem auf Ihre Sechser-Kollegen geachtet, um sich weiterzubilden?

Rakitic: Natürlich. Auffällig war, dass bei allen Top-Mannschaften wie Spanien, Deutschland und die Niederlande die Sechser einen entscheidenden Anteil am Erfolg hatten. Dass es von enormer Bedeutung war, wie kompakt das Mittelfeld steht. Dass die Sechs im heutigen Fußball die vielleicht bedeutendste Position ist, weil sie defensiv und offensiv die Kommandos gibt. Ich habe viel gesehen und mir vorgenommen, für Schalke eine ähnlich wichtige Rolle zu spielen.

SPOX: Welcher Sechser hat Sie bei der WM am meisten beeindruckt?

Rakitic: Xavi und Xabi Alonso waren stark, aber am meisten hat mir Sergi Busquets imponiert. Er war bei Spanien nicht so auffällig, dafür hat er den anderen uneigennützig den Rücken freigehalten und die kleinen Dinge erledigt. Überzeugend war auch Bastian Schweinsteiger...

SPOX: ... mit dem Sie einiges verbindet.

Rakitic: Stimmt, es gibt die Parallele, dass auch er erst seit letzter Saison im defensiven Mittelfeld spielt. Wir sind einen ähnlichen Weg gegangen und es ist offensichtlich, dass der Positionswechsel uns beiden sehr gut getan hat. Schweinsteiger hat aber bereits in der Champions League und jetzt bei der WM bewiesen, dass er seine Leistungen auch auf einem höheren Level konstant abrufen kann. Ich möchte ihm das in der kommenden Spielzeit nachmachen.

SPOX: Sie sind erst 22 Jahre alt, gehören jedoch zu den dienstältesten Spielern auf Schalke. Werden Sie im Verein jetzt anders wahrgenommen?

Rakitic: Ich merke schon, dass ich anders gesehen werde. Als ich zu Schalke kam, war ich 19 Jahre alt und wusste vieles nicht richtig einzuschätzen. Mit all den Erfahrungen in den letzten drei Jahren hat sich jedoch meine Grundeinstellung geändert. Ich weiß nun, wie wichtig es war, bereits in der ersten Saison Champions League zu spielen, in der zweiten Saison Schwierigkeiten zu haben und in der dritten Saison zu lernen, Verantwortung zu übernehmen. Dies alles machte mich zu dem, was ich bin.

SPOX: Mittlerweile gelten Sie sogar als Kandidat auf das Kapitäns-Amt.

Rakitic: Die Binde würde mich stolz machen. Ich habe bereits die kroatische U 21 und zuletzt auch die A-Nationalmannschaft als Kapitän angeführt, daher weiß ich, was auf einen zukommt. Die Entscheidung trifft jedoch der Trainer. Auch ohne die Binde würde ich mich einbringen und versuchen, für jeden Mitspieler da zu sein. Das ist der Anspruch an mich selbst.

SPOX: Christoph Metzelder wurde verpflichtet, der Transfer von Raul steht womöglich kurz bevor: Können Sie sich neben diesen Stars als Führungsspieler behaupten?

Rakitic: Ich sehe nichts Negatives darin. Im Gegenteil: Ich kann im täglichen Miteinander mit solchen Spielern nur dazulernen.

SPOX: Sie freuen sich auf Raul?

Rakitic: Klar, die Mannschaft verfolgt seine mögliche Verpflichtung mit dem gleichen großen Interesse wie die Öffentlichkeit. Das wäre eine Riesensache. Wahrscheinlich holt sich jeder einzelne Spieler erst einmal ein Autogramm von ihm. (lacht) Ich hoffe, dass der Klub den Transfer hinkriegt und Raul bald bei uns ist.

SPOX: Mit welcher Zielsetzung gehen Sie mit Schalke in die kommende Saison?

Rakitic: Wir haben mit der Champions League eine zusätzliche Belastung zu verkraften, dennoch wollen wir in der Bundesliga die vergangene Saison bestätigen. Wir müssen den gleichen Erfolg anstreben und können uns nicht damit zufriedengeben, im Mittelfeld zu landen.

SPOX: Der gleiche Erfolg bedeutet die Vizemeisterschaft. Reicht das?

Rakitic: Die einzige Mannschaft, die die Meisterschaft vor der Saison beanspruchen kann, sind die Bayern. Aber: Wir werden angreifen und alles versuchen, um an ihnen vorbeizuziehen. Umso wichtiger ist es, in der Vorbereitung richtig zu arbeiten und die Neuzugänge zu integrieren, um gleich vom ersten Spieltag an Druck aufzubauen.

SPOX: Als möglicher Neuzugang wird Wolfsburgs Spielmacher Zvjezdan Misimovic gehandelt.

Rakitic: Das wäre eine super Sache, vor allem für mich. Ich empfange ihn mit offenen Armen. Es würde mehr als ein Vergnügen sein, mit ihm im zentralen Mittelfeld aufzulaufen. Zwetschge hat in den letzten Jahren dauerhaft auf einem hohen Niveau bewiesen, dass er zu den internationalen Top-Spielmachern gehört.

SPOX: Egal ob Raul oder Misimovic: Magath betont wiederholt, dass die Mannschaft verstärkt werden muss, weil sie sonst ins Mittelmaß abrutscht. Seine Forderung könnte jedoch auch als Misstrauensvotum gegen die Mannschaft der vergangenen Saison interpretiert werden. Droht ein Konflikt?

Rakitic: Überhaupt nicht. Wenn Felix Magath glaubt, dass wegen der Doppelbelastung das Mittelmaß droht, wird es so sein. Wir haben nun mal eine junge Mannschaft, die kaum Erfahrung mit der Champions League hat, dementsprechend willkommen sind Verstärkungen. Aber klar ist auch, dass keiner von uns seinen Platz einfach hergeben wird. Ich freue mich auf den Konkurrenzkampf!

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