Gentner: Bereit für die Leader-Rolle

Von Interview: Florian Regelmann
Christian Gentner kehrte nach drei Jahren Wolfsburg zum VfB Stuttgart zurück
© Imago

Christian Gentner ist nach drei Jahren Wolfsburg als gereifter Führungsspieler nach Stuttgart zurückgekehrt. Der 24-Jährige spricht im SPOX-Interview über seine Ziele und lobt einen VfB-Youngster in den höchsten Tönen. Außerdem nennt er seine Lieblingsspieler in der NBA.

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SPOX: Herr Gentner, bevor wir über Fußball sprechen, muss zuerst die NBA thematisiert werden, immerhin sind Sie ein großer Basketball-Fan. Sie haben Ihren Wechsel nach Stuttgart ja einfach so und völlig unspektakulär bekannt gegeben, LeBron James macht so etwas in einer TV-Sondersendung.

Christian Gentner: (lacht) Jaja, ich weiß. In den USA laufen die Dinge eben ein bisschen anders. Das ist natürlich der Wahnsinn, dass LeBron jetzt in Miami in einem Team mit Dwyane Wade und Chris Bosh spielt. Damit ist die Meisterschaft in der nächsten Saison ja schon fast entschieden. Ich habe die ganzen Wechsel im Sommer auf jeden Fall intensiv verfolgt.

SPOX: Einer, der nicht gewechselt ist, heißt Dirk Nowitzki. Was halten Sie von seiner Entscheidung, in Dallas zu bleiben?

Gentner: Ich weiß nicht so recht. Von allem, was man hört, fühlt er sich in Dallas einfach unglaublich wohl und ist deshalb geblieben. Das verstehe ich zwar, aber für seinen Meisterschaftstraum war es meiner Meinung nach nicht die richtige Entscheidung. Die Mavs müssten schon mal einen echten Knaller verpflichten, wenn sie eine Chance haben wollen. Es wird wieder schwierig für sie.

SPOX: Ist Nowitzki Ihr Lieblingsspieler?

Gentner: Dirk finde ich klasse, aber meine beiden Favoriten sind in erster Linie Derrick Rose und Dwyane Wade. Die beiden verfolge ich immer besonders, ich habe extra den NBA League Pass, um mir Spiele im Internet anschauen zu können. Und als ich das letzte Mal in New York war, habe ich mir auch die Spiele der Chicago Bulls und Miami Heat angeschaut. Rose und Wade sind für mich überragend. Und dann gibt es da noch Chris Andersen...

SPOX: Wie bitte? Den Birdman...

Gentner: ...genau! Was ein Typ! Kollege Marcel Schäfer hat in Wolfsburg sogar Poster von ihm in der Kabine aufgehängt. Der Birdman ist Legende. (lacht)

SPOX: In gewisser Weise ist das nicht abzustreiten. Trotzdem kommen wir jetzt besser mal zum Fußball. Sie sind zurück in der Heimat. Wie läuft es in Stuttgart?

Gentner: Danke, es ist alles bestens. Ich bin hier wieder mit offenen Armen empfangen und super aufgenommen worden. Mir wurde es richtig leicht gemacht. Was die Mannschaft angeht, kenne ich kaum noch Spieler von früher, aber ich habe schon den Eindruck bekommen, dass super Charaktere dabei sind. Und vom Stab drum herum sind viele noch dieselben Leute wie damals. Dazu kommt ein Trainer, der eine klare Linie verfolgt und eine absolute Respektsperson ist. Er strahlt eine große, natürliche Autorität aus, das merkt man schon im ersten Gespräch. Ich fühle mich richtig wohl.

SPOX: War die Heimatverbundenheit ein Grund für den Wechsel zurück zum VfB?

Gentner: Es hat irgendwo schon auch eine Rolle gespielt, aber ausschlaggebend war es nicht. Der VfB ist eine absolute Top-Adresse in Deutschland. Hier steckt ein riesiges Potenzial drin. Ich bin davon überzeugt, dass ich mit dem VfB in den nächsten Jahren eine Menge erreichen kann. Das war der entscheidende Faktor für den Wechsel.

SPOX: Also ist mit dem VfB mehr möglich als mit Wolfsburg?

Gentner: Ich glaube, dass auch Wolfsburg wieder eine sehr konkurrenzfähige Mannschaft haben wird, die oben mitspielen kann. Als ich nach Wolfsburg ging, kamen nur 15.000 bis 20.000 Zuschauer zu den Spielen, in den letzten eineinhalb Jahren waren die Partien alle ausverkauft. Wolfsburg wird sich auf Dauer als gute Adresse etablieren - und gut leben kann man dort durchaus auch. Ich hatte eine tolle Zeit beim VfL mit unglaublichen Erfolgen, die nicht zu erwarten waren. Dass der Verein nicht die Tradition haben kann, die der VfB hat, ist aber auch klar.

SPOX: Sie haben gesagt, dass mit dem VfB vieles möglich ist. Geht es ein bisschen konkreter?

Gentner: Ich denke, dass es kein Geheimnis ist, dass Platz fünf das Minimalziel ist. Unser Minimalziel sein muss. Der VfB hat in den letzten Jahren regelmäßig Erfolg gehabt und international gespielt - daran wollen wir mindestens anknüpfen. Ob es dann noch weiter nach oben geht, wird sich zeigen. Das hängt dann immer von vielen Faktoren ab. Man muss jetzt auch schauen, welche Transfers bei uns oder anderen Vereinen noch getätigt werden.

SPOX: Ihr neuer Trainer Christian Gross hat gesagt, dass er noch zwei Spieler für die Außenbahnen will. In Wolfsburg haben Sie links gespielt. Wo wird Ihre Position beim VfB liegen?

Gentner: Ich habe darüber mit dem Trainer noch nicht konkret gesprochen, das wird sich noch klären. Ich glaube - und meine Trainer haben mir das auch immer gesagt -, dass ich meine Stärke in einer zentralen Position am besten einsetzen kann. Aber es geht hier nicht um persönliche Interessen. Es geht um den Mannschaftserfolg und darum, auf welcher Position ich dem Team am meisten helfen kann. In Wolfsburg war das eben auf der linken Seite.

SPOX: Unabhängig von der Position kommen Sie als gereifte Persönlichkeit nach Stuttgart zurück.

Gentner: Das stimmt. Ich bin als Ergänzungsspieler nach Wolfsburg gekommen - seitdem hat sich viel getan. Ich habe in den letzten beiden Jahren jedes Spiel gemacht, bin Meister geworden und habe in der Champions League gespielt. Ich habe mich als Spieler und als Person weiterentwickelt. Auch wenn ich erst 24 Jahre alt bin, habe ich schon eine Menge Erfahrung gesammelt. Ich will beim VfB Verantwortung übernehmen, die jungen Spieler führen und auch Dinge ansprechen, wenn ich es für nötig halte. Das sehe ich als meine Aufgabe an, vor der ich mich auch nicht scheue. Ich will vorangehen.

SPOX: Wie bitter war es, dass Sie den Sprung in den WM-Kader verpasst haben?

Gentner: Das war natürlich ein Rückschlag, nachdem ich ein Jahr lang immer dabei war - aber ich habe das Positive daraus gezogen. Ich konnte die Vorbereitung von Anfang an mitmachen und werde topfit in die Saison gehen. Ich möchte unbedingt ein fester Bestandteil der Nationalmannschaft sein. Ich muss einfach so stark spielen, dass der Bundestrainer nicht an mir vorbeikommt. Es liegt nur an mir. Wenn ich die Leistung bringe, die ich bringen kann, glaube ich schon, dass ich zum Kreis dazugehören werde.

SPOX: Sven Ulreich bekommt die Chance, sich als neue Nummer eins beim VfB zu beweisen. Könnte er der nächste junge deutsche Torwart sein, der groß raus und vielleicht mal in den Dunstkreis der Nationalmannschaft kommt?

Gentner: Ich habe in Wolfsburg mit einem der für mich besten Torhüter der Welt zusammengespielt, Diego Benaglio, und ich bin sicher, dass auch Sven eine Riesenzukunft vor sich hat. Ich kenne ihn schon seit der D-Jugend, weil er dort mit meinem Bruder zusammengespielt hat. Ich war damals schon begeistert von ihm. Er ist ehrgeizig und verfügt über alle Qualitäten, die ein überragender Torwart braucht. Er strahlt eine beeindruckende Souveränität aus, die in seinem Alter nicht gang und gäbe ist. Ich bin überzeugt davon, dass er in einigen Jahren ans Tor zur Nationalmannschaft klopfen kann.

Der VfB Stuttgart in der Sommerpause