Gegen Hannover die Pole-Position verteidigen

Von Jonas Wäckerle
Robin Dutt trainiert den SC Freiburg seit 2007 und stieg zwei Jahre später in die Bundesliga auf
© Getty

Am Samstag empfängt der SC Freiburg Hannover 96 zum Abstiegskracher. SC-Coach Robin Dutt geht nach taktischen Änderungen optimistisch in die Saisonschlussphase. Für Hoffnung sorgen der Stabilitätsfaktor in der Abwehr und ein Stürmer, der im 4-4-2 aufblüht. Sorgen macht dagegen das Mittelfeld.

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Öffentlich gibt sich Robin Dutt auch bei der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Hannover 96 (Sa., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER und auf SKY) wie immer in den letzten Wochen: entspannt, sachlich und fast schon aufreizend positiv.

Der Trainer spricht von einer "Pole-Position" im Tabellenkeller, auf der der SC Freiburg als 15. steht und redet offensiv von den Chancen, die das Sechs-Punkte-Spiel liefert: "Wir haben eine größere Chance, etwas zu gewinnen, als Hannover. Hannover kann nur etwas vermeiden."

Was Dutt meint: Selbst bei einer Niederlage hätte der SC noch alle Chancen auf den Klassenerhalt, während man mit einem Sieg sechs Punkte vor Hannover stünde. Die erschreckende Tendenz, dass Freiburg mittlerweile zehn Spiele ohne Sieg und 540 Heimspielminuten ohne Tor ist, interessiert den öffentlichen Dutt nur am Rande.

Bieder statt forsch

Intern hat Dutt dagegen spätestens nach dem Debakel gegen Berlin reagiert und ist von der forschen Offensivtaktik abgerückt. Ein logischer Schritt: Der Schuh drückte trotz zuletzt wilder Offensivexperimente im Angriff am stärksten - und warum sollte man sich auf seine Schwächen besinnen und damit die Verteidigung vernachlässigen?

So überraschte der SC beim 1:1 in Mönchengladbach mit einer ziemlich biederen Defensivausrichtung und wagte sich meist nur mit den Stürmern Papiss Cisse und Mohamadou Idrissou in die Nähe des Gladbacher Strafraums.

Mit Erfolg: Neben dem Punkt nahm Freiburg auch neue Sicherheit im Defensivverhalten mit. Selbst als die Borussia in der zweiten Hälfte attackierte, stand die Freiburger Abwehr und verzichtete auf die zuletzt so häufigen individuellen Patzer. Die Entwicklung personifiziert sich in Torwart Simon Pouplin. In Gladbach wurde der Franzose durch starke Paraden vom einstigen Unsicherheitsfaktor zum Matchwinner.

Krmas, der Stabilitätsfaktor

Stabilität brachte in Gladbach auch die Rückkehr des heimlichen Schlüsselspielers Pavel Krmas. Mit ihm holte der SC in 14 Spielen immerhin 14 Punkte. In den anderen zehn Partien waren es nur deren sechs. Der Innenverteidiger spielte bei seinem Comeback rechter Außenverteidiger - eine von Freiburgs Problemstellen - und interpretierte seine Rolle fast schon unverschämt defensiv.

Krmas schaltete sich so gut wie gar nicht in das Offensivspiel ein und überquerte die Mittellinie nur, wenn er bei Standards aufrückte.

Doch die Konzentrationsstärke des Tschechen, sein Spielverständnis und seine Beschränkung auf das Wesentliche waren es, was der jungen Mannschaft in den letzten Wochen abging. Verdeutlicht wird Krmas' routiniertes Spiel auch durch die Statistik: Der 30-Jährige führt trotz zehn verpasster Spiele die interne Rangliste der abgefangenen Bälle an.

Butscher zurück im Training

Mit Krmas' Routine darf sich SC-Coach Dutt auch wieder auf mehr Ruhe in den entscheidenden Phasen freuen. Sechs der letzten zehn Gegentore kassierte der SC in den zehn Minuten vor der Pause.

Langfristig wird Krmas wieder mit Toprak die erfolgreiche Innenverteidigung aus der Aufstiegssaison bilden. Kurzfristig ist sein Einsatz gegen Hannover jedoch gefährdet, denn aufgrund von Wadenproblemen musste Krmas unter der Woche pausieren.

Dafür könnte mit Heiko Butscher ein anderer erfahrener Mann ins Team zurückkehren. Der Kapitän stieg nach überstandenem Muskelfaserriss am Donnerstag wieder ins Training ein. Wer letztlich am Samstag in der Viererkette steht, wird sich erst kurzfristig entscheiden.

Freiburg - Hannover: Die voraussichtlichen Aufstellungen

Sorgenkind Doppelsechs

Doch während die Viererkette schon in unterschiedlichsten Variationen passable Leistungen ablieferte, ist die Besetzung der Doppelsechs das große Freiburger Problem.

Zum einen ist da Ivica Banovic. Der Kroate hat sich in der Hinrunde mit einigen Toren und starken Leistungen seinen Stammplatz erarbeitet. Banovic spielt konstant, ist aber in der Rückwärtsbewegung zu langsam und auch immer wieder für Fehlpässe zu haben.

Zum anderen ist da die vakante Nebenposition. Schuster, Flum und Makiadi wechselten sich zuletzt auf dieser Position ab. Flum machte dabei den besten Eindruck und wäre die destruktivere Lösung. Das Gladbach-Experiment mit Makiadi darf man getrost als gescheitert bezeichnen. Eigentlich muss Dutt auf dieser Position wieder umstellen.

Spagat im Schicksalsspiel

Und was macht der Angriff? In Gladbach durfte sich Freiburg mit der neuen Defensivtaktik auf vereinzelte Kontersituationen beschränken. Doch gegen Hannover 96 wird es ein anderes Spiel. Der SC muss auf Sieg spielen und benötigt endlich das so befreiende Heimtor.

Dutt muss in dem Schicksalsspiel einen schwierigen Spagat meistern: Kontrollierte Offensive, ohne dabei die neu gefundene Stabilität in der Abwehr zu gefährden.

Die Probleme im Angriffsspiel der Breisgauer sind schnell erzählt. Zu wenig torgefährliche Spieler, umständliches Spiel und eine der schlechtesten Schussstatistiken der Liga (unter 40% der Schüsse gehen auf das Tor). Die Sportclub-typischen Probleme eben.

Die Pseudo-Außen

Was im Freiburger Kader fehlt, sind die offensiven Außenspieler. Ähnlich wie bei Banovic' Nebenmann hat Dutt auch im rechten und linken Mittelfeld alles ausprobiert, was nicht bei drei zurück in den Mittelkreis gerannt ist: Abdessadki, Idrissou, Bechmann, Jäger, Namouchi, Makiadi, Caligiuri, Bastians oder Cha. Einzig Bastians und Cha sind klassische Außenspieler - werden jedoch eher im Defensivbereich eingesetzt.

Doch gerade im alten 4-2-3-1-System kommt den Außenspielern eine wichtige Rolle zu, sie müssen ihre Position halten und den einzigen Stürmer mit Vorstößen von der Seite unterstützen. Stattdessen ziehen Makiadi, Bechmann & Co viel zu oft schon gut 30 Meter vor dem Tor in die ohnehin schon überfüllte Mitte.

4-4-2 kommt Cisse zugute

Leidtragender der mangelnden Unterstützung war trotz guter Ansätze Winterneuzugang Papiss Cisse. Der Senegalese rieb sich als einzige Spitze immer auf, zudem fehlte ihm in seinen ersten Spielen das Glück beim Abschluss.

Dutt reagierte darauf mit einer Systemumstellung und stellte Cisse gegen Hertha und in Gladbach jeweils einen zweiten Stürmer an die Seite.

Mit einem Nebenmann ausgestattet kommen Cisses Qualitäten gleich viel besser zum Zuge. Der athletische Stürmer kann sein intensives Spiel durchziehen, ohne sich dabei in Unterzahl auszupowern, und Räume für seinen Sturmpartner schaffen.

In Gladbach überzeugte Cisse jedenfalls. Er hielt vorne viele Bälle und drängte Gladbachs Verteidiger durch sein aggressives Pressing zu dem ein oder anderen Fehlpass. Außerdem erzielte er mit einem sehenswerten Kopfball sein zweites Saisontor. Gegen Hannover soll nun auch der erste Heimtreffer folgen.

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