Alle Macht dem Supertrainer

Von Haruka Gruber
Das englische Modell: Ralf Rangnick (l.) und Felix Magath sind in ihren Klubs die mächtigen Männer
© Imago

Wolfsburg, Hoffenheim und vielleicht Hannover: Die Bundesliga-Vereine orientieren sich zunehmend am "englischen Modell" und statten die Trainer mit viel Macht aus - im Gegensatz zu den anderen großen Fußball-Nationen.

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Er wollte es ja nicht anders. Und so machte sich Felix Magath bereits wenige Tage nach der Unterzeichnung seines Vertrags beim VfL Wolfsburg auf den Weg nach Kroatien.

Seine erste Dienstreise führte ihn im Juni 2007 in ein Hotel außerhalb des Zentrums von Zagreb, wo er sich mit einem jungen Bosnier traf, den er zuvor nur vom Hörensagen kannte.

Das erste Kennenlernen stand an, welches offenbar derart vielversprechend verlief, dass Magath sich schließlich zum Kauf des Talents entschloss. Vier Millionen Euro für einen nahezu unbekannten Spieler namens Edin Dzeko, mittlerweile "einer der besten Stürmer seiner Altersklasse in ganz Europa" (Magath).

Magath, Rangnick - und Hecking?

Das Treffen mit Dzeko kennzeichnet den Beginn einer neuen Zeitrechnung. Als Wolfsburgs Sportdirektor, Trainer und Geschäftsführer verfügt Magath seit eineinhalb Jahren über eine Machtfülle, die in der Bundesliga seinesgleichen sucht und nur mit der Position von Hoffenheims Herbstmeister-Trainer Ralf Rangnick ansatzweise vergleichbar ist.

Ein radikaler Strukturwandel des VfL, der mit Platz fünf in der Bundesliga und der UEFA-Cup-Qualifikation im ersten Jahr äußerst erfolgreich verlief.

Ein ähnlicher Aufschwung schwebt nun offenbar auch Hannovers Trainer Dieter Hecking vor, dem nachgesagt wird, nach dem Weggang von Sportdirektor Christian Hochstätter dessen Aufgaben mit übernehmen zu wollen.

Hecking, so heißt es, sei der ewigen Diskutiererei mit einem Sportdirektor über mögliche Zugänge müde und strebe nach mehr Kompetenz. Die verfehlte Einkaufspolitik im Sommer gilt als Hauptgrund dafür, dass 96 die Hinrunde nur als 13. abschloss.

Magath: "Keine endlosen Diskussionen"

Hannovers Präsident Martin Kind hat sich nicht endgültig entschieden. "Grundsätzlich sind arbeitsteilige Strukturen für uns das tragfähigere Modell. Aber soweit, dass eine Teammanager-Lösung ausgeschlossen wird, würde ich nicht gehen, weil sich Prozesse immer verändern", sagt Kind bei SPOX.

Hecking darf demnach noch darauf hoffen, bei 96 den Magath zu mimen. Magath entscheidet in Wolfsburg über die Verwendung des Budgets, Magath bestimmt die Transferpolitik, Magath beaufsichtigt die Jugendarbeit und das Scouting, Magath stellt die Mannschaft auf, Magath führt sogar erste Sondierungsgespräche - wie eben mit Dzeko.

"Nur so gibt es eine klare Richtung im Verein", sagt Magath. "Es ist einfach die sauberste Lösung. Man wird nicht aufgehalten durch endlose Diskussionen."

Auch Monaco und Tottenham denken um

Das Modell Magath müsste vielmehr das "Modell England" heißen. Denn in der Premier League werden die Teammanager traditionell mit viel Einfluss ausgestattet. Als Alleinherrscher im sportlichen Bereich führten beispielsweise Manchester Uniteds Sir Alex Ferguson und FC Arsenals Arsene Wenger ihre Klubs an die europäische Spitze. Eine Konstellation, die zunehmend Nachahmer findet. Nicht nur in Deutschland.

Monacos neuer Präsident Jerome de Bontin etwa feuerte Manager Marc Keller und Sportdirektor Jean-Luc Ettori, um die Position von Trainer Ricardo zu stärken.

"Die sportliche Führung ist nicht geschlossen aufgetreten. Es musste eine neue Struktur her. Erst durch die Beförderung des Trainers haben wir eine gemeinsame Vision, die wir vorher nicht hatten. Es gibt eine klare Hierarchie", erklärt de Bontin.

Ebenso entschloss sich Tottenham zum Radikalumschwung, entließ nach etlichen Transfer-Flops Sportdirektor Damien Comolli und übergab dessen Kompetenzen dem neuen Teammanager Harry Redknapp ("Ich lasse es sowieso nicht zu, dass mir die Spieler vorgesetzt werden").

Milan hat einen Sportdirektor?

Ob nun ein europaweites Umdenken stattfindet, ist jedoch fraglich. In Italien, Frankreich und Spanien ist zwar die Stellung von Sportdirektoren und Managern besonders bei den großen Klubs von jeher schwächer als in Deutschland, doch die Trainer sind dafür direkt dem Klubboss unterstellt und sind ihm Rechenschaft schuldig.

Inter Mailands Präsident Massimo Moratti hält genauso die Zügel fest in der Hand wie AC Milans Vizepräsident Adriano Galliani. Wer weiß schon, dass Milan überhaupt einen Sportdirektor beschäftigt? Geschweige denn, dass dieser Ariedo Braida heißt?

Vergleichbar ist auch die Situation bei den französischen Spitzenklubs Lyon (Jean-Michel Aulas) und Marseille (Pape Diouf) sowie in Spanien bei Real Madrid (Ramon Calderon), Barcelona (Joan Laporta) oder Atletico Madrid (Enrique Cerezo).

"Erfindung des Supercoachs"

In Deutschland hingegen bekommen die Trainer dem englischen Vorbild entsprechend zunehmend mehr Einfluss. In Wolfsburg und Hoffenheim sowieso, aber auch bei den Bayern (Jürgen Klinsmann), in Dortmund (Jürgen Klopp), in Berlin (Lucien Favre) oder in Köln (Christoph Daum) verfügen die Trainer über deutlich mehr Entscheidungsgewalt als ihre jeweiligen Vorgänger. Der "Spiegel" sprach bereits von der "Erfindung des Supercoachs".

Die klassische Aufgabenteilung, dass der Trainer dem Manager/Sportdirektor unterstellt ist, aber beide an einem Strang ziehen (sollen), herrscht unter anderem noch in Bremen, Stuttgart, Leverkusen, Hamburg und Schalke vor. Ebenso bei den sich im Tabellenkeller befindenden Bielefeld, Karlsruhe, Cottbus und Bochum.  

Zufall oder nicht, von den letzten fünf Teams setzt nur Mönchengladbach mit Hans Meyer auf einen Autokraten auf der Trainerbank.

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Reibungsverluste in Stuttgart und Schalke

Besonders Stuttgart und Schalke - vormals neben Bremen die Paradebeispiele für ein erfolgreiches Nebeneinander von Trainer und Manager - dienen mittlerweile als Beleg dafür, warum Magath philosophiert: "Im Fußball gibt es keine Wahrheiten und keine zwei Leute, die auf dem Platz das Gleiche sehen."

Stuttgarts Manager Horst Heldt sowie sein Schalker Kollege Andreas Müller entließen nach beruflichen Differenzen ihre Trainer Armin Veh bzw. Mirko Slomka - obwohl diese mit ihren Vorgesetzten privat befreundet waren. Die Physik hat dafür das Wort Reibungsverlust.

"So eine Konstellation kann nur funktionieren, wenn beide Seiten exakt wissen, was der andere vorhat. Ich bin froh, dass ich allein verantwortlich bin. Bei meinen vorherigen Vereinen bin ich gestolpert, weil ich mit meinen Bossen aneinandergeraten bin", erinnert sich Magath. Das gleiche Schicksal ereilte Rangnick Ende 2005 auf Schalke unter Rudi Assauer.

Stress als Gegenargument

Für Uli Hoeneß jedoch repräsentiert Magaths Weg - entgegen des derzeitigen Trends - nicht die Zukunft des deutschen Fußballs.

"Wir sehen doch jetzt in Wolfsburg, wie Felix Magath schon wieder versucht, das Rad zurückzudrehen. Die Doppelbelastung als Trainer und Manager ist nicht einfach zu bewältigen", sagt der Bayern-Manager - was Magath sogar bestätigt.

Wegen der enormen Belastung würde er sich mittelfristig auf den Trainerjob konzentrieren, weil die "Arbeit mit drei Funktionen nicht wenig ist. Als der Vertrag unterschrieben wurde, war das noch okay. Eine Veränderung steht an."

Magath ist eben nur ein Supercoach. Kein Superman.

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