Turbulenzen bei den Roten

Von Torsten Adams
Hannovers Boss Martin Kind (l.) und Trainer Dieter Hecking fahren das Budget künftig herunter
© Getty

EXKLUSIV Für Hannover 96 begann das Jahr 2009 so, wie 2008 aufgehört hatte: mit Turbulenzen. Sportdirektor Christian Hochstätter hatte jüngst seinen Abschied zum Saisonende angekündigt. Nun geht für die Roten wieder die Sonne auf - zumindest in klimatischer Hinsicht. Die Profiabteilung bezieht ihr Trainingslager an der portugiesischen Ost-Algarve. Doch ein Platz im Flugzeug bleibt unbesetzt.

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"Herr Hochstätter wird nicht mit nach Portugal fliegen und momentan für uns auch nicht weiter aktiv tätig sein", bestätigte Präsident und Vorstandsvorsitzender Martin Kind gegenüber SPOX.

Kind: Entscheidung mit Kalkül

Der 64-jährige Klubboss ließ zum Jahreswechsel eine Option verstreichen, Hochstätters Vertrag über diese Saison hinaus bis Ende Juni 2010 zu verlängern. Kind wollte noch drei Monate abwarten - da zog Hochstätter beleidigt den Schlussstrich: "Ich habe das Vertrauen nicht so gespürt."

Kinds Entscheidung, Hochstätters Vertragsoption vorerst nicht zu ziehen, war wohl mit Bedacht gefällt. Das "spannendste Projekt der Liga" erlitt sportlichen Schiffbruch und findet sich nach einer verkorksten Hinrunde bestenfalls im grauen Mittelmaß der Liga wieder.

Insofern muss man Kind verstehen: Zu Beginn der Rückrunde treffen die Roten auf vier Topteams der Liga (Schalke, Stuttgart, Leverkusen, Bayern). Hinzu kommen zwei schwere Auswärtsspiele (Cottbus, Gladbach) gegen direkte Konkurrenten. Ginge der Rückrundenstart schief, stünden Mannschaft, Trainer und Sportdirektor sofort wieder unter Druck - und damit auch Kind, der sich dann eine unnötige Vertragsverlängerung Hochstätters nachsagen lassen müsste.

Warnschuss an Hecking

Bis ein neuer Sportdirektor gefunden ist, teilen sich Kind und Hecking die Aufgaben des Managers. Dem Coach werden also in Zukunft mehr Kompetenzen eingeräumt - könnte man auf den ersten Blick meinen. Doch die von Kind an Hochstätter ausgesprochene Beurlaubung war auch ein Warnschuss an Heckings Adresse.

Denn bei der Besetzung des Sportdirektor-Postens im Januar 2007 war Hochstätter Heckings Wunschkandidat. Der Ex-Gladbacher wurde daraufhin ins Amt genommen. Zwei Jahre später ist klar, dass Heckings einstiger Wunschkandidat gescheitert ist.

Keine Teammanager-Lösung

Strebt Hannover 96 jetzt die englische Lösung an, mit einem Trainer und Manager in Personalunion nach dem Wolfsburger Vorbild mit Felix Magath?

"Soweit, dass eine Teammanager-Lösung ausgeschlossen wird, würde ich nicht gehen, weil sich Prozesse immer verändern. Aber grundsätzlich sind arbeitsteilige Strukturen für uns das tragfähigere Modell", so Kind.

Hannover bastelt also fleißig an einer Nachfolge-Lösung für Hochstätter. Name und Zeitpunkt sind jedoch noch ungewiss: "Wir werden verschiedene Modelle durchdiskutieren und ein Anforderungsprofil für den neuen Sportdirektor entwerfen", sagt Kind. "Dann schauen wir, welche Kandidaten dieses Anforderungsprofil erfüllen und mit wem wir Gespräche führen."

Immenser Verschleiß an Sportdirektoren

Erst vor zwei Jahren hatte Hochstätter bei Hannover 96 als Sportdirektor die Nachfolge von Manager Ilja Kaenzig angetreten. Zuvor mussten bereits Franz Gerber, Thomas von Heesen, Wolfgang Levin oder der 2002 unerwartet geholte Spanier Ricardo Moar frühzeitig wieder ihre Koffer packen.

Somit ist in Hannover einmal mehr das angestrebte Ziel verpasst worden, die maßgeblichen Personen für die sportliche und wirtschaftliche Entwicklung des Vereins langfristig arbeiten zu lassen.

Eine spezielle Ursache für den großen Verschleiß an Sportdirektoren sieht Kind bei den Roten allerdings nicht: "Bei jedem hat es unterschiedliche Gründe für das Scheitern gegeben. Wir versuchen aus diesen Dingen zu lernen, aber Sie bekommen nie die Garantie, dass diese Entscheidungen richtig sind."

Hannover 96 in der Presseschau