"Wir wollen jedes Jahr einen Schritt weiter"

Von Interview: Viktoria Noll
Bundsliga, VfL Bochum, Koller
© Getty

Am 6. Spieltag der Bundesliga sorgte der VfL Bochum mit dem 3:3 beim FC Bayern für mächtig Wirbel in München. Bochums Lage geriet dabei fast in Vergessenheit, obwohl der VfL mit nur sechs Punkten auf Rang 14 der Tabelle liegt.

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Daher kommt dem Spiel am Freitag gegen Schlusslicht Borussia Mönchengladbach (20.15 Uhr im SPOX-TICKER und bei Premiere) enorme Bedeutung zu.

Auch für Trainer Marcel Koller. Der Schweizer ist bei den VfL-Fans nicht mehr unumstritten, nach dem 2:3 gegen Bayer Leverkusen hatte es lautstarke "Koller raus"-Rufe gegeben.

Im Interview mit SPOX spricht Koller über das gespaltene Verhältnis zu den Anhängern, Gegenwart und Zukunft des VfL und er hat einen Tipp für Lukas Podolski parat.

SPOX: Herr Koller, war das Spiel gegen Bayern München eine Art Wendepunkt der Saison?

Marcel Koller: Für einen Klub wie den VfL ist es nicht selbstverständlich, in München zu punkten , daher freut uns dieser kleine Erfolg. Dennoch hätten wir gern mehr mitgenommen und wenn man das Spiel insgesamt sieht, wäre auch ein Sieg drin gewesen. Es spricht für meine Spieler, dass sie dies nach der Partie ähnlich gesehen haben. Trotzdem tut es dem Selbstvertrauen gut, dass unser mutiges Auftreten belohnt wurde. 

SPOX: Die Pfiffe gegen Oliver Schröder im Spiel gegen Leverkusen galten laut Fan-Aussagen Ihrer Taktik, keinen Offensivspieler eingewechselt zu haben. Wie haben Sie die Situation erlebt?

Koller: Einige Spieler haben im Rahmen eines Fanabends über dieses Thema diskutiert und auch Oliver Schröder hat daran teilgenommen. Die Pfiffe richteten sich zum Teil gegen meine Auswechslung und zum Teil gegen den Spieler. Wir können die Unzufriedenheit der Fans verstehen - wir waren ja selbst unzufrieden. Aber die Frage ist doch, ob diese Pfiffe den Spielern helfen. Oliver hat sich davon aber nicht beeindrucken lassen, sondern hat hart trainiert und gegen die Bayern ein gutes Spiel gemacht.

SPOX: Wie kommt es, dass die VfL-Fans immer wieder einzelne Spieler herausgreifen und auspfeifen? Letzte Saison war Pavel Drsek betroffen, aktuell ist es Schröder.

Koller: Ich glaube nicht, dass dies ein spezielles Problem des VfL ist. Es ist schade, wenn sich der Unmut gegen einen Spieler richtet, denn mit Pfiffen während der Spiele schadet man immer der ganzen Mannschaft. Nach einem schlechten Spiel muss man als Spieler oder Trainer auch Pfiffe aushalten können und sich der Diskussion stellen.

SPOX: Wirkt sich das Fan-Verhalten auf die Leistung der Mannschaft aus?

Koller: Es wäre viel zu einfach zu sagen, dass wir schlecht spielen, weil die Fans pfeifen. Für ihre Leistung tragen die Spieler selbst die Verantwortung und es ist meine Aufgabe, sie entsprechend vorzubereiten. Aber die Frage ist: Helfen die Pfiffe? Besonders zu Hause, mit den Fans im Rücken, ist häufig mehr drin als anderswo.

SPOX: Sie haben laut eigener Aussage in dieser Saison den besten Kader Ihrer Amtszeit. Dennoch konnten Sie erst einmal gewinnen, letztes Jahr zum gleichen Zeitpunkt immerhin schon zweimal. Woran liegt es?

Koller: Es ist der beste Kader, weil er uns die meisten Möglichkeiten bietet. Trotz der Verletzungen haben wir in München ein gutes Spiel zeigen und die Ausfälle kompensieren können. Das war vorher nicht möglich. Durch die Verletzungen in der Vorbereitung sind einige Spieler noch nicht soweit, aber ich bin zuversichtlich, dass wir auch das hinbekommen.

Der Kader des VfL Bochum im Überblick

SPOX: Im letzten Spiel hat Mergim Mavraj eine Chance erhalten. Bleibt er der Herausforderer oder könnten Sie sich eine Umstellung in der Innenverteidigung vorstellen?

Koller: Es liegt an jedem Spieler, sich im Training aufzudrängen. Mergim hat eine tolle Entwicklung hinter sich und ist auf einem guten Weg. Der Weg in die erste Elf geht für jeden Spieler nur über das tägliche Training und da muss sich jeder, egal ob Nachwuchs oder Stammspieler, täglich aufs Neue beweisen.

SPOX: Stanislav Sestak konnte bisher an seine Leistungen der letzten Saison nicht anknüpfen. Welche Ursachen sehen Sie für diese Entwicklung?

Koller: Er hat schon getroffen und auch in München seine Chancen gehabt, obwohl er auf einer anderen Position gespielt hat. Er darf sich nur nicht verrückt machen lassen und muss weiter arbeiten, dann kommt alles andere von allein.

SPOX: Das Bochumer Mittelfeld setzt noch zu wenig Akzente. Mimoun Azaouagh, Shinji Ono und Paul Freier konnten bislang nicht überzeugen. Fehlt Ihnen eine Führungspersönlichkeit?

Koller: Nein. Alle drei hatten mit Verletzungen zu kämpfen und besonders Azaouagh hat in München ein sehr gutes Spiel gemacht.

SPOX: Bochum gehört nicht zu den finanzstärksten Teams in der Bundesliga. Inwieweit können Sie unter diesen Rahmenbedingungen ihre Vorstellungen umsetzen?

Koller: Hier wird seriös und wirtschaftlich klug gearbeitet. Wir wollen jedes Jahr einen Schritt weiter gehen und uns entwickeln. Zudem haben wir kurze Wege und arbeiten Hand in Hand - nur so kann sich der VfL mit seinen vergleichsweise bescheidenen Mitteln in der Bundesliga halten.

SPOX: Sie werden immer als der Entdecker von Lukas Podolski genannt. Wie beurteilen Sie seine Situation bei Bayern München?

Koller: Lukas würde wahrscheinlich bei jedem anderen Team spielen, aber er hat sich für die Bayern entschieden und will sich durchsetzen. Das Potential dazu hat er, also wird er weiter an sich arbeiten müssen.

Alle Infos zum 8. Spieltag der Bundesliga