In der Zwickmühle

Von Stefan Rommel
Bayern, Hamburg
© Imago

Bixente Lizarazu hat einst einen Satz geprägt, der für den FC Bayern München in seiner jüngeren Vergangenheit sehr zutreffend war.

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"Das beste System im Fußball ist, wenn man mindestens sechs Spieler mit defensivem Denken auf dem Platz hat."

Lizarazu muss es wissen, schließlich war der Franzose zu seiner aktiven Zeit der Inbegriff von Erfolg. Den Gipfel, beim Champions-League-Sieg 2001, erklomm der FC Bayern auf dem konservativen Weg.

Mit einer klaren Hierarchie innerhalb der Mannschaft und dem damals schon als Nostalgie-Objekt erklärten Libero. Mit mindestens sechs defensiv denkenden Spielern eben.

Die Tabelle nervt

Davon ist der FC Bayern nach sechs Spieltagen der aktuellen Saison sehr weit entfernt. So durchgekaut die Zahl seit dem 0:1 von Hannover auch ist: Am schlechtesten Saisonstart seit 31 Jahren kommt man nicht vorbei.

Auch Uli Hoeneß nicht. Der Bayern-Manager hielt sich kurz nach dem Spiel merklich zurück, nur ein kurzes "der Blick auf die Tabelle nervt mich" ließ erahnen, wie es in ihm brodelte.

Die große Panik bricht bei den Bayern nicht aus. Aber ähnlich wie die CSU schwer angeschlagen durch die Landtagswahl taumelte, ist auch das stabile Gebilde an der Säbener Straße angeschlagen.

Entwicklung stagniert

Jürgen Klinsmann steht nach zwei Niederlagen in Folge und keinerlei registrierbarer Entwicklung der Mannschaft in der öffentlichen Kritik. Wann und ob überhaupt auch innerhalb des Klubs ernsthafte Gespräche stattfinden, sickerte bisher noch nicht durch.

Klar ist aber auch, dass sich etwas ändern muss. Und zwar relativ schnell. Denn anders als in vielen Jahren zuvor scheint die Konkurrenz diese Saison zahlreicher und vor allen Dingen auch entschlossener, Ausrutscher des großen Favoriten auszunutzen.

Konkurrenz holt auf

In dem Maße, in dem die Bayern nämlich bestenfalls stagnieren, holen Klubs wie der Hamburger SV oder Bayer Leverkusen auf und verringern die Lücke.

Neben den üblichen Verdächtigen Schalke 04 und Werder Bremen erweitert sich der Kreis der potenziellen Titelanwärter in dieser Saison ganz offenbar auf fünf Kandidaten - aus Spannungsgründen im Vergleich zum Alleingang der Bayern in der Vorsaison eine geradezu paradiesische Vorstellung.

Der HSV gewinnt ein so genanntes "Schweine-Spiel" gegen Borussia Mönchengladbach in bestem Bayern-Stil, Werder dreht in Unterzahl gegen einen überlegenen Gegner ein Remis in einen Sieg - in bestem Bayern-Stil. Und Leverkusen hat im Moment schon das, was die neuen Bayern gerne auch schon hätten - einen neuen Stil.

Klinsi braucht mehr Zeit

Klinsmann benötigt noch mehr Zeit, um seine Vorstellungen zu einhundert Prozent in die Tat umzusetzen. Die Bayern-Führung will und wird ihm diese Zeit wohl auch einräumen. Aber auch den Verantwortlichen ist klar, dass die Konkurrenz in dieser Saison nicht so leicht abzuschütteln sein wird.

Dafür ist die Bundesliga in der Spitze zu eng zusammen gerückt. "Wir brauchen Zeit, um seine Philosophie umzusetzen. Wenn wir so weit sind, wird es besser laufen, und wir werden versuchen, wieder Deutscher Meister zu werden", sagte Franck Ribery. Nur wann wird das sein?

"Das darf doch nicht wahr sein!"

In der Zwischenzeit müssen trotz aller Experimente und der Suche nach dem goldenen Weg aber auch noch die nötigen Punkte her. Die Bayern stecken in der Zwickmühle. Ansonsten wird die Kritik auch weiterhin von allen Seiten auf sie einprasseln.

Vor allem jene Kritik, die sich mit der Systemumstellung innerhalb der Mannschaft befasst. "Als ich die Bayern kürzlich in einem 3-5-2 sah, dachte ich: Das kann doch nicht wahr sein! Das ist der verkehrte Weg", sagt Lizarazu gegenüber SPOX.

Der Franzose weiß auch hier, wo von er spricht. Schließlich gab es die Systemdiskussion schon zu seiner Zeit unter Hitzfeld. "Schon zu Beginn seiner Ära hatten wir das 3-5-2 versucht - ohne großen Erfolg", gibt Lizarazu zu bedenken.

Bayern im Tief

So lange der FC Bayern also noch so sehr mit sich selbst beschäftigt ist, besteht für die Konkurrenz die Chance, das Punktepolster weiter anwachsen zu lassen.

Denn: "Zur Zeit steckt der FC Bayern eindeutig in einem Tief", so Lizarazu. Und dass Hamburger, Schalker, Bremer und Leverkusener in dieser Saison alle mal ernstzunehmen sind, hat die noch junge Saison schon gezeigt.

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