Die Überraschung scheint programmiert

Neue Podiumskandidaten: Force Indias Sergio Perez schaute sich den Toro Rosso in Barcelona genau an
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5. Williams

Wie sehr hat sich das Traditionsteam darum bemüht, die eigene Leistungsfähigkeit zu verstecken? Das ist die zentrale Frage bei der Bewertung von Williams. Für die Saison 2014 hatten die Ingenieure einen herausragenden Job gemacht und sich perfekt auf die neuen Regeln eingestellt. Doch der Vorsprung schmolz, als Ferrari die eigene Power Unit und das Auto verbesserte. Ein Jahr später kratzte Williams nur noch ab und an am Heck der roten Renner.

Das zu wiederholen können sich Valtteri Bottas und Felipe Massa für die Saison 2016 wohl abschminken. Bei Williams macht sich das geringere Entwicklungsbudget deutlich bemerkbar. Mit den härteren Reifenmischungen hatte das Team in Barcelona stark zu kämpfen. In langsamen und mittelschnellen Kurven sind Toro Rosso, Mercedes, Red Bull und Ferrari weiterhin mehrere Wagenlängen voraus. Der Williams könnte auf allen Kursen außer den Motorenstrecken die Enttäuschung des Jahres werden.

4. Force India

Schon der erste Test bot die Gelegenheit, sich verwundert die Augen zu reiben. Nico Hülkenberg setzte am dritten Tag die absolute Bestzeit. Ja, er fuhr auf den neuen ultrasoften Reifen und er hatte wohl auch wenig Benzin im Tank. Doch der VJM09 bietet die Möglichkeit für den regelmäßigen Kampf ums Podest, da er sich von den anderen Teams unterscheidet. Force India scheint weiter auf ein ausgezeichnetes Reifenmanagement zu setzen. Das zahlt sich vor allem über die Renndistanz aus.

Das Team aus Silverstone ist seit jeher ein Meister, wenn es darum geht, das vorhandene Budget effektiv zu nutzen. Der Mercedes-Antrieb ist die größte Stärke; bei der Aerodynamik haben die Engländer einen riesigen Schritt gemacht, seit sie im Jahr 2015 komplett auf den Toyota-Windkanal in Köln umgestiegen sind. Der ist wohl der beste der Welt. Die Mannschaft von Vijay Mallya hat den bedeutendsten Entwicklungsschritt aller Teams seit dem Saisonbeginn 2015 hingelegt.

3. Toro Rosso

Das B-Team vor dem mehrfachen Weltmeister-Rennstall? Der Grund dafür ist die Ferrari-Power-Unit, die im Heck des Faenza-Renners arbeitet. Es mag nur die Ausbaustufe des Jahres 2015 sein, doch die ist wesentlich besser als der alte Renault-Antrieb. Bedenkt man zudem, wie kurz die Zeit für James Allisons' Mitarbeiter war, das Auto um den italienischen Antrieb zu bauen, deutet sich ein riesiges Potenzial an.

Die Zuverlässigkeit des Toro Rosso stimmte in Montjuic bei Barcelona. Bis zum Australien-GP wird das Auto noch deutlich verändert werden. Besonders in den langsamen Kurven des dritten Sektors waren Max Verstappen und Carlos Sainz jr. schon bei den Testfahrten bei der Musik. Allerdings hat Toro Rosso eine Einschränkung, die den Saisonverlauf beeinflusst: Der Vorjahresmotor wird nicht weiterentwickelt.

2. Ferrari

Die Scuderia verschleierte ihre Leistungsfähigkeit erfolgreich. Täglich gingen die Roten schon in der Morgensession mit den neueingeführten pinken Ultrasofts auf die Strecke. Ein paar schnelle Runden und schon sieht der unaufmerksame Beobachter keine Veränderung mehr auf dem Zeitendisplay. Was Ferrari damit verdeckte: Bei den Rennsimulationen am Nachmittag gingen Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen das Tempo der Silberpfeile mit.

Zwar gab es Probleme mit der Zuverlässigkeit, die sind durch den radikalen Umbau von Karosserie und Power Unit aber nachvollziehbar. Ferrari hat einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht. Auf einigen Kursen werden Räikkönen und Vettel mit Lewis Hamilton und Nico Rosberg mindestens auf Augenhöhe sein, auf einigen ein paar Sekunden zurückliegen. Sicher ist, dass sich Mercedes wesentlich wärmer anziehen muss als in den letzten beiden Jahren und dass Ferrari die Verfolger um Williams, Force India und Red Bull über den Winter abgehängt hat.

1. Mercedes

Der W07 ist die Reinkarnation seiner Vorgänger, aber keine wirkliche Weiterentwicklung. Der neue Mercedes hat sämtliche Stärken erhalten: stabiles Bremsverhalten, starke Beschleunigung und kaum zu erklärende Präzision beim Richtungswechsel. Doch unter der Haube und bei der Aerodynamik sind die Designer völlig neue Wege gegangen. Der Silberpfeil bleibt das Maß aller Dinge - auch weil die Aerodynamiker das überlegene Konzept wohl nochmals verbessert haben.

Der größte Pluspunkt ist aber die unglaubliche Zuverlässigkeit. Mercedes blieb bei seinem irren Marathonprogramm in Montjuic ein einziges Mal stehen: Hamilton stellte den W07 am letzten Tag nach Getriebeproblemen auf der Zielgerade ab. Sonst? Käfer'sche Dauerläufe. Sie rollten und rollten und... schafften am Ende 6233 Kilometer an acht Tagen. Die Distanz reicht, um 20 Formel-1-Rennen zu beenden. Ferrari schaffte sieben Renndistanzen weniger. Nur ein paar Stunden mehr und Mercedes hätte die gesamte Saison schon vor dem ersten GP abgefahren.

Mercedes versteckte seine wahre Leistungsfähigkeit noch, für das Qualifying probierte die Brackley-Truppe überhaupt nicht und verzichtete auf die Bestellung der beiden weichsten Pirelli-Mischungen. Der Fokus lag ausschließlich auf Distanzläufen. Das ist wenig verwunderlich, schließlich war der Quali-Modus der Mercedes-Hybridmonster schon im letzten Jahr herausragend. Im Renntrim hat Ferrari den Rückstand aber aufgeholt, das zeigten vergleichbare Runs im zweiten Barcelona-Test.

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