"Kratzer im Lack des Wunderkinds"

Von Jan-Hendrik Böhmer
Vettel, Rosberg, Glock, Sutil, Heidfeld, Formel 1, Krise
© Imago

München - Fünf deutsche Fahrer gehen in der Formel 1 an den Start. Von einem Mangel an potentiellen nationalen Identifikationsfiguren kann also auch in der Post-Schumacher-Ära keine Rede sein. Jedenfalls theoretisch. 

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Denn mit Adrian Sutil, Sebastian Vettel und Timo Glock blieben gleich drei der fünf Hoffnungsträger in der laufenden Saison mehr oder weniger überraschend ohne Punkte - und Nico Rosberg hat nach dem Podium-Finish zum Saisonauftakt immer mehr mit den Tücken seines oft schwächelnden Williams zu kämpfen.

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Bleibt noch Nick Heidfeld. Der konnte zwischenzeitlich immerhin mit Platz zwei in der Fahrer-WM glänzen. Konnte. Denn nach dem deprimierenden Spanien-GP liegt der 30-Jährige auf Rang fünf und die Tendenz zeigt klar nach unten - Teamkollege Robert Kubica ist im Qualifying bereits jetzt regelmäßig schneller. 

Ist der Glanz der Schumi-Nachfolger damit bereits verblasst, oder ist doch alles nur halb so wild? Zusammen mit Premiere-Experte Jacques Schulz analysiert SPOX.com die Leistungen der deutschen Piloten und gibt einen Ausblick.

 Nick Heidfeld

Der zwischenzeitliche zweite WM-Rang täuscht. Nach dem glücklichen Ergebnis beim Saison-Auftakt in Australien stand der 30-Jährige bei BMW-Sauber immer häufiger im Schatten seines Teamkollegen Robert Kubica. Besonders im Training offenbarte Heidfeld ungeahnte Schwächen und verlor folgerichtig alle teaminternen Quali-Duelle - und das nicht ausschließlich wegen eines schwereren Autos und anderer Taktik.

"Er muss im Qualifying zulegen", so Schulz. "Denn im Rennen ist er für mich noch immer stärker als Kubica, kann das aber nicht mehr umsetzen, weil er am Start zu weit hinten steht." Wenn es so weitergeht, droht Heidfeld seinen Status im Team zu verlieren. 

 Nico Rosberg
Nico Rosberg ist trotz seiner erst 22 Jahre der kompletteste der fünf deutschen Piloten, leidet in dieser Saison aber enorm unter den schwankenden Leistungen seines Williams-Teams. Rosbergs tatsächliche Leistungsfähigkeit wird daher nur im direkten Vergleich mit Teamkollege Kazuki Nakajima deutlich.

Nur einmal hatte der unerwartet starke Japaner im Qualifying die Nase vorn, die Rennen dominierte Rosberg klar und wurde in Spanien nur von einem Defekt gebremst. "An sich selbst kann Rosberg nicht mehr viel verbessern", meint Schulz. "Er muss einfach sehen, dass er ins Cockpit eines Siegerautos kommt. Dann wird er sofort um die WM fahren." Bleibt er allerdings bei Williams, droht sein Talent unterzugehen.

 Timo Glock

Im Zusammenhang mit Timo Glocks Saison heißt es immer wieder: "Lehrjahre sind keine Herrenjahre". Doch spätestens seit Lewis Hamiltons Sensations-Debüt zählt die abgedroschene Phrase nicht mehr als Entschuldigung. Die Fakten sprechen eben eine deutliche Sprache: Vier Rennen, kein Punkt und alle Quali-Duelle verloren.

Doch trotz einiger schwacher Rennen findet Schulz Glocks Entwicklung bemerkenswert: "Er hat das Pech, dass seine Leistung untergeht, weil Trulli so einen unglaublichen Lauf hat. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er Punkte holt." Trotzdem: Sollte Glock weiter gegen seinen Teamkollegen verlieren, könnte seine Karriere ins Stocken geraten.

 Sebastian Vettel
Sebastian Vettel kann einem schon fast Leid tun: Vier Rennen, vier Ausfälle, drei davon in der ersten Runde. Langsam aber sicher geht ihm die Rennroutine verloren. "Zudem leidet er unter dem alten Toro Rosso, aber auch unter der Stärke von Sebastien Bourdais, der als viermaliger ChampCar-Meister auch in der Formel 1 zeigt, dass er Auto fahren kann", so Schulz. "Er holt sich erste Kratzer in den Lack des Wunderkinds".

Und trotzdem zeichnet sich bei ihm ein Silberstreif am Horizont ab. Laut der Zeitschrift "Motorsport aktuell" soll der 20-Jährige in der kommenden Saison zu Red Bull Racing aufsteigen und dort David Coulthard ersetzen. Gerüchten zufolge könnte der schwächelnde Schotte (noch kein WM-Punkt) bei weiteren Minderleistungen sogar bereits in dieser Saison sein Cockpit verlieren. Doch hier droht Vettel Konkurrenz aus dem eigenen Stall - in England wird auch Bourdais als heißer Kandidat für einen Cockpit-Tausch mit Coulthard gehandelt.

 Adrian Sutil

Adrian Sutil hat im vergangenen Jahr gleich drei Teamkollegen demontiert und wurde anschließend sogar als Kandidat auf ein Mercedes-Cockpit gehandelt. Doch die Zeiten haben sich geändert - 2008 wird er durchgehend von Giancarlo Fisichella geschlagen. "Er hat von Fisichella ganz böse auf die Nuss gekriegt", erklärt Schulz. "Und zuletzt in Barcelona hat er wieder einen dummen Fehler gemacht. Da sind die Top-Leistungen des Vorjahres schnell vergessen." Und so wächst der Druck.

Experten sagen Sutil noch zwei Rennen Gnadenfrist voraus, bevor kritische Stimmen laut werden. Mit diesem Wissen im Hinterkopf ging es zuletzt wenigstens im Training leicht bergauf. "Er kann die weichen Reifen besser nutzen und hat den riesigen Abstand auf Fisichella stark verkürzt", sagt Schulz. Trotzdem: Leistet sich Sutil weitere Fehler, könnte seine Formel-1-Karriere schon bald beendet sein. 

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