Der Kreis schließt sich

Von Christoph Köckeis
Die Kölner Haie fegten im Halbfinale die Grizzly Adams Wolfsburg aus dem Titelrennen
© getty

Die Zeit der Ausreden ist vorüber: Im DEL-Finale wetteifern die Kölner Haie und Eisbären Berlin um den Eishockey-Thron (Finale 1, Sonntag ab 14.30 Uhr). Die Neuauflage von 2008 verspricht ein Spektakel: Head Coaches, die Lord Stanley in Händen hielten. Einen gestählten Klub. Playoff-Monster. Und elektrisierende Stimmung. SPOX blickt auf die Ausgangslage - eine Prognose inklusive.

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Kölner Haie (2) - Eisbären Berlin (4)

Ausgangslage (Bilanz: 2-2): "Man denkt schon an 2008", offenbart Moritz Müller. Damals verpasste man die Krone gegen die Eisbären. Es war aber mehr als ein verlorenes Endspiel. Die Haie waren längst in finanzielle Turbulenzen geraten. Mehrmals konnte man die drohende Insolvenz danach abwenden. Vom Existenzkampf gestählt, erholte sich der Verein gemächlich.

Nach zwei Viertelfinal-Teilnahmen meldete sich Köln dieser Tage eindrucksvoll zurück. In fünf Spielen wurden die Straubing Tigers eliminiert, die Serie gegen Wolfsburg verkam zum Selbstläufer. Zuvor sensationell die Adler Mannheim bezwungen, war der Rhein-Express nicht zu stoppen.

Dennoch warnt Head Coach Uwe Krupp: "Jedes Spiel stand auf der Kippe - das Ergebnis trügt, sieht lockerer aus." Respekt prägt die Worte zum bevorstehenden Kräftemessen: "Die Berliner drückten der Liga im letzten Jahrzehnt den Stempel auf." Mal wieder mutierten die Eisbären im Frühjahr zu gefürchteten Monstern. Obwohl die Zweifel daran lauter wurden.

Manch Experte redete den Exitus der glorreichen Ära herbei. Sechs Mal lächelten die Berliner in acht Jahren auf die Konkurrenz herab. Heuer ließ man die Dominanz schmerzlich vermissen. Zu fahrig wirkten Leistungsträger über Monate. Zu schwankend die Formkurve. Die Regular Season war eines Rekordmeisters unwürdig.

Doch die Hauptstädter verfielen nicht dem blindem Aktionismus. Stattdessen wurden die Playoff-Geister beschworen. Krefeld-Betreuer Rick Adduono wähnte sie "praktisch tot", ehe die Auferstehung gegen Hamburg folgte. Schließlich erteilte man den Pinguinen eine Lehrstunde.

Das Selbstvertrauen beider scheint nach dem Sweep unerschütterlich. Ein hochklassiger Showdown in den größten DEL-Hallen ist programmiert. Den Zuschauer werden jedenfalls zwei Spiele vorenthalten: Das Finale wird im unsäglichen Best-of-five-Modus entschieden - entgegen dem Tenor vieler Profis.

Key-Player: Ein Mann versetzt die Rhein-Metropole in Ekstase: Danny Aus den Birken. Scheinbar mühelos, ja wie in Trance, entschärfte der 28-Jährige reihenweise Hochkaräter. Da fährt er blitzschnell die Fanghand aus, hier verhindert er mit dem Schoner gerade noch Schlimmeres. Vielerorts unterschätzt, spielt er mit 95 Prozent Fangquote die Saison seines Lebens.

Ob Aus den Birken das Meisterstück abliefert, hängt mitunter an den Special Teams. Die Berliner verfügen über ein formidables Powerplay (31,2 %), während Köln besonders in Unterzahl (92,3 %) die Sturmreihen entnervt. Bisweilen war die Defense das Prunkstück: In der Postseason kassierten die Haie ganze 17 (!) Gegentore weniger als die Eisbären.

Für Ordnung sorgen Daniel Tjärnqvist und Andreas Holmqvist (Player of the Year). Das Schweden-Duo verfügt über den nötigen Punch, verkörpert an der Blauen Linie eine Macht. Vorne machen Topscorer Felix Schütz und Nathan Robinson, bei dem sich Genie und Wahnsinn gerne die Türklinke reichen, ihren Job.

Zuletzt war der begnadete Techniker kaum zu halten, ist teamintern treffsicherster Akteur (5). Lediglich einen Treffer weniger verbuchte Marco Sturm. Seine Präsenz prägt das Spiel. 1006 NHL-Einsätze schüchtern ein, lähmen besonders die unerfahrenen Kollegen.

Bei den Eisbären konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf ein Dreigestirn. Nach dem Lockout, dem Abschied der Superstars Danny Briere und Claude Giroux, übernahmen Jullian Talbot, T.J. Mulock und Andre Rankel die Produktion. Ersterer führt die Punkteliste (13) an, mit Constantin Braun (10) agierte ein weiterer Verteidiger brandgefährlich.

Constantin Braun im SPOX-Interview

Durch den Offensivdrang vernachlässigte man häufig die Rückwärtsbewegung: Bei Scheibenverlust nehmen die Eisbären immer wieder Risiko. Alleine im aggressiven Forecheck liegt Robert Zepps durchschnittliche Save-Percentage (90,4) nicht begründet. Der 31-Jährige hielt lange unter seinen Möglichkeiten, stabilisierte sich jedoch im Halbfinale.

Im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht Rankel: Dem 27-jährigen Nationalspieler wurde diese Woche hohes Lob zuteil. Ex-Kollege Briere rätselte in der "Bild", warum der Lockruf aus Nordamerika auf sich warten lässt: "Spieler, die Schlittschuhlaufen, checken und schießen können, sind in der NHL eine Rarität. Solche Typen werden gesucht."

Head Coaches: Uwe Krupp und Don Jackson - prägende Persönlichkeiten hinter den Banden. Ersterer verewigte sich 1996 mit den Colorado Avalanche auf der begehrtesten Trophäe der Welt, dem Stanley Cup. Mit 810 Einsätzen in der NHL stieß der gebürtige Kölner seineszeit in neue Sphären vor. In Deutschland avancierte er zum Franz Beckenbauer des Eishockeys, zu einer Ikone.

Nachdem er den DEB als Bundestrainer reformierte, unter die Top 4 der Welt dirigierte, heuert er bei den Haien an. Eine Herzensangelegenheit. "Ich wuchs im Umfeld des Vereins auf, daher ist es etwas ganz Besonderes", sagt der gebürtige Kölner heute. Unter seiner Regie wurde der Umbau vollendet: "Wenn du einen Neuaufbau durchmachst, ist Berlin das Vorbild."

Als Leitbild könnte auch Gegenüber Jackson dienen. Mit vier Titeln in fünf Jahren setzte der US-Amerikaner neue Maßstäbe. In der NHL verdingte er sich als Assistant Coach. Bevor er bei den Eisbären an die Macht kam, wagte er einen Abstecher nach Düsseldorf. Den Traditionsverein führte er zu Vize-Meisterschaft und Pokal-Triumph.

"Er ist wahrscheinlich der beste Trainer der letzten zehn Jahren in Deutschland", weiß Krupp. Beide verbindet eine erfolgreiche Laufbahn in den USA. Jackson eroberte mit den Edmonton Oilers an der Seite von Wayne "The Great One" Gretzky zwei Mal die NHL-Krone. "Er lässt das nicht raushängen, bleibt stets bescheiden." Eine weitere Parallele der Giganten.

Stimmen:

Uwe Krupp: "Im Sport geht es auch um Drama: Köln gegen Berlin - das ist großes Kino. Natürlich sind wir stolz. Ich bin jedoch nur das Endprodukt. Nicht mehr. Nach derartig vielen Erfolgen ist es schwer, die Eisbären nicht in der Favoritenrollen zu sehen. Sie haben abermals bewiesen, dass sie zu den besten Teams zählen. Wir haben auf jeden Fall eine hungrige Mannschaft."

Don Jackson: "Wir hatten viele Höhen und Tiefen, mussten stets unsere Formationen ändern. Einen Champion zeichnet aus, zum richtigen Zeitpunkt da zu sein. Wenn der Puck fällt, spielen wir Eishockey. Das ist alles, worauf wir uns konzentrieren."

Prognose: Wenn am Sonntag das erste Faceoff erfolgt, steht ein Gewinner fest: Das Eishockey. Köln vs. Berlin kann getrost als Glückfall, als Idealvorstellung, betrachtet werden. Kurzum: Beste Werbung für die DEL. Wir schließen uns an dieser Stelle Wolfsburg-Coach Pavel Goss an: "Uwe, ihr habt 'ne geile Truppe!" 3-2 für die Haie.

Die Final-Termine der DEL