"So fällt man auf die Schnauze"

Von Interview: Christoph Köckeis
Eisbären-Verteidiger Constantin Braun (l.) ist bekannt für vollen Körpereinsatz
© getty

Er stieg zum Gesicht der Schmach auf. Unweigerlich wird sein Name mit der verpassten Olympia-Qualifikation assoziiert: Constantin Braun. Nun greift er mit den Eisbären Berlin nach der DEL-Krone (Finale 1, Sonntag ab 14.30 Uhr) . Bei SPOX sinniert der 25-jährige Defender über Emotionen, Charakterstärke, die Kölner Haie und Schadenfreude.

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SPOX: Herr Braun, schon in der Kindheit übten Bösewichte auf Sie eine Faszination aus. Nicht die Helden mit der blütenweißen Weste...

Constantin Braun: Eigentlich wegen der Tattoos. Für mich war und ist das eine coole Angelegenheit. Der Bart passt im Moment perfekt dazu. Ich überlege mir, ihn nach der Finalserie stehen zu lassen. Zuerst wird er jedoch vom Friseur zurecht geschnitten (lacht).

SPOX: Wie viel dieser Mentalität ist nötig, um in den Playoffs zu bestehen?

Braun: Man versucht, den Erfolg zu erzwingen. Alles läuft körperbetonter ab, ist härter und schneller. Wenn man jeden zweiten Tag aufeinander trifft, gibt es einige Nickligkeiten. Da bilden sich Pärchen, die sich über die Serie hinweg beharken.

SPOX: Ob Ihrer Statur sind Sie eine imposante Erscheinung: Was unterscheidet den Profi vom Menschen Constantin Braun?

Braun: Privat bin ich total harmlos (lacht). Ich habe das Glück, mein Geld mit einer Sportart zu verdienen, in welcher man sich körperlich voll auspowern kann. Abseits des Eishockeys würde ich mich als ausgeglichen beschreiben.

SPOX: Sobald der Puck fällt, ändert sich die Gemütslage schlagartig. Welches Ritual pusht Sie in der Kabine auf Betriebstemperatur?

Braun: Ich lebe von den Emotionen, habe aber keine spezielle Art, mich vorzubereiten. Alleine die Tatsache, in den Playoffs, nun im Endspiel, zu stehen, lässt mich heiß laufen. Entsprechend gestaltet sich mein Spiel intensiver. So interpretiere ich eben Eishockey.

SPOX: Verstecken liegt nicht in Ihrer Natur. Früh reiften Sie in Berlin zu einer Autorität. Inwiefern behagt es Ihnen, Verantwortung zu übernehmen?

Braun: Das liegt mir im Blut. Aber es gibt Spieler, die mit 34 oder 35 Jahren davor zurückscheuen, weil sie nicht die Typen dazu sind. Ich hatte das Glück, in den letzten zehn Jahren an der Seite von Routiniers aufzuwachsen, welche das Gen in sich trugen. Und die Eisbären prägten. Ich durfte von den Besten lernen, bin sehr selbstkritisch.

SPOX: Und Sie sind jemand, der in der Öffentlichkeit gerne Stellung bezieht. Vor dem Do-or-die-Showdown in der Olympia-Qualifikation gegen Österreich antworteten Sie auf die Frage, warum man in Sotschi dabei sein werde: "Weil es Österreich ist." Im Nachbarland reagierte man empört - bereuen Sie das Statement?

Braun: Was heißt bereuen? Ich bereue die Art und Weise, wie ich mich ausdrückte. Wenn man gerade eine bittere Pleite einstecken musste, frisch vom Eis kommt, lässt man sich in der Emotion zu unvorteilhaften Aussagen hinreißen. Hätten wir gegen Österreich in der regulären Spielzeit gewonnen, wäre die Unruhe nie entstanden. Da wir nicht nach Sotschi fahren, ist die Schadenfreude bei den Nachbarn groß. Nur befürchte ich, noch öfter in so etwas reinzutappen. Ich sage lieber, was ich denke, als mich zu verbiegen. So fällt man eben mal auf die Schnauze.

SPOX: Im Halbfinale erging es Ihnen keineswegs so: Mal wieder schöpfen die Eisbären im entscheidenden Moment das Leistungsvermögen aus. Medienwirksam wird oftmals von Playoff-Monstern gesprochen. Was steckt dahinter?

Braun: (lacht) Wir haben als Mannschaft zueinander gefunden. Im Sommer gab es Veränderungen, neue Spieler kamen hinzu. Das benötigte Zeit - nun setzen wir die Vorgaben besser um. Wir wussten immer, zu welchen Leistungen wir fähig sind. Erst sollte uns bewusst werden, wie wir als Mannschaft auftreten, wie wir uns verhalten möchten.

SPOX: Eine gewisse Selbstverständlichkeit, die man sich in der Vergangenheit verdiente, ist unüberhörbar.

Braun: Ich würde es Selbstvertrauen nennen. Die Jungs können größtenteils von sich behaupten, zumindest einen Titel gewonnen zu haben. Wir sind eine sehr fokussierte und erfahrene Mannschaft. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das harte Training fruchtet. In der Offensive agieren wir spielerisch - und verinnerlichten hinten zusätzlich das schnörkellose, konsequente Verteidigen.

SPOX: Die Schlagzeilen wurden lange von den Flyers-Ausnahmekönnern Claude Giroux und Danny Briere bestimmt. Nach der Einigung im NHL-Tarifstreit klaffte eine schmerzhafte Lücke. Wie reagierte man darauf?

Braun: Der Zeitpunkt, als sie zu uns stießen, war ungünstig. Zuvor hatte ich das Gefühl, wir würden endlich zur Bestform auflaufen. Natürlich freute sich jeder über ihren Gastauftritt. Dennoch wurden die Reihen abermals umgestellt. Hier fehlte einer, da verletzte sich ein anderer. So dauerte die Findungsphase länger.

SPOX: Die Kölner Haie verzichteten auf Stars aus Nordamerika. Eine zielführendere Strategie?

Braun: Jeder konnte von den Lockout-Spielern etwas mitnehmen. Im Eins-gegen-Eins erteilten mir Claude und Danny Lehrstunden (lacht). Es ist überragend, was sie an der Scheibe beherrschen. Und vor allem in welchem Tempo. Da wird einem der Unterschied bewusst. Von solchen Stars kann man nur profitieren. Ob sich die Entwicklung anders verhalten hätte, wenn die Beiden nicht gekommen wären - keine Ahnung. Zu dieser Thematik macht sich keiner Gedanken.

SPOX: Den Namen Marco Sturm kennt man in Übersee bestens. Seine Vita liest sich beeindruckend. Wie groß ist der Respekt vor dem Kölner Routinier?

Braun: Einem Stürmer gegenüber zu stehen, der über 1000 Mal in der NHL zum Einsatz kam, ist natürlich ungewöhnlich. Nur im Endeffekt darf ich ihn nicht anders behandeln. Er ist ein ganz normaler Gegenspieler. Wenn man ihm mit zu viel Ehrfurcht begegnet, nachdenkt, kommt man den Schritt zu spät und dann klingelt es.

SPOX: Wie die Eisbären verfügt Köln über einen ausgeglichen Kader. Welche Optionen bieten sich, wenn man auf vier Linien zurückgreifen kann?

Braun: Über die Saison konnten die Haie beweisen, welche Tiefe sie besitzen. Wir müssen auf jeden Einzelnen aufpassen. Die Mannschaft ist sehr gefährlich, in allen Teilen. Ausgeglichene Linien entlasten die Topscorer. Jeden zweiten Tag in den Playoffs gefordert zu werden, beansprucht die Fitness. Müdigkeit ist kaum zu kompensieren. Plötzlich hat man schwere Beine, reagiert in wichtigen Momenten zu zaghaft.

SPOX: Müdigkeit ließen Sie zuletzt nicht erkennen: Mit zwei Toren und acht Assists agieren Sie in Topform. Head Coach Don Jackson meinte, sie wären noch nicht am Zenit angelangt. Er schulte Sie einst vom zum Verteidiger um. Fluch oder Segen?

Braun: Beide Aspekte sind nicht zu vernachlässigen. Die Offensiv-Qualitäten ermöglichen mir, anders als ein reiner Defender zu agieren. Andererseits gehe ich oftmals zu offensiv oder locker mit gewissen Situationen um, spiele zu risikoreich. Daran muss ich arbeiten, es perfektionieren. Da ist Luft nach oben. Es handelt sich um Kleinigkeiten, die einen gefährlicher und unberechenbarer machen. Etwa das Verhalten im direkten Duell. Oder die Präzision bei Schüssen. Vielleicht ist dieses Erfahrungsdefizit ein Grund, warum der NHL-Traum nicht in Erfüllung ging. Aber: Ich fühle mich in Berlin gut aufgehoben.

SPOX: Sechs Meisterschaften in acht Jahren - eine beängstigende Dominanz. Was steckt hinter dem Erfolgsmärchen Eisbären?

Braun: Der Grundkern des Kaders blieb über Jahre zusammen. Immer wieder tätigte man Verpflichtungen, die uns besser werden ließen, die Konkurrenz steigerten. Und: Man achtet hier extrem darauf, dass wir nicht abgelenkt werden. In Berlin kann man sich vollends auf das Leben als Profi konzentrieren.

SPOX: Welchen Anteil hat Ihr Förderer Jackson am Erfolg?

Braun: Donny ist sehr wichtig für uns. Er gibt die klare Marschroute vor, lässt uns jedoch die Individualität. Das kommt Spielern, die sehr kreativ sind, von denen wir doch einige haben, zugute. Wir haben ein gutes Gleichgewicht, die Stärken werden in das System eingebunden. Das macht sich in den Playoffs bezahlt, wie im Powerplay zu erkennen ist.

SPOX: Jackson selbst eroberte in der aktiven Karriere zwei Mal den Stanley Cup, sein Gegenüber Uwe Krupp kam ebenfalls zu Champion-Ehren. Wie sieht der Umgang mit solchen Ikonen aus?

Braun: Ich durfte unter Uwe damals im Nationalteam auflaufen. Beides sind tolle Trainer, unabhängig von den Titeln. Genügend ehemalige Profis bleiben hinter der Bande ohne nennenswerten Erfolg. Man muss die Persönlichkeit dazu haben - und das tun beide. Sie sind allerdings völlig unterschiedliche Typen. Donny ist ruhiger, während es Uwe versteht, die Spieler auf den Punkt heiß zu machen. Der Liga könnte nichts Besseres passieren.

Die Final-Termine im Überblick

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