Cortina: "Plötzlich hießen sie Lewis oder Hans"

Von Interview: Florian Regelmann
Pat Cortina feiert beim Deutschland Cup sein Debüt als Bundestrainer
© Getty
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SPOX: Wie war Ihr erster Eindruck, als Sie in Ungarn angekommen sind?

Cortina: Ein Wort: wow. Ich habe sofort gesehen, was für ein Potenzial die Jungs dort hatten. Die konnten wirklich Eishockey spielen. Wir hatten Erfolg zusammen und später ist mir dann der Job als ungarischer Nationaltrainer angeboten worden. Die Zeit in Ungarn hat sich zu einer wahnsinnigen Erfahrung für mich entwickelt. Weil es einmal ein Streik-Jahr war, haben wir zum Beispiel mal gegen Dynamo Moskau gespielt. Die sind mit Pavel Datsyuk gekommen. Es war klasse.

SPOX: Sie haben Ungarn dann nach einer Durststrecke von 70 Jahren zurück in die A-Gruppe geführt. Das muss sich wie ein kleiner Stanley-Cup-Sieg angefühlt haben.

Cortina: Für mich war das definitiv mein Stanley Cup. Wenn ich daran denke, wo wir in Ungarn anfingen und wo wir dann vier, fünf Jahre später waren... Der ganze Prozess dahin war unglaublich.

SPOX: Sie gelten durchaus auch als harter Hund. Was muss passieren, damit Sie richtig wütend werden? Sie hatten ja schon einige Spitznamen wie Sheriff...

Cortina: ... Angstmacher, Quäler, Dolomiten-Vulkan, ich weiß. (lacht) Was mich aufregt, sind Spieler, die nicht ehrlich sind. Das ist schlimm. Wenn ein Spieler hart arbeitet und dann einen Fehler macht, kann ich damit leben. Aber wenn jemand nicht sein Bestes gibt, bin ich bekannt dafür, ungemütlich zu werden.

SPOX: Sie haben auch einmal gesagt: Nicht schlecht ist nicht gut genug. Wenn man Sie erlebt, bekommt man den Eindruck, dass Sie von dem Moment an, wenn Sie morgens aufwachen und die Augen öffnen, Eishockey leben. Ist der Eindruck richtig?

Cortina: Ich habe jetzt drei Töchter, die Familie ist auch wichtig. (überlegt) Aber Sie haben schon Recht. Ich denke die ganze Zeit über Eishockey nach. Das hat nichts damit zu tun, dass ich jetzt neben dem EHC München noch Bundestrainer bin. Es ist meine Leidenschaft. Es ist Teil von mir. Ich hatte in meiner Karriere immer wieder mal Augenblicke, in denen ich mich gefragt habe, ob ich das Richtige tue. Im letzten Frühjahr war wieder so ein Moment. Du denkst Dir, dass du doch so hart und auch einigermaßen erfolgreich für den EHC gearbeitet hast, und dann sah es so aus, als würde das Projekt sterben. Ich bin fast 50, ich habe eine Familie, vielleicht sollte ich etwas anderes machen, solche Gedanken hatte ich. Aber dann klappte es mit der Rettung, es ging weiter und plötzlich kam die Chance beim DEB um die Ecke. Immer wenn ich daran gezweifelt habe, ob es richtig ist, was ich tue, bin ich mit neuen Chancen gesegnet worden. Vielleicht ist es ja wirklich meine Berufung und ich sollte mit dem Zweifeln aufhören.

SPOX: Sobald die NHL Ihren Spielbetrieb wieder aufnimmt, werden wir mit Ralph Krueger bei den Edmonton Oilers einen europäischen Head Coach erleben. Haben Sie nie daran gedacht, einen ähnlichen Weg zu gehen?

Cortina: Es ist schon immer ein wenig im Hinterkopf. Aber ich muss auch realistisch sein. Ich habe meine Karriere in Europa gemacht und nie selbst auf ganz hohem Niveau gespielt. Ralph hat seine Karriere zwar auch in Europa gemacht, aber er war zwölf Jahre lang erfolgreicher Nationaltrainer der Schweiz. Ich würde mir wünschen, dass ich genauso lange und genauso erfolgreich beim DEB arbeiten werde. Aber für die NHL wäre ich dann wohl zu alt. (lacht) Wenn ich mir einen Weg aussuchen könnte, würde ich gerne ein, zwei Jahre rüber gehen, meinen Erfahrungsschatz bereichern und dann wieder zurückkommen und es den Leuten hier zurückgeben.

SPOX: Wenn Sie es sich aussuchen könnten, welchen Superstar würden Sie gerne einmal trainieren?

Cortina: Ich hatte das große Glück, einmal für eine Saison Jarri Kurri coachen zu dürfen. Das war eine wunderbare Erfahrung. Ich bin ein großer Fan von Martin St. Louis, aber auch Sidney Crosby, Zdeno Chara, Henrik Zetterberg oder mein inzwischen leider zurückgetretener Lieblingsspieler Nicklas Lidström wären alle Superstars, die ich gerne einmal erleben würde. Ich würde gerne sehen, wie sie sich verhalten und herausfinden, was sie zu so fantastischen Spielern macht. Ich wüsste gar nicht, ob ich mehr Zeit auf oder neben dem Eis mit ihnen verbringen wollte. Auf diesem Niveau, auf dem sich solche Spieler bewegen, hat jeder genügend Talent. Aber was ist es, was sie dann zu einem ganz besonderen Spieler macht? Wie ticken sie? Wie leben sie? Was macht sie so speziell? Das finde ich spannend.

SPOX: Ihre erste Aufgabe als DEB-Coach ist jetzt der Deutschland Cup in München. Nach einer Traum-WM 2010, einer guten WM 2011 und einer schlimmen WM 2012 - wo steht das deutsche Eishockey?

Cortina: Ich denke, so ziemlich genau da, wo wir aktuell stehen. Wir sind ein Top-10-Team, das als Ziel haben muss, einen Top-8-Platz zu konsolidieren. Wir müssen nach Konstanz streben, reifen und eine Identität entwickeln. Es geht um die gesamte Eishockey-Bewegung in Deutschland. Es darf nicht davon abhängen, welche 20 Spieler gerade im Kader stehen, ob wir zu den Top 8 gehören, oder nicht. Nur so kannst du dich als gutes Eishockey-Land etablieren. 2010 war Deutschland Vierter? Aber sind wir realistisch gesehen die Nummer 4 in der Welt? Nein, sind wir nicht. Ungarn war in der A-Gruppe, aber jetzt sind sie nicht mal mehr annähernd dran. Finnland hat einige Male den WM-Titel gewonnen, aber sind die Finnen deshalb die Top-Nation in der Welt? Nein, sind sie nicht. Du musst konstant sein.

SPOX: Welche Erwartungen haben Sie an den Deutschland Cup?

Cortina: Für mich geht es in erster Linie darum, ein Gefühl für das Team zu entwickeln und für mich selbst Fragen zu beantworten. Wie ist die Dynamik innerhalb der Mannschaft? Wer sind die Leader? Warum sind sie die Leader? Wie ist die generelle Stimmung? Ich will mich natürlich auch als Coach etablieren, aber ich werde vor allem ein Beobachter sein, der sich alles sehr genau anschaut, um zu erkennen, was mir gefällt und was mir nicht so gefällt.

Der Spielplan der Eishockey-WM 2013

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