Jung, wild und bereit für die große Bühne?

Pascal De Marco
06. Januar 201812:47
Die Los Angeles Rams bescheren dem Memorial Coliseum das erst Playoff-Heimspiel seit 1978getty
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Das neue Jahr ist da und somit auch der Start in die Playoffs. Die Wild-Card-Round beginnt mit dem Aufeinandertreffen der Kansas City Chiefs und den Tennessee Titans und der Frage, ob die Chiefs unter Andy Reid auch in den Playoffs endlich erfolgreich sein können. Später geht es dann für die jungen Los Angeles Rams gegen den Super-Bowl-Verlierer der letzten Saison, die Atlanta Falcons. Dabei kommt es für ein legendäres Stadion zur Playoff-Rückkehr. Beide Spiele könnt Ihr am Samstag ab 22.35 Uhr live auf DAZN verfolgen.

No. 4 Kansas City Chiefs (10-6) - No. 5 Tennessee Titans (9-7) (Sa., ab 22.35 Uhr live auf DAZN)

Der Weg in die Playoffs:

Chiefs: Die Saison glich einer Berg- und Talfahrt, die zunächst enorm Positives versprach und dann plötzlich ins Besorgniserregende abdriftete. Es begann mit dem Sieg beim Super-Bowl-Champion in New England, als man das erste Ausrufezeichen setzen konnte, mit der Verletzung von Eric Berry aber auch direkt einen herben Rückschlag einstecken musste. Während der zuvor wegen seiner übertriebenen Vorsicht in Verruf geratene Alex Smith über die ersten Wochen auch im Downfield-Passing-Game bemerkenswert effizient spielte, hatte die Defense im Pass Rush und im Backfield große Probleme.

Nachdem sich Defenses langsam auf Andy Reids offensives Konzept eingestellt hatten, wirkte die Offense um den furiosen Rookie-Running-Back Kareem Hunt oftmals ausrechenbar und einfallslos. Der Fünf-Sieges-Serie zu Beginn der Saison folgten sechs Niederlagen aus den nächsten sieben Spielen. Pleiten gegen die bis dahin schwachen Raiders, Giants und Jets ließen im Playoff-Rennen in der AFC West plötzlich wieder Spannung aufkommen. Im Schlussspurt rehabilitierte sich das Team eindrucksvoll und konnte auch offensiv wieder an den Auftakt anknüpfen. In Week 16 machte man schließlich die Playoff-Teilnahme klar.

Titans: In seiner dritten Saison als Head Coach der Titans setzte Mike Mularkey wieder voll auf Smash-Mouth-Football und konnte sich und sein Team lange Zeit aussichtsreich im Playoff-Rennen in der AFC platzieren. Nur drei Teams sammelten weniger als die 157 Passing-First-Downs, die die Titans gesammelt haben - so gut wie alles musste über den Lauf erfolgen. Die Box wurde deshalb von den Gegnern gerne zugestopft und Tennessee und seine Go-to-Optionen in DeMarco Murray und Derrick Henry bei 4,1 Yards pro Laufversuch gehalten. Die Titans kamen auf durchschnittlich lediglich 60,9 Plays pro Spiel, ebenfalls viertniedrigster Wert der Liga.

Doch trotz der Effektivität der möglicherweise altertümlich erscheinenden Spielphilosophie und einem angenehmen Programm im Laufe der Saison haben die Titans die Playoffs nur gerade so erreicht. Niederlagen gegen die Cardinals, 49ers und Rams machten aus einer komfortablen Position vor dem Schlussviertel der Saison ein Do-or-Die-Game gegen die Jaguars in Week 17. Man setzte sich zwar durch, steht als laut dem Football Power Index von ESPN 19.-stärkstes Team der Saison aber nur aufgrund günstiger Tie-Breaker in den Playoffs.

Die aktuelle Situation:

Chiefs: Die Chiefs haben im Saisonendspurt wieder eine Menge Selbstvertrauen tanken können. Das Downfield-Passing-Game klickte wieder und deshalb funktionierte auch das Running Game wie zu Beginn der Saison. Gegen eine starke Run-Defense der Titans wird es aber vor allen Dingen auf das Spiel durch die Luft ankommen. Hier ist man neben den herausragenden Optionen Hill und Travis Kelce etwas dünn aufgestellt. Für den Quarterback hingegen könnte jedes Spiel das letzte für seine Farben sein. Smith spielt seine vermutlich beste Saison, die Chiefs sind wohl aber schon bereit, mit Patrick Mahomes in die Zukunft zu gehen.

Auf der defensiven Seite müssen sich die Chiefs auf eine Run-lastige Offense einstellen. "Sie sind sehr von der Philosophie des Running Games überzeugt. Das kommt von Coach Mularkey", erklärte Defensive Coordinator Bob Sutton. "Er hat dieses System als Spieler in Pittsburgh gelernt. Es ist ziemlich klar, was sie versuchen mit dir zu machen und wie sie es versuchen." Die Erinnerung kommt unter anderem vom letzten Aufeinandertreffen, als man in Week 15 der 2016er-Saison eine 17:19-Pleite einstecken musste.

Titans: Nicht nur offensiv, sondern auch defensiv konzentrieren sich die Titans auf das Spiel auf dem Boden. Die zugelassenen 3,6 Yards pro Laufversuch sind Bestwert unter den Playoff-Teilnehmern, genauso wie die 3 zugelassen Big Plays (20+ Yards). Tennessee tendiert außerdem häufig dazu zu blitzen. Ein Stilmittel, mit dem man sich vor allem gegen Play Action wehrt. Dies könnte auch im Spiel gegen die Chiefs ein Faktor werden.

Dies gilt auch für die Abstinenz von Murray. Der Running Back fällt mit einer Knieverletzung aus und wird das Zepter der Verantwortung für das Laufspiel nun gänzlich Henry überlassen müssen. Unter dem Aspekt der schwachen Saison von Marcus Mariota, der für mehr Interceptions als Touchdowns geworfen hat, erwartet Henry einen sehr großen Workload - zumindest, falls das Spiel nicht schnell eindeutig zugunsten der Chiefs kippt.

Players to Watch:

Chiefs:Travis Kelce. Der Tight End hat eine tolle Saison absolviert und war eine ständige Go-to-Option für Smith. Kelce könnte gegen die Blitz-freudige Defense der Titans eine wichtige Rolle einnehmen, da er gegen den hohen Druck auf den Quarterback eine schnelle Pass-Option darstellt und aus zentraler Position bei einer vollen Box auf die Außenbahn ausweichen kann. Kelce kann sich außerdem auch auf Außen aufstellen und stellt in Man Coverage ein ständiges Miss-Match gegen Defensive Backs und wendige Linebacker dar.

Titans:Marcus Mariota. Mariota muss das erschreckend schwache Jahr abschütteln und sich nur auf das Spiel konzentrieren. Der junge Hawaiianer brachte in dieser Saison 62 Prozent seiner Pässe an den Mann und warf für 13 Touchdowns bei 15 Interceptions. Dem Passer Rating von 95,6 aus dem Vorjahr folgte in dieser Saison eines von 79,3. Verletzungen nagten an seiner Produktivität im Laufspiel und der Genauigkeit im Passspiel. Wollen die Titans erfolgreich sein, so darf sich Mariota keine Fehler erlauben. Die Chiefs sind aber eher über die Luft anfällig und Mariota muss versuchen, diese Chancen wahrzunehmen.

Darauf kommt es an:

Die Chiefs gehen als Favorit in die Partie und sind in der Verantwortung, ihre offensive Durchschlagskraft im Passing Game auszunutzen. Während der Negativ-Phase in dieser Saison hatte man Probleme, kurze Pässe gegen Zone Coverage anzubringen und wurde somit zu Downfield-Pässen gezwungen, die zu selten Erfolge einbrachten. Die Titans haben mit 231 Passing-First-Downs die mit Abstand meisten in der Liga zugelassen, versuchen aber gerade Big Plays zu verhindern. Die Chiefs werden wieder über kurze Pässe und Yards after Catch kommen.

Auf der anderen Seite lautet die Devise Run, Run, Run. Die Titans müssen das Spiel auf dem Boden und somit die Uhr kontrollieren. Gelingt ihnen das bei einer möglichst risikoarmen Passing-Assistenz, so verbringt man viel Zeit mit dem Ball in der eigenen Hand und kann ein Low-Scoring-Game mit offenem Ausgang gestalten.

Prognose:

Den starken Eindruck, den die Chiefs in den letzten Wochen vermittelt haben, werden sie gegen die Titans bestätigen können. Hierbei spielt auch die Erfahrung eine bedeutende Rolle. In vier der fünf Saisons unter Reid haben die Chiefs den Playoff-Einzug geschafft (1 Sieg, 4 Niederlagen) und stellen 39 Spieler, die bereits ein Playoff-Spiel absolviert haben. Auf der anderen Seite sind es 18. In einem fehlerbehafteten Jahr wie dem, welches Mariota erlebt, keine guten Voraussetzungen. Außerdem können sich die Chiefs darauf konzentrieren, die Box zuzustellen, um Tennessees Offense schon großteils einzuschränken. Tipp: 20:10 Chiefs

No. 3 Los Angeles Rams (11-5) - No. 6 Atlanta Falcons (10-6) (So., ab 2.15 Uhr live auf DAZN)

Der Weg in die Playoffs:

Rams: Keine Frage, die Rams waren die Sensation der Saison. Sean McVay übernahm das Team als jüngster Head Coach der Liga mit 31 Jahren und wandelte die schlechteste Offense der Liga in die wohl aufregendste um. Gegenüber den 224 erzielten Punkten in der letzten Saison unter Jeff Fisher brachte es die diesjährige auf 478. Todd Gurley spielte eine Saison, die ihn nach über 2.000 Scrimmage Yards in die MVP-Verlosung beförderte, Jared Goff zeigte sich gegenüber seiner Rookie-Saison stark verbessert und in Aaron Donald hat man auf der gegenüberliegenden Seite einen Spieler, der heißer Anwärter auf den DPOY-Titel ist.

Doch gerade McVays Offense war es, die das Team in diesem Jahr getragen und für eine bemerkenswerte Euphorie-Welle in und um die Mannschaft gesorgt hat. Mit dem zweitjüngsten Kader ist man in die Saison gegangen und hat den Cardinals und den Seahawks in der NFC West den Rang abgelaufen. Schon frühzeitig war klar, dass man die Division gewinnen würde. Doch gerade die Themen Alter und Erfahrung bereiten Kopfzerbrechen.

Falcons: Nach dem Drama im Super Bowl ging es für die Falcons sehr gemächlich los. Bei den Siegen in Chicago und in Detroit kam man noch jeweils mit einem blauen Auge davon und die Wehen, die der Abgang von Head Coach Kyle Shanahan bereitete, wurden spätestens in den Woche 4 bis 6 eindeutig bemerkbar, als man gegen die Bills, Dolphins und Patriots drei Spiele in Folge abgab. Die Offense hatte ihren Glanz und die Dominanz aus der Vorsaison verloren. Matt Ryan machte ungewohnte Fehler und Superstar-Wideout Julio Jones wurde nicht richtig in Szene gesetzt.

Verbesserungen kamen dagegen von der defensiven Seite. Hier spielte man stark auf die Physis ausgelegt und profitierte von den tollen Entwicklungssprüngen, die die Second-Year-Spieler Deion Jones, De'Vondre Campbell und Keanu Neal gemacht haben. Außerdem schaffte man es, Turnover zu forcieren. Eine der überzeugendsten Leistungen gab es wohl im Saisonfinale gegen die Panthers, als man den Playoff-Platz sichern konnte.

Die aktuelle Situation:

Rams: L.A. wird auch in der Postseason für spektakuläre Offense sorgen, dafür garantieren McVay und seine Offense nahezu. Jedoch trifft man gegen die Falcons auf eine Defense, die gerade in den letzten Wochen stärker geworden ist. Die Rams werden diese wie häufig in der Saison gesehen mit unterschiedlichen Konzepten attackieren und versuchen, Gurley zu füttern und aussichtsreich zu positionieren.

An Postseason-Erfahrung mangelt es jedoch gewaltig: Der ganze aktive Kader bringt es gerade einmal auf mickrige 21 Playoff-Spiele. Das ist mit großem Abstand der geringste Wert unter allen Playoff-Teilnehmern. Der erfahrenste Spieler ist Kicker Greg Zuerlein. Er wurde nach Week 15 auf die Injured-Reserve-Liste gesetzt und in Sam Ficken durch einen Mann ersetzt, der zuvor noch nie in einem NFL-Spiel einen Kick versucht hatte. Seine ersten beiden Versuche gingen prompt daneben. Angesichts der wichtigen Rolle, die Zuerlein für die Rams in dieser Saison gespielt hat (meiste erzielte Punkte der Liga trotz zwei verpasster Spiele), könnte auch dies eine unangenehme Rolle spielen.

Falcons: Mangelnde Playoff-Erfahrung ist bei den Falcons wohl nicht das Problem. Hier gilt es schon eher die offensive Flexibilität zu nennen. Ryan tendiert dazu, den Ball in Richtung Jones zu forcieren, gerade wenn noch viel Feld zu überqueren ist. In der Red Zone allerdings weicht er dann davon ab, zu ihm zu werfen, bzw. bietet es das Scheme gar nicht an. Atlanta muss Jones in der Endzone finden. Über die abgelaufene Saison sind die 3 Touchdowns des Superstars schlichtweg zu wenig.

Das Back-Duo Devonta Freeman und Tevin Coleman hatte in den letzten Wochen immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen. Für das Spiel gilt es diese Situation im Auge zu behalten. Die Rams sind über den Lauf anfällig und die Falcons werden gut daran tun, Gurley und Co. so lange wie möglich vom Feld fernzuhalten.

Players to Watch:

Rams: Todd Gurley, 2.093 Scrimmage Yards, 19 Touchdowns, 1.305 Rushing Yards, 13 Rushing Touchdowns. Gurley war in dieser Saison nichts anderes als überragend. Hinter einer starken offensive Line dominierte er sowohl als natürlicher Running Back, wie auch als Pass-Empfänger. Niemand profitiert von den Schemes von McVay so sehr wie er. Seine vielfältigen Einsatzmöglichkeiten werden auch den Falcons enorme Probleme bereiten.

Falcons: Devonta Freeman. Der Running Back kam zum Ende der Saison immer besser in Fahrt. Im Aufeinandertreffen mit den Rams trägt das Laufspiel der Falcons große Verantwortung. Freeman wird den Ball, so lange der Sieg in Reichweite ist, häufig in die Hände bekommen. Grund zur Sorge werden bei den Falcons-Anhänger Fumble-Probleme sein, die er in dieser Saison gezeigt hatte, ohne jedoch zählbaren Schaden anzurichten. Immer wird ihm das Glück bei Unachtsamkeiten nicht zur Seite stehen. Derartige Fehler könnten Atlanta in L.A. teuer zu stehen kommen.

Darauf kommt es an:

Gurley, Sammy Watkins, Cooper Kupp, Robert Woods. Die offensiven Optionen sind zahlreich. Genau wie die Schemes. Die Rams sind breit aufgestellt und werden den Falcons wieder viele Formationen präsentieren, auf die sie reagieren müssen. In erster Linie wird es aber Gurley sein, den man ins Spiel bringen muss. Bekommt man den Running Back in beiden offensiven Phasen ins Spiel und kreiert man weiter effektive YAC-Möglichkeiten durch tolle Downfield-Blocking-Schemes, so wird es ein langer Abend für die Falcons-Defense.

Mit einem Jones auf der Gegenseite kann es sich keine Defense leisten, sich nur auf das Zentrum zu konzentrieren. Die Rams werden den Receiver oftmals mit einem zweiten Gegenspieler zustellen. Die Chance für die Falcons ist es deshalb, das Zentrum und die anfällige Run-D der Rams zu attackieren. Hier muss man versuchen das Spiel zu diktieren und den Rams offensive Möglichkeiten zu nehmen.

Prognose:

Im ersten Playoff-Spiel im Los Angeles Memorial Coliseum seit 1978 werden die Rams früh versuchen, in Rhythmus zu kommen, um erst gar keine Nervosität aufkommen zu lassen. L.A. wird vor erwarteten 70.000 Zuschauern mit vielen verschiedenen offensiven Konzepten arbeiten und versuchen, seine Wideouts und Gurley auf Yards nach dem Catch kommen zu lassen. Für die Falcons wird es auf der defensiven Seite schwer, sich darauf einzustellen und das Tempo mitzugehen. An einem guten Tag ist die Offense der Falcons aber auch in der Lage, Großartiges zu leisten. Tipp: 27:23 Rams