Die Philadelphia Eagles haben einen krachenden Fehlstart in die neue NFL-Saison hingelegt. Carson Wentz spielt schlecht, zudem plagen das Team einmal mehr Verletzungssorgen. Das Team ist auf einen schnellen Turnaround angewiesen, die nächsten Gegner haben es allerdings in sich: Beginnend mit dem Sunday-Night-Kracher in dieser Woche bei den San Francisco 49ers (live auf DAZN).
Die NFL-Offseason 2020 zählte zu den außergewöhnlichsten und ereignisreichsten überhaupt: Tom Brady verließ nach einer halben Ewigkeit die New England Patriots, die Los Angeles Chargers und Philip Rivers gingen nach mehr als einer Dekade der Zusammenarbeit getrennte Wege, Patrick Mahomes unterzeichnete den größten Vertrag in der Sportgeschichte.
Darüber hinaus wechselten zudem zahlreiche Star-Spieler in spektakulären Trades das Team - in der NFL eigentlich eine Seltenheit. DeAndre Hopkins, Stefon Diggs, DeForest Buckner, Jamal Adams, sie alle wurden im Tausch für wertvolle Draft-Picks von ihren Franchises losgeeist.
Auch die Philadelphia Eagles fädelten einen solchen Deal ein: Für einen Dritt- und einen Fünftrundenpick holte General Manager Howie Roseman Cornerback Darius Slay von den Detroit Lions in die Stadt der brüderlichen Liebe.
Es war ein Trade mit Signalwirkung: Slay sollte in Philadelphia die größte Schwachstelle im Kader, die Qualität auf der Cornerback-Position, beheben und das entscheidende Puzzleteil sein, um die Eagles zurück in den Kreis der Super-Bowl-Contender zu hieven - zum ersten Mal seit zweieinhalb Jahren.
NFL: Pederson scheint dem eigenen Team nicht zu vertrauen
Nicht einmal einen Monat nach dem Saisonstart sieht die Realität allerdings gänzlich anders aus: Philadelphia hat einen krassen Fehlstart hingelegt. Gegen das deutlich schwächer eingeschätzte Washington Football Team setzte es zum Auftakt der Spielzeit eine 17:27-Pleite, gegen die Rams war man weitestgehend chancenlos. Von den ersten drei Saisonspielen konnten die Eagles keines gewinnen.
Beim kläglichen 23:23-Remis gegen die Cincinnati Bengals erweckte selbst Head Coach Doug Pederson bereits den Eindruck, dass er seinem eigenen Team nicht mehr vertraut. Nach einer Fünf-Yard-Strafe gegen das eigene Team entschied sich Pederson dagegen, das folgende Fourth-and-12 auszuspielen, obwohl Cincinnati den Ball selbst im Falle einer Incompletion vermutlich mit nur rund zehn verbleibenden Sekunden ohne Auszeiten außerhalb der Field-Goal-Range zurückerhalten hätte.
"Das ist wahrscheinlich eine Entscheidung, an die ich morgen zurückdenke und sage 'Wir hätten etwas anderes versuchen können'", erklärte Pederson im Anschluss an das Spiel. Er habe gehofft, der Punt könnte "irgendetwas Positives" einbringen, so der konsterniert wirkende Head Coach weiter.
Tatsächlich befand sich Pederson in einer schwierigen Lage, niemand hatte mit der Strafe bei dem eigentlich geplanten Field-Goal-Versuch gerechnet. Pederson hatte auf die Schnelle vermutlich gar kein angemessenes Play für die neue und unkonventionelle Spielsituation parat.
Und doch war die Signalwirkung letztlich verheerend: Der 52-Jährige traute der gegnerischen Offense ein erfolgreiches 12-Yard-Play offenbar eher zu als seinem eigenen Team. Zumal Pederson sich bereits zum Ende der regulären Spielzeit gegen eine riskante, aggressive Strategie entschieden hatte: Nach dem Touchdown zum 22:23 21 Sekunden vor dem Ende ließ er den Extrapunkt kicken, statt für zwei Punkte und den direkten Sieg zu gehen - und das obwohl Philadelphia seit Pedersons Antritt rund zwei Drittel ihrer versuchten Two-Point-Conversions erfolgreich ausgespielt hatte.
Eagles: Wentz einer der schlechtesten Quarterbacks der Liga
Doch die Eagles wirken derzeit schlicht und ergreifend nicht wie das Team, das Pederson im Jahr 2016 übernommen und anschließend zu einem Super Bowl und drei Playoff-Teilnahmen innerhalb von drei Jahren geführt hatte.
Insbesondere Quarterback Carson Wentz präsentierte sich über die ersten drei Saisonspiele wie ein kläglicher Schatten seiner selbst: Der 27-Jährige, der erst im vergangenen Jahr eine Vertragsverlängerung über vier Jahre und 128 Millionen Dollar unterschrieb, trifft selbst offene Würfe nicht, liest das Feld nicht richtig und bewegt sich auch in der Pocket nicht gut.
Wentz' Leistungen in der laufenden Saison waren bislang in praktisch jeder Hinsicht schlecht, ein Aspekt, der Hoffnung machen würde, lässt sich kaum ausmachen. Ob Expected Points Added, Completion Percentage Over Excpectation oder auch DVOA - in praktisch jeder erweiterten, Kontext liefernden Statistik belegt Wentz aktuell den ligaweit letzten oder vorletzten Platz.
Pederson kündigte im Anschluss an das Spiel gegen die Bengals an, Wentz' Verantwortung innerhalb der eigenen Offense reduzieren zu wollen, beispielsweise durch einfachere Reads oder simplere Protection-Calls. Nach den jüngsten Auftritten der Offense dürfte das tatsächlich ein richtiger Schritt sein, bei einem Quarterback in seinem fünften Jahr, einem der ligaweit bestbezahlten noch dazu, sollte dies allerdings ein heftiges Alarmsignal sein.
Nachfragen nach einem Quarterback-Tausch, die am Montag schließlich offen erfolgten, schob Pederson allerdings in aller Deutlichkeit einen Riegel vor.
NFL: Eagles plagen erneut Verletzungssorgen
Gleichzeitig aber gehen die Probleme der Eagles über Wentz' schlechte Leistungen hinaus.
Wie bereits im Vorjahr hat das Team bereits früh in der Saison mit enormen Verletzungssorgen zu kämpfen. In der Offensive Line erlitten die Starter Brandon Brooks und Andre Dillard noch vor Saisonbeginn schwere Verletzungen, im Receiving Corps fehlen derweil Alshon Jeffery und Erstrundenpick Jalen Reagor. Gegen die Bengals kamen auch noch Verletzungen von Dallas Goedert und DeSean Jackson hinzu.
In der entscheidenden Phase des Spiels gegen die Bengals hießen Philadelphias Receiver bei Formationen mit drei Receivern daher Greg Ward Jr., Deontay Burnett und John Hightower. Ein Trio, das erschreckend an Philadelphias Passempfänger in den letzten Spielen der Vorsaison erinnert - nur das Robert Davis dabei durch Hightower ersetzt wurde.
"Dallas ist jede Woche ein zentraler Teil unseres Gameplans. Ohne ihn mussten wir viele Dinge unter Druck verändern, das ist hart", so Wentz nach dem Spiel. "Dann auch noch DeSean zu verlieren, hat es noch härter gemacht."
Darüber hinaus ist auch die Offensive Line längst nicht die Säule des Teams, die sie eigentlich sein sollte. Die Rückkehr von Lane Johnson, der das erste Spiel ebenfalls verletzt verpasst hatte, hat geholfen, Brooks fehlt allerdings an allen Ecken und Enden - auch weil der mittlerweile 38-jährige Jason Peters, der nach Dillards Verletzung erneut als Left Tackle startet, mittlerweile eine Schwachstelle zu sein scheint und bereits drei Sacks zugelassen hat.
Eagles: Eine 0-5-1-Bilanz ist denkbar
Besserung? Aktuell kaum in Sicht. Der vermeintlich leichteste Teil des Spielplans der Eagles in dieser Saison liegt nach drei Spielen bereits hinter dem Team - und das ohne einen einzigen Sieg eingefahren zu haben.
In den kommenden drei Spielen treffen die Eagles nun auswärts auf die San Francisco 49ers und die Pittsburgh Steelers und empfangen zuhause die Baltimore Ravens. Ausgehend von den bisherigen Saisonleistungen geht Philly in alle drei Spiele als krasser Außenseiter. Ein Start mit fünf Niederlagen und einem Unentschieden aus sechs Spielen ist mittlerweile also alles andere als undenkbar.
Für die Franchise käme dies allerdings einer absoluten Katastrophe gleich. Philadelphias Team ist voll auf Erfolge in der Gegenwart ausgerichtet, das hat nicht zuletzt der Trade für Slay vor der Saison erneut unterstrichen. Stand jetzt beträgt Philadelphias prognostizierter Cap-Spielraum in der kommenden Saison rund 65 Millionen Dollar - im Minusbereich! Nach dem Saisonende werden das Team also zwangsläufig Leistungsträger verlassen müssen.
Ein schneller Turnaround ist für die Eagles somit absolut essentiell. Wentz und Co. werden beweisen müssen, dass sie mit Teams wie den 49ers, den Steelers oder den Ravens mithalten können. Inwieweit das Team tatsächlich über diese Qualität verfügt, ist nach den Eindrücken in den vergangenen Wochen allerdings mehr als fraglich.
Zuletzt schien nicht einmal mehr der eigene Head Coach daran zu glauben.
NFL - Carson Wentz' Statistiken:
Jahr | Spiele | TDs | Ints | Cmp% | Y/A | Rating | QBR |
2016 | 16 | 16 | 14 | 62,4 | 6,2 | 79,3 | 49,4 |
2017 | 13 | 33 | 7 | 60,2 | 7,5 | 101,9 | 77,2 |
2018 | 11 | 21 | 7 | 69,6 | 7,7 | 102,2 | 62,6 |
2019 | 16 | 27 | 7 | 63,9 | 6,7 | 93,1 | 64,8 |
2020 | 3 | 3 | 6 | 59,8 | 5,6 | 63,9 | 35,5 |
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