NBA - Spurs-Center Jakob Pöltl im Interview: "Vielen ist es wichtiger, offensiv gut auszusehen"

Ole Frerks
27. April 202110:00
Jakob Pöltl hat noch Schwächen an der Freiwurflinie.imago images
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Jakob Pöltl hat sich bei den San Antonio Spurs in dieser Spielzeit als Starting Center durchgesetzt und dadurch LaMarcus Aldridge beerbt. SPOX sprach mit dem Österreicher über die komplizierte Saison durch Corona, seine neue Rolle und die Kritik am Play-In-Turnier.

Außerdem verriet der 25-Jährige, was bei seinen Freiwürfen das Problem ist - und wie er daran arbeitet.

Ich würde gerne mit einer etwas anderen Frage starten. Die Saison ist offensichtlich ziemlich anders als alles, was man bisher so erlebt hat, mit den Tests, dem Spielplan, und so weiter. Macht's Spaß?

Jakob Pöltl: Die Situation beeinflusst schon den Spaßfaktor. Es sind so viele Spiele, es geschieht so viel nebenher. Unterm Strich ist es aber schon immer noch ein sehr cooler Job, also: ja! Es macht noch Spaß.

Was sind abgesehen von der Anzahl der Spiele die größten Unterschiede im Alltag?

Pöltl: Wir haben in einer normalen Saison ja schon kaum Trainingsmöglichkeiten. Das ist jetzt noch weniger - in dieser Saison haben wir nie Mannschaftstraining. Es geht einfach nicht, die Zeit reicht nicht. Die Freizeitgestaltung war dazu Corona-bedingt sowieso lange sehr eingeschränkt, aber um ehrlich zu sein wüsste ich auch nicht, ob ich die Energie hätte, um überhaupt noch etwas zu unternehmen. Ich verbringe die Zeit nur mit Regeneration und der Vorbereitung auf das nächste Spiel.

Gerade die Spurs sind ja legendär für Ihre Freizeit-Aktivitäten und Team-Abende inklusive Wein, Paintball-Ausflüge und so weiter. Lässt sich das irgendwie kompensieren?

Pöltl: Es ist leider schon sehr viel weggefallen. Zu Beginn der Saison hatten wir noch gelegentlich Team-Dinner, aber das gibt es kaum noch, seit die Regeln weiter verschärft wurden. In den letzten Wochen ist es jetzt zumindest wieder eingeschränkt möglich, dass wir abends mal nach einem Spiel noch zusammensitzen, aber es fehlt schon. Es ist keine normale NBA-Saison.

Jakob Pöltl zum NBA-Spielplan: "Es wurde nicht optimal gelöst"

Schon die ganze Spielzeit wird viel darüber diskutiert, ob es zu schnell ging, ob es zu viele Spiele sind. Wie stehen Sie dazu?

Pöltl: Rückblickend ist das schwer. Die NBA ist ein Geschäft, das ist uns allen bewusst. Das Geschäft muss irgendwie weiterlaufen. Es wurde nicht optimal gelöst, aber den Umständen entsprechend wurde es auch nicht schlecht gemacht. Ich weiß nicht, ob dieser Spielplan beispielsweise einen Einfluss auf Verletzungen und so etwas hat. Dann müsste man sich Gedanken machen, ob es ein Fehler war. Allerdings haben wir ja zugestimmt.

All diese Pläne konnten nur mit der Zustimmung durch die Spieler-Union durchgesetzt werden.

Pöltl: Richtig, jeder hat da ein Mitspracherecht. Jeder Spieler hat die Möglichkeit, seine Meinung kundzutun, wir als Spurs sind in der Union auch durch zwei Vertreter repräsentiert. Wenn ich ein Anliegen habe, kann das zur Sprache kommen - auch wenn ich jetzt nicht im Alleingang die Liga ändern werde. Am Ende entscheidet die Mehrheit.

Zu den Neuerungen gehört auch das Play-In-Turnier, was potenziell sogar noch mehr Spiele bedeutet. Finden Sie das grundsätzlich gut? Unter anderem in Dallas setzt es ja Kritik ...

Pöltl: Grundsätzlich ja. Vielleicht sind zwei Play-In-Plätze etwas viel. Dadurch kann die gute Leistung einer ganzen Saison über zwei Spiele verloren werden, aber andererseits: Wenn man sich den Westen in den letzten Jahren anschaut, gab es oft kaum Unterschiede zwischen dem siebten und dem zehnten Platz. Dann ist so ein Format ja eigentlich nur gerecht. Mich stört es nicht.

Jakob Pöltl war von Aldridge-Buyout "nicht überrascht"

Kommen wir zu Ihrer Saison. Sie haben Anfang Februar den Platz als Starting Center eingenommen und den seither nicht mehr abgegeben, Ihre Spielzeit ist auch deutlich angestiegen. Was hat sich für Sie verändert?

Pöltl: Die Belastung ist schon anders. Ich kannte das so nicht, aber ich komme bis jetzt ganz gut damit zurecht. Man ist zwar nicht in jedem Spiel zu 100 Prozent fit, aber man lernt es mit der Zeit und bisher bin ich mit meiner Rolle und meinen Leistungen durchaus zufrieden.

Ihr Vorgänger war LaMarcus Aldridge: Erst war er verletzt, dann gaben die Spurs plötzlich bekannt, dass sie einen Trade für ihn suchen, bevor es zum Buyout kam. Hat Sie der Vorgang überrascht?

Pöltl: Nein, überraschend war es nicht. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es mitten in der Saison passiert, aber es hat sich schon eine Tendenz angebahnt, dadurch, dass unser Team jünger und jünger geworden ist. Aldridge war ein guter Typ, auch neben dem Court. Ich kam gut mit ihm zurecht. Wir waren jetzt nicht die besten Freunde, aber er ist ja auch schon etwas älter, hat Familie und andere Interessen. Aber wie gesagt, wir hatten eine gute Beziehung und ich werde mich an die gemeinsame Zeit immer gern erinnern.

Wann hat sich für Sie abgezeichnet, dass die Spurs Ihren Kurs verändern? Gab die Zeit in der Bubble den Ausschlag?

Pöltl: Ja, dort haben wir unsere Spielweise erstmals ziemlich drastisch verändert. Wir sind weg von dem Iso-Basketball und mehr Richtung Ball-Movement, um alle Spieler miteinzubeziehen. Das hat in der Bubble gut funktioniert und war dann auch der Grund, warum wir anschließend komplett den Schalter umgelegt und unser Teamkonzept verändert haben.

Haben Sie das Gefühl, dass das bei Gregg Popovich etwas verändert hat? Es ging ja mal das Gerücht um, dass er 2020 aufhört, jetzt ist davon nichts mehr zu hören.

Pöltl: Er hat auf jeden Fall noch genug Feuer, das merkt man schon. Wie lange er noch weitermacht? Ich glaube, dass er es selbst noch nicht weiß. Er hat sich über die Jahrzehnte ohnehin den Status erarbeitet, dass er sich das komplett selbst aussuchen kann, wann es genug ist.

Dieser neue Spielstil liegt Ihnen persönlich auch mehr, oder?

Pöltl: Auf jeden Fall. Ich bin weit weg von einem Iso-Basketballspieler und abhängig vom Teamgefüge.

Jakob Pöltl zur Defense: "Es geht um die Einstellung"

Vom Point Differential her sind Sie außerdem nach Rudy Gay und Dejounte Murray aktuell der Plus/Minus-König bei den Spurs. Wussten Sie das?

Pöltl: Oh, nein, das war mir nicht bewusst. Ich achte normalerweise auch nicht so sehr auf Statistiken. Hin und wieder kommt mir etwas Interessantes unter, aber zu viel gebe ich darauf nicht.

Was aber seit Jahren der Fall ist: Die Defensivzahlen mit Ihnen sind zumeist viel besser, vor allem als Ringbeschützer haben Sie sich einen Namen gemacht. Was ist da aus Ihrer Sicht der Schlüssel?

Pöltl: Es geht erstmal um die Einstellung. Es muss dir persönlich wichtig sein, gut zu verteidigen. Vielen Spielern ist es wichtiger, offensiv gut auszusehen, die Defense stellt sich hinten an. Was mich angeht: Ich bin nicht der athletischste Spieler aller Zeiten, also versuche ich, mit Spielverständnis in Positionen zu kommen, in denen ich meine Teamkollegen absichern kann. Ich muss das Spiel lesen, das ist das Wichtigste. Gute Kommunikation spielt dabei auch eine große Rolle, und Timing. Ich muss wissen: Was ist zu viel Hilfe, was ist zu wenig? Manches kommt auch über die Erfahrung. Es geht um mehrere Faktoren.

Offensiv haben Sie selbst sehr wenige Abschlüsse. Wie würden Sie da Ihre Rolle beschreiben?

Pöltl: Nicht als tragend. Es geht darum, die Situation zu lesen: Ich versuche, durch Aktivität Räume für meine Mitspieler zu schaffen, und wenn sich mal Platz in der Zone auftut, dann nutze ich den selbst. Das ist aber situativ, ich werde in den kommenden Jahren nicht unser Go-to-Guy werden.

Die NBA-Statistiken von Jakob Pöltl

SpielePunkteFG%FT%ReboundsBlocks
Karriere338663,552,25,41,1
Saison 20/21588,562,847,681,8

Freiwurfschwäche? "Es sind vor allem mentale Probleme"

Die Baustelle bleiben die Freiwürfe. Einige Male wurden Sie im Lauf der Saison schon absichtlich gefoult, um Sie an die Freiwurflinie zu bekommen und dadurch vom Court zu holen. Was bedeutet dieses "Hack-a-Pöltl" für Sie und wie arbeiten Sie daran?

Pöltl: Die Freiwürfe sind ein laufendes Projekt, die Arbeit hört nie auf. In letzter Zeit ist es ein Tief für mich, die gesamte Saison ist nicht gut. Es sind vor allem mentale Probleme. Ich schaffe es nicht, aus meinem eigenen Kopf herauszukommen, wenn ich an der Linie stehe. Es wird wahrscheinlich einfacher werden, je öfter ich es mache. Natürlich ist es nicht schön, wenn ich spät im Spiel zum ersten Mal an die Linie geschickt werde, weil das als Schwäche identifiziert wird.

Gibt es Techniken für den Fokus, mit denen Sie es ausprobiert haben?

Pöltl: Ja, ich habe schon einige Mentaltrainings und solche Dinge ausprobiert. Aber man kann es nur zu einem gewissen Anteil simulieren und der größte Unterschied entsteht durch Wiederholung. Je öfter ich in diese Situation komme, desto weniger Nervosität sollte es mit der Zeit geben.

Die Spurs sind aktuell mitten im Play-In-Rennen und verjüngt, die Spitze im Westen ist aber noch ein Stück entfernt. Was fehlt Ihrer Meinung nach noch?

Pöltl: Wir sind auf einem guten Weg. Das Team ist überwiegend noch sehr jung, viele Spieler sind noch in ihren ersten Jahren und über kurz oder lang werden wir darauf aufbauen können - und müssen. Diese Spieler werden immer größere Rollen einnehmen und ich denke, das ist ein guter Startblock. Aber diese Saison deutet schon an, in welche Richtung es gehen kann. Mit einem starken Finish können wir hoffentlich die Playoffs erreichen und dadurch den nächsten Schritt machen.