Die L.A. Clippers haben in den West-Finals auf 1-2 verkürzt und vertrauten beim Sieg in Spiel 3 auf zuletzt neu gewonnene Tugenden - und eine hervorragende Defense, die Chris Paul und Devin Booker fast aus dem Spiel nahm. Sorgen um CP3s Rost und Bookers Nase machte sich in Phoenix dennoch niemand. Die Erkenntnisse zum Spiel.
Die neuen Tugenden der L.A. Clippers
Mittwochnacht, gegen 1.30 Uhr, erreichte die Chartermaschine der Clippers heimischen Boden. L.A. hatte in Phoenix eine goldene Möglichkeit auf einen Auswärtssieg liegen gelassen, nun ging es mit einem 0-2-Rückstand in den Western Conference Finals ins Bett. Doch vorher nahm sich Head Coach Tyronn Lue noch die Zeit, zu später Stunde bei jedem seiner Spieler anzurufen.
Als erstes klingelte er bei Paul George durch, der in Spiel 2 in den Schlusssekunden zwei Freiwürfe vergeben hatte. Dann Patrick Beverley, dann alle anderen Spieler aus dem Kader. Einen nach dem anderen, um jedem einzelnen einzubläuen, dass diese Serie noch lange nicht vorbei ist. "Spiel 3 ist vorbei, so etwas passiert. Das bedeutet gar nichts", habe Lue PG-13 gesagt, wie er nach dem 106:92-Sieg in Spiel 3 verriet.
Clippers-Guard Terance Mann beschrieb sein Gespräch mit Lue als "kurze Unterhaltung", denn "wir wussten eh, was wir zu tun haben". Erfahrung mit 0-2-Rückständen haben sie schließlich. Die Clippers haben sich in den ersten Wochen der Playoffs den Ruf einer enorm widerstandsfähigen Truppe erarbeitet. Zweimal kämpfte sich L.A. in den ersten beiden Runden bereits zurück, nun avancierten die Clippers zum ersten Team in der NBA-Historie, das in einer Postseason zum dritten Mal Spiel 3 bei einem 0-2-Rückstand gewonnen hat.
Die vor der Postseason unbekannte und nach dem Bubble-Debakel überraschende Resilienz war auch in Spiel 3 zu sehen. Vor allem nach dem Seitenwechsel war den Clippers deutlich anzusehen, dass sie diesen Must-Win - in der NBA-Historie gelang nach 0-3 noch keinem Team ein Comeback - unbedingt holen wollten.
"Man hat die typische Playoff-Verzweiflung bei ihnen gesehen", meinte Suns-Coach Monty Williams mehr anerkennend als abfällig. "Wir haben dagegen nicht mit der nötigen Verzweiflung gespielt, um ein Spiel zu gewinnen." Reggie Jackson sah in Spiel 3 "eine Menge Herz und eine Menge Kampf" in seinem Team und George betonte: "Wir dürfen es nicht zulassen, dass sie härter spielen als wir."
Diese "scrappiness", wie George die Einstellung seines Teams beschrieb, müssen sich die Clippers auch in der restlichen Serie beibehalten. Da Kawhi Leonard voraussichtlich noch länger aufgrund von seiner Knieverletzung fehlen wird und gleichzeitig Chris Paul auf der Gegenseite zurück ist, wird die Herausforderung nicht kleiner. "Ich mag das nicht", gab Lue angesprochen auf die Rückstände seines Teams in dieser Postseason zu. Aber immerhin kennen sie sich mittlerweile damit aus.
Die Clippers-Defense schaltet einen Gang höher
Entscheidend in Spiel 3 war in erster Linie die Clippers-Defense. In der eigenen Hälfte war die Kampfbereitschaft und der Einsatz des Teams nach dem Seitenwechsel zu spüren, das Star-Duo der Suns, Devin Booker und Chris Paul, kam nie so richtig zum Zuge. Zusammengenommen trafen sie 10/40 aus dem Feld (3/14 Dreier), Coach Lue wusste anschließend, bei wem er sich dafür zu bedanken hatte.
"Patrick Beverley und Ivica Zubac starten zu lassen, hat unserer Intensität in der Defense geholfen", sagte Lue über seine Anpassungen an der Ersten Fünf, die er bereits zu Spiel 2 vornahm. Vor allem Beverley als Kettenhund für Booker machte sich bezahlt. In den West-Finals stehen die Suns bei +7 in den Minuten mit Booker auf dem Court und Beverley auf der Bank - und -12 in Bookers Minuten mit Beverley auf dem Parkett. In diesen Phasen versenkt der Suns-Guard gerade einmal 31 Prozent seiner Feldwurfversuche bei 10 Ballverlusten.
"Er blockt Würfe von hinten, contested jeden Wurf und macht dir dein Leben hart", lobte der Clippers-Coach Beverley, der auch in Spiel 3 Booker fast immer im Nacken saß und ihn mit seiner physischen Defense aus seinem Spiel brachte. Auch mit Mann als zweitem Guard-Verteidiger gegen Paul oder auch gegen Booker übte L.A. enormen Druck auf den jeweiligen Ballführenden aus, zwei so unangenehme Verteidiger zu haben, ist ein Luxus für die Clippers.
Hinzu kommt, dass die Clippers in ihrer Drop Coverage einen besseren Job machten, den Suns nicht mehr leichte Würfe aus der Mitteldistanz zu schenken. Zwar ließ sich Zubac meistens zurückfallen, als Paul oder Booker ihren Lieblingsspot am Ellbow erreichten, kam aber oft ein später Switch und Zubac störte mit seinen langen Armen.
Gleichzeitig kämpften sich Beverley und Mann verbissen um jeden Screen, um möglichst nah am Gegner dranzubleiben. Auch deshalb konnte Phoenix die Drop Coverage nicht so sehr bestrafen wie noch zuletzt (4/17 FG aus der Mitteldistanz). Beverley holte so im vierten Viertel einen Block gegen Booker raus, auch Mann spielte dem Suns-Guard nach einem Drive einmal übel mit.
"Zu (Zubac, Anm. d. Red.) mit seiner Länge am Ring und Pat mit seiner Fähigkeit, ihn vor Pullup-Jumpern zu beschützen - das ist eine wichtige Veränderung und ein wichtiger Faktor in unserer Defense", analysierte Lue. Mit kleineren Lineups (DeMarcus Cousins sah keine Minute mehr, dafür agierte Marcus Morris als Small-Ball-Center) ließen zudem die Switches kaum offene Würfe zu. Gleichzeitig garantiert dies den Clippers, dass sich George in der Defense nicht gegen Booker oder CP3 aufopfern muss. Auch so wirkte er gegen Ende der Partie ziemlich erschöpft.
Chris Pauls Rost und Devin Bookers Nase
Die Suns zeigten sich von all dem übrigens in ihren Post-Game-Interviews relativ unbeeindruckt. Zwar lobte Coach Williams die Defense der Clippers, er war aber auch der Meinung, dass Booker ein paar offene Würfe liegen gelassen habe, die er normalerweise macht. In die gleiche Kerbe schlug auch Booker selbst.
Seine lädierte Nase wollte der 24-Jährige für seinen schwachen Shooting-Abend ebenfalls nicht als Ausrede gelten lassen. "Die Nase war in Ordnung. Wir haben einfach nur das Spiel verloren", sagte Booker, der allerdings Berichte bestätigte, dass sie nach dem Zusammenprall mit Beverley in Spiel 2 an drei Stellen gebrochen war. Die Ärzte rückten seine Nase wieder in Position und verabreichten ihm mehrere Spritzen gegen die Schmerzen. Zusätzlich spielte er mit einer Maske.
Während der Partie war einige Male zu beobachten, wie Booker versuchte, die Maske im Gesicht zurechtzurücken. Sie schien ihn zu stören, auch wenn er dies dementierte: "Ehrlich, es war in Ordnung. Ich habe sie nicht wirklich gesehen, sie hat mich nicht beeinträchtigt." Booker hatte sich vor dem Spiel Rat von Richard Hamilton geholt, der nach einer gebrochenen Nase in der Saison 2003/04 den Rest seiner Karriere mit einer Maske spielte. Ein paar Anlaufschwierigkeiten schien er dennoch zu haben.
Gleiches galt für Paul, der nach acht Tagen Zwangspause im Corona-Protokoll wieder aufs Parkett zurückkehrte. Er habe während seiner Quarantäne zuhause immerhin ein paar Würfe loswerden können, sagte CP3, doch er war sichtlich noch etwas eingerostet. Sein zweiter Versuch in Spiel 3 endete als Airball, so etwas sieht man beim 36-Jährigen äußerst selten. Mit ihm war auch die Pace der Suns deutlich niedriger als in den ersten beiden Spielen.
"Ich muss besser spielen, ich habe heute schrecklich geworfen", zeigte sich der 36-Jährige selbstkritisch. "Er wurde wahrscheinlich müde, ich habe ihn etwas zu lange spielen lassen, das geht auf mich", sagte dagegen Williams. Allerdings gingen ihm nach der Verletzung des zuletzt bärenstarken Backup-Guards Cameron Payne auch etwas die Optionen aus. Payne knickte bereits im ersten Viertel mit dem linken Knöchel um, Paul und Booker spielten beide knapp 40 Minuten. Sollte der 26-Jährige länger ausfallen, wäre das extrem bitter für die Suns.
Die Minimum-Jungs geben den Clippers einen Schub
Nochmal zur Erinnerung: Reggie Jackson verdient in der laufenden Saison 1,6 Millionen Dollar, Terance Mann steht mit 1,5 Mio. in den Büchern und Nicolas Batum bekommt 1,6 Mio. überwiesen. Dieses Trio holt zum Minimum allerdings das Maximum raus.
Batum ist zwar kein so großer Faktor wie noch in den Serien zuvor (15 Minuten in Spiel 3), da Coach Lue gegen die Suns vermehrt auf ein größeres Lineup setzt. Doch gerade Mann und Jackson zeigten auch in Spiel 3, wie wertvoll sie für das Team sind. Letzterer legte in den vergangenen fünf Partien im Schnitt 23 Punkte auf, in Spiel 3 kamen 10 seiner 23 Zähler im vierten Viertel.
Und Mann war vor allem im dritten Viertel der klassische Energizer, der keinen Ball verloren gab, eine Pest in der Defense war und den Clippers mit 8 Punkten in den Anfangsminuten des Durchgangs einen enorm wichtigen Schub gab. Ganz ähnlich wie beim Comeback in Spiel 7 gegen die Utah Jazz veränderte Mann mit seinem Auftritt in der zweiten Hälfte den Ton im Spiel der Clippers.
Neben Anführer PG-13 (27 Punkte, 15 Rebounds und 8 Assists) lieferten auch die restlichen Rollenspieler wie die bereits angesprochenen Beverley und Zubac (15 und 16 Rebounds) ab, auch der angeschlagene Morris oder Luke Kennard zeigten eine solide Leistung. Einzig Rajon Rondo fiel da ab. Der Point Guard durfte gegen Ende des ersten und zu Beginn des zweiten Viertels insgesamt siebeneinhalb Minuten ran - und verzeichnete 3 Turnover und ein Plus/Minus von -8. Playoff-Rondo ist bisher bei den Clippers noch nicht angekommen.
Suns vs. Clippers: Die Serie im Überblick - Stand: 2-1
Spiel | Datum | Uhrzeit | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 20. Juni | 21.30 Uhr | Suns | Clippers | 120:114 |
2 | 23. Juni | 3 Uhr | Suns | Clippers | 104:103 |
3 | 25. Juni | 3 Uhr | Clippers | Suns | 106:92 |
4 | 27. Juni | 3 Uhr | Clippers | Suns | |
5 | 29. Juni | 3 Uhr | Suns | Clippers | |
6* | 1 Juli | 3 Uhr | Clippers | Suns | |
7* | 3. Juli | 3 Uhr | Suns | Clippers |