NBA: Die Lieblings-Erinnerungen der Redakteure an Kobe Bryant

SPOX
28. Januar 202012:15
Kobe Bryant prägte die NBA über 20 Jahre wie kaum ein anderer Spieler.SPOX
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Kobe Bryant prägte die NBA über 20 Jahre wie kaum ein anderer Spieler. Um den tragisch Verstorbenen zu ehren, stellt die SPOX-Redaktion ihre Lieblingserinnerungen an die Black Mamba vor.

Florian Regelmann (Chefreporter SPOX.com): Ich muss spontan immer wieder an zwei für mich persönlich ganz besondere Momente denken. Der erste war am 19. Dezember 2009. Damals habe ich Kobe zum ersten Mal live spielen sehen. Die Lakers waren zu Gast im Izod Center bei den New Jersey Nets. Ich erinnere mich daran, dass an diesem Tag der unfassbarste Schneesturm aller Zeiten über New York hereinbrach und der Weg zurück in die Stadt zu einem echten Abenteuer wurde.

Ich erinnere mich, dass sich die Fans um uns herum über die Strümpfe von Josh Boone lustig machten, dass Chris Douglas-Roberts ein gutes Spiel machte, ich weiß auch nicht, warum ich das behalten habe, und dass ich so fasziniert war von der Kobe-Live-Experience.

Selbst von meinem Platz ganz oben unter dem Hallendach war Kobes Aura förmlich greifbar. Man kann es ja echt schwer beschreiben, was man spürt, wenn man zum ersten Mal live Roger Federer Tennis spielen, Tiger Woods Golf spielen oder eben Kobe Bryant Basketball spielen sieht. Es hat etwas Magisches.

Der zweite Moment, der sich in mein Gehirn eingebrannt hat, war dann 2013 der Achillessehnenriss im Spiel gegen die Warriors.

Ich kriege es einfach nicht aus dem Kopf, wie er sich die Achillessehne reißt, dann aber noch in aller Ruhe quasi auf einem Fuß die zwei Freiwürfe versenkt, ehe das Spiel für ihn vorbei ist. Und noch ohne fremde Hilfe vom Feld geht, wo andere längst den Rollstuhl bestellt hätten.

Kobe Bryant nimmt den Freiwurf nach seinem Achillessehnenriss.getty

Das war einfach typisch Kobe. Das ist die Szene, die sinnbildlich für den Warrior Kobe Bryant steht. Für den Mann, der im Sommer jeden Morgen um 5 Uhr in der Trainingshalle stand, weil er wusste, was er investieren muss, um der Kobe zu sein, der er sein wollte.

Leider war er in der Folge nach der schweren Verletzung nie mehr der gleiche.

Ole Frerks (NBA-Ressortleiter SPOX.com): Meine erste bewusste Erinnerung an Kobe war nicht positiv. Ich mochte Allen Iverson und fand es 2001 ziemlich unfair, dass Bryant nicht nur größer war, sondern auch noch Shaquille O'Neal an seiner Seite hatte. Ich muss gestehen: Auch wenn ich während der Final-Serie damals erst 10 Jahre alt war, hatte ich aus heutiger Sicht Recht. Die Kombination aus Shaq und Kobe war tatsächlich unfair.

Es hat ein wenig gedauert zwischen mir und Kobe, auch in späteren Jahren. Es dauerte, bis ich seine verbissene Art irgendwann wertzuschätzen lernte. Zudem hat er sich im Lauf seiner Karriere natürlich auch charakterlich sehr entwickelt. Der "alte Mann" Kobe (etwa ab 2011), der im Gegensatz zur jüngeren Generation sehr offen war und sich (meines Eindrucks aus der Ferne nach) bei weitem nicht mehr so sehr darum scherte, was die Leute über ihn dachten, war mir dann sogar richtig sympathisch.

Der größte Kobe-Fan, den ich persönlich kenne, ist wiederum mein Bruder - deswegen ist meine Lieblings-Erinnerung an die Mamba auch mit ihm verbunden. Anfang 2013 waren wir gemeinsam in New York, um die Lakers in Brooklyn spielen zu sehen. Es war für uns beide das einzige "Kobe-Live-Erlebnis", und es war ein Besonderes. Nicht nur deshalb, weil Brooklyn damals noch weniger Fans hatte als jetzt und das Barclays Center gefühlt zu 80 Prozent mit Lakers-Fans gefüllt war.

Ich habe nachgesehen: Kobe erzielte damals 21 Punkte, traf 9/24 aus dem Feld, hatte 5 Turnover - eigentlich kein überragendes Spiel. Das Vertrauen der Lakers-Fans in ihn ist mir trotzdem hängen geblieben. Das Spiel war über weitere Strecken ein Krampf, trotzdem herrschte diese Überzeugung, dass die Mamba den Tag schon retten würde. Und natürlich sein Dunk! Über Kris Humphries und Gerald Wallace zelebrierte der 34-jährige Kobe einen der letzten richtigen Poster-Dunks seiner Karriere. Ich werde nie vergessen, wie die fremde (!) Halle in dem Moment eskaliert ist.

Natürlich wussten wir nicht, dass wenige Monate später der Achillessehnenriss folgen würde. Kobe hatte in dieser letzten relevanten Saison von ihm wirklich alles aus seinem Körper rausgeholt, ließ sich in der letzten Saisonphase quasi gar nicht mehr auswechseln. Umso wichtiger war es mir rückblickend, diese Erfahrung wenigstens einmal gemacht zu haben. Der Mann war eine Ausnahmeerscheinung.

Robert Arndt (Redakteur SPOX.com): Es gibt viele Erinnerungen, die ich mit dem Spieler Kobe Bryant verbinde, seien es die ShaKobe-Jahre oder die NBA Finals 2008 und 2010 gegen die Boston Celtics. Ich war kein Kobe-Fan, trotzdem hatte auch ich ein Kobe-Poster aus der Bravo Sport an der Wand hängen. Live konnte ich ihn dagegen nie spielen sehen.

Dafür erlebte ich Bryant in seinem zweiten Leben - als Botschafter des Sports, eine Rolle, in welcher er ein absolutes Vorbild war und die ihn von anderen Legenden hervorhob, auch wenn er diese keine vier Jahre ausfüllte. Ich nahm es ihm ab, dass ihm der Basketball wichtig ist, auch außerhalb der Grenzen der USA.

Ein Beispiel par excellence war dafür seine Pressekonferenz, die er in Peking im Rahmen des Final-Wochenendes bei der WM in China gab. Schon beim Betreten des riesigen Raums füllte er diesen komplett aus, mit einem Lächeln auf den Lippen setzte er sich auf das Podium. Gott weiß, wie viele dieser teils unsäglichen PKs er in seinem Leben absolviert hat.

Trotzdem gab er allen Anwesenden im Raum das Gefühl, dass dies nicht nur eine lästige Pflicht war. Kobe sprach in Englisch und auch Italienisch über Marc Gasol, über die Offense der Argentinier mit Facundo Campazzo, über die seiner Meinung nach ungerechtfertigte Kritik an Team USA, auch weil er im Gegensatz zu vielen anderen verstand, dass andere Nationen aufgeholt hatten. Welcher Superstar wusste auch so viel über den FIBA-Basketball wie er?

Es war beeindruckend, wie Bryant Fragen aller Art souverän beantwortete, vorbereitet war. Eine Frage zu den Tschechen oder zu den Polen? Überhaupt kein Problem und es war mitnichten eine 0815-Antwort, selbst wenn kaum jemand im Raum die genaue Frage aufgrund des brüchigen Englisch der Kollegen verstand.

Dies veränderte meine Sichtweise auf Kobe, mit dem ich trotz Poster während seiner Zeit in der NBA nie wirklich warm wurde. Dieser Mann war eloquent, fachkundig und damit das Beste aus zwei Welten. Einerseits Experte und detailversessen, andererseits ein Mann von Welt, den auch die 47-jährige Hausfrau aus Castrop-Rauxel sympathisch finden könnte - einfach ein perfekter Repräsentant der Sportart, die wir alle so lieb gewonnen haben.

Kobe Bryant auf einer Pressekonferenz in Peking.privat

Ich bin froh, dass ich diesen Menschen zumindest für eine Viertelstunde aus nächster Nähe erleben durfte. Was bleibt, ist die Erinnerung und dieses extrem unscharfe Foto, welches ich mit meinem alten Handy machen konnte - und dabei vergaß den richtigen Modus einzuschalten.

Philipp Jakob (Volontär SPOX.com): "Ich mach die Dinge immer ein wenig anders. Ich habe mir gedacht, eine beeindruckende 17-65-Saison wäre ein tapferes Statement, um meine 20-jährige Karriere unter Dach und Fach zu bringen", scherzte Kobe Bryant bei den ESPYs 2016. Wenige Monate zuvor hatte Peyton Manning seine NFL-Karriere mit einem Sieg im Super Bowl beendet, Abby Wambach schloss im Jahr zuvor ihre Karriere mit dem Gewinn der Frauen-Fußball-WM ab.

Kobes Lakers beendeten die Saison 2015/16 dagegen abgeschlagen auf dem letzten Platz in der Western Conference. Die Bilanz von 17 Siegen zu 65 Pleiten war die schlechteste in der langen Historie der Franchise. Doch denkt man an Bryants letzte Saison in der Association zurück, spielt das keine Rolle. Kobe machte am 13. April 2016 in allerbester Kobe-Manier all das Vergessen.

"20 Jahre lang hat mich jeder angeschrien: 'Pass den Ball!'", sagte Bryant im Anschluss an die Partie gegen die Jazz mit einem dicken Grinsen im Gesicht. An diesem Abend, Spiel Nummer 82 im Regular-Season-Kalender der Lakers, habe aber jeder seiner Teamkollegen geschrien: "Don't pass it!"

Kobe hörte auf sie - und das vollkommen zurecht. Im November 2015 hatte er mit seinem Gedicht "Dear Basketball", mit der er später in Form eines Animationskurzfilms einen Oscar abräumte, seine Abschiedstournee aus der NBA eingeleitet. Die fand ihren Höhepunkt schließlich an jenem 13. April 2016.

In seiner letzten Partie im Staples Center, in seinem letzten Auftritt in Purple and Gold lieferte Bryant eine Show ab, die so nur von ihm kommen konnte. Wohlgemerkt nachdem er sich drei Jahre zuvor - im betagten Sportleralter von damals 35 Jahren - von einem Achillessehnenriss zurückgekämpft hatte. Sein Körper hielt den Strapazen aber nicht mehr Stand, Kobe schleppte sich teilweise durch seine letzte Saison, nur um diese mit einem Knall zu beenden.

Bryant verabschiedete sich mit 60 Punkten von der großen Bühne, drückte dabei ganze 50-mal selbst ab. Die Lakers lagen über weite Strecken der Partie gegen die Gäste aus dem Mormonenstaat im Hintertreffen, teilweise sogar mit bis zu 15 Zählern. Nummer 24 ließ sich seinen Abend jedoch nicht vermiesen.

Die Jazz versuchten, sich mit 21 Punkten im Schlussabschnitt gegen das Comeback der Lakers zu stemmen - Kobe erzielte 23! In den finalen Minuten der Partie legte er 17 Lakers-Zähler in Folge auf, mit einem langen Pull-Up-Zweier brachte Bryant 31 Sekunden vor dem Ende seine Farben schließlich auf die Siegerstraße.

Die Black Mamba ein letztes Mal im Mamba-Mode. Ein besseres Karriereende hätte sich wohl niemand für Kobe Bryant erträumen können.

Stefan Petri (Redakteur SPOX.com): Ich habe eine Weile überlegen müssen, welches Bild von Kobe mir in Erinnerung bleiben wird. Am Ende bin ich bei seinem Lächeln gelandet. Wobei es "Lächeln" nicht so ganz trifft. Eher eine Mischung aus Lächeln, Grinsen, Feixen, das Überlegenheit ausstrahlte, mal gutmütig, mal ein bisschen spöttisch, mal mit angriffslustig vorgeschobenem Unterkiefer. "Smirk" würde man im Englischen sagen, im Deutschen gibt es kein wirklich passendes Wort.

Warum? Weil dieser "Smirk" mehr sagen konnte als tausend Worte. "Aus dem Weg, alter Mann", aber auch "Stell dich hinten an, junger Hüpfer". "Du weißt genau, was jetzt kommt", oder "Ich hab dich gewarnt". Erst "Du kannst mich nicht stoppen", und danach "An mir kommst du nicht vorbei".

Ein Gesichtsausdruck, der sein Gegenüber mit folgender, unumstößlicher Tatsache konfrontierte: "Ich bin Kobe Bryant - und du nicht."

Kobe Bryants Lächeln strahlte einiges aus.getty

Was machte Kobe aus? Seine Athletik, seine perfekte und immer weiter perfektionierte Technik, sein Killerinstinkt, sein Kampfgeist, seine Wissbegierde, seine Liebe zu seiner Familie. Für mich war es zuallererst sein Selbstbewusstsein.

Dieses unfassbare Selbstbewusstsein, dass ihn in jungen Jahren zu den Lakers - und nur zu den Lakers - trieb. Zu insgesamt fünf Championships, die letzten beiden ohne Shaq, den dominantesten Big Man seiner Ära. Dass ihn jeden noch so schwierigen Wurf nehmen ließ, im unerschütterlichen Vertrauen darauf, dass er sein Ziel finden würde.

Dass ihn sagen ließ: "Haltet mich für verrückt, aber ich glaube immer noch, dass wir diese Serie gewinnen", als die Lakers in den Playoffs 2011 schon 0-3 gegen Dirk und die Mavericks zurücklagen.

Kobe personifizierte den Glauben an sich selbst, an die eigene Stärke, und ich glaube, dass es vor allem diese Eigenschaft war, die so faszinierte, die ihn zum Idol nachfolgender NBA-Generationen machte. Die sich in seinem Gesicht spiegelte, nein, die dort leuchtete.

"Ich bin Kobe Bryant - und du nicht."

Und deshalb wird es auch nie einen zweiten Kobe Bryant geben.