Dirk Nowitzki ist unumstritten der beste Basketballer, den Deutschland je hervorgebracht hat. Heute wird die Legende der Dallas Mavericks 42 Jahre alt. Doch wo steht Nowitzki im Vergleich zu anderen NBA-Legenden? Eine Suche nach Antworten.
Dieser Artikel ist ein Ausschnitt des Buchs "Das Nowitzki-Phänomen: Dirk und die neue Generation".
Abgesehen vom Sport schauen selbst ist es die liebste Disziplin von Sportfans und auch -journalisten, Rankings aufzustellen: Ist Spieler A besser als Spieler B? Es wird diskutiert, es wird debattiert, es werden Quervergleiche aufgestellt, teilweise auch zwischen Spielern, die in unterschiedlichen Zeiten, bei unterschiedlichem Regelwerk und auf unterschiedlichen Positionen gespielt haben.
Fast jeder Basketball-Fan hat im Kopf mindestens eine eigene Top 10 der besten Spieler aller Zeiten, im "The Book of Basketball" stellte Bill Simmons sogar seine Top 96 auf. Dieses Buch erschien erstmals 2009, ein Jahr später wurde eine zweite Auflage veröffentlicht, in der bereits einige Positionen verändert wurden. Mittlerweile hat Simmons einige Male betont, dass er wieder etliche Änderungen durchführen könnte und müsste, früher oder später gibt es vermutlich eine Neuauflage. Und das soll keine Kritik an Simmons sein - es verdeutlicht einfach nur, dass sämtliche Spieler-Rankings subjektiv sind und es jederzeit möglich ist, seine Meinung zu ändern. Ganz zu schweigen davon, dass Basketball immer noch gespielt wird und die NBA eine nach wie vor junge Liga ist.
Es ist eigentlich vermessen, vom "Besten aller Zeiten" zu sprechen, weil man damit allen noch kommenden Spielern die Chance dazu nimmt - auch wenn es niemanden davon abhält, ständig vom GOAT (Greatest of All Time) zu sprechen. Einst war man sich einig, dass dieser Titel MJ gehören sollte, 20 Jahre später wird immer mehr auch über LeBron diskutiert.
Dirk Nowitzki: Zwischen Platz 12 und 20 All-Time
Dabei gibt es Argumente für beide Seiten, man wird aber nie eine "richtige" Antwort finden - gleichzeitig das Schöne und das Frustrierende an all diesen Debatten. Sie können Spaß machen, sie können leidenschaftlich geführt werden, aber sie führen zu keinem Ergebnis. Ein LeBron-Fan wird einen Jordan-Jünger nicht überzeugen können und andersherum verhält es sich genauso. Beide liegen richtig und beide liegen falsch.
Es soll daher hier auch nicht der Versuch unternommen werden, Dirk auf eine feste Position in der Geschichte zu setzen. Simmons hatte ihn ursprünglich auf 39 (Simmons, 2010, S. 415) gerankt, seither hat er aber seinen Titel gewonnen und wurde "befördert". Ein Experten-Panel von ESPN im Jahr 2016 setzte Nowitzki auf die Position 17, in den meisten Rankings, die man im Netz finden kann, wird er irgendwo zwischen den Positionen 12 und 20 aufgeführt.
In Dallas wird er höher eingeordnet, dort wird er vermutlich immer den GOAT-Status behalten. Aus emotionaler Sicht mit Sicherheit; Nowitzkis Verbindung mit der Stadt und Franchise ist zu einzigartig, als dass sie jemand replizieren oder gar überbieten könnte.
Dirk Nowitzki: Nur fünf Spieler erzielten mehr Punkte
Emotionen stehen einer objektiven Einordnung natürlich im Weg, es gibt aber Hilfsmittel, um Nowitzkis Wirken ein Stück weit einzuordnen. In etlichen Bestenlisten steht er weit vorne, allen voran ist er einer der konstantesten Punktesammler in der Geschichte des Basketballs und nur Abdul-Jabbar, Malone, LeBron, Bryant und MJ haben mehr Karriere-Punkte erzielt als er. Fast niemand hat so lange auf so hohem Niveau diesen Sport ausgeübt.
Auch deswegen ist es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass er nicht nur im ersten Wahlgang in die Hall of Fame aufgenommen werden wird, sondern dass er auch dabei sein wird, wenn die NBA zum nächsten Mal eine Liste wie die "50 besten nach 50 Jahren" (im Jahr 1996) veröffentlicht. Gut möglich, dass es 2021 zum nächsten Mal soweit ist und dass dann die "75 besten Spieler nach 75 Jahren" NBA-Geschichte bekannt gegeben werden. Nowitzki wird dabei sein.
Dirks Spiel war allerdings nie nur durch Zahlen definierbar. Seine Bedeutung als Türöffner und Pionier ging bisweilen sogar über sein spielerisches Können hinaus, was für sich schon ohne Frage für Legendenstatus gereicht hätte. Aber er ist nicht nur einer der besten, sondern auch einer der wichtigsten Spieler der Basketball-Geschichte: Man kann die Geschichte dieser Sportart nicht erzählen, ohne dabei auf Dirk Nowitzki zu sprechen zu kommen. Vielleicht ist das sogar der wichtigste Teil von seinem Vermächtnis.
Dirk Nowitzki: Der Flamingo als unmögliche Waffe
Wo auch immer man heute in der NBA hinblickt, ist sein Einfluss unverkennbar. Superstars wie LeBron oder Durant haben seinen Flamingo-Wurf in ihr Spiel integriert, da dieser, mit der Kombination aus Wurfstärke, Körpergröße und Koordination, zu den am unmöglichsten zu verteidigenden Würfen überhaupt gehört - vielleicht sogar direkt auf Platz 2 hinter Kareems Sky-Hook. Im Gegensatz zu gerade diesem Wurf ist Dirks Move jedoch einer, den man erlernen kann, ebenso wie viele andere Aktionen, die er und Geschwindner durch ihre kuriosen Drills zusammen entwickelt haben.
Nowitzki war der erste Spieler seiner Größe, der primär vom Flügel aus agierte und mit den Fähigkeiten eines kleinen Spielers das Spiel dominierte. Dass er diese Fähigkeiten auch auf dem höchsten Niveau einsetzen durfte, ermöglichte einst Don Nelson, der mit der Entscheidung, seine Offense um einen 2,13 m großen "Flügelspieler" aufzubauen, zu Anfang als Spinner galt, heute aber als Revolutionär zu sehen ist - überall finden sich mittlerweile Klone Nowitzkis. Die moderne NBA-Offense hängt zu einem großen Anteil mit Nowitzki und seinen alten Mavs-Teams zusammen.
Der heutige Big Man ist vielseitig und beweglich, nur noch im seltensten Fall ein Brecher wie Malone. Die Teams sind am stärksten, die vier oder sogar fünf Schützen auf dem Court haben, da sie das Feld breitmachen und es der Verteidigung dadurch fast unmöglich machen, auszuhelfen und Druck auf den Ballführenden auszuüben. Spieler wie Dwight Howard, 2011 noch einer der besten Spieler der Welt, sind heute fast obsolet und tun sich schwer damit, eine signifikante Rolle zu finden, dabei waren sie wenige Jahre zuvor Superstars.
Dirk Nowitzki: Vorbild für junge Big Men
Das liegt vor allem daran, dass es immer mehr junge Spieler in der NBA gibt, die als Youngster nicht Malone, sondern Dirk studiert haben: "Mein Vater hat mir schon als Kind gesagt: 'Studiere Dirk, weil du wirklich werfen kannst und das die Richtung ist, in die sich Basketball bewegt'", sagte Kevin Love, der mit den Cavs als dreierwerfender Power Forward 2016 Meister wurde, im Jahr 2018 der Washington Post. "Dirk ist wirklich derjenige, der das revolutioniert hat, und er war seiner Zeit voraus, mit seiner Länge, seinem Wurf und seiner Fähigkeiten, das Spiel von draußen aufzuziehen. Das war unheimlich wichtig für mein eigenes Spiel."
Love ist nur einer von vielen, die sich einiges bei Dirk abgeschaut haben - wohin man auch blickt, findet sich sein Einfluss. In den letzten Jahren hat sich der Begriff "Einhorn" etabliert für große Spieler, die vorne die Fähigkeiten von Guards mitbringen, Dreier werfen und hinten den Korb wie traditionelle Center beschützen können. Dirk steht am Anfang dieser Entwicklung, auch wenn er nie ein elitärer Verteidiger war. Das ist auch für seine Widersacher unverkennbar.
"Es gibt eine Liste von Spielern, die das Spiel verändert haben. Ich weiß, dass Steph [Curry] auf dieser Liste steht, ich weiß, dass LeBron [James] draufsteht, und dass Michael [Jordan] draufsteht. Ich weiß nicht, ob jeder Mensch Dirk auf dieser Liste sieht. Aber er gehört dazu", sagte ausgerechnet Nowitzkis langjähriger Rivale Dwyane Wade der Washington Post.
Dirk Nowitzki: Die Karriere-Statistiken des deutschen Superstars
Saison | Spiele | Minuten | Punkte | FG% | 3P% | Rebounds | Assists |
98/99 | 47 | 20,4 | 8,2 | 40,5 | 20,6 | 3,4 | 1,0 |
99/00 | 82 | 35,8 | 17,5 | 46,1 | 37,9 | 6,5 | 2,5 |
00/01 | 82 | 38,1 | 21,8 | 47,4 | 38,7 | 9,2 | 2,1 |
01/02 | 76 | 38,0 | 23,4 | 47,7 | 39,7 | 9,9 | 2,4 |
02/03 | 80 | 39,0 | 25,1 | 46,3 | 37,9 | 9,9 | 3,0 |
03/04 | 77 | 37,9 | 21,8 | 46,2 | 34,1 | 8,7 | 2,7 |
04/05 | 78 | 38,7 | 26,1 | 45,9 | 39,9 | 9,7 | 3,1 |
05/06 | 81 | 38,1 | 26,6 | 48,0 | 40,6 | 9,0 | 2,8 |
06/07 | 78 | 36,2 | 24,6 | 50,2 | 41,6 | 8,9 | 3,4 |
07/08 | 77 | 36,0 | 23,6 | 47,9 | 35,9 | 8,6 | 3,5 |
08/09 | 81 | 37,7 | 25,9 | 47,9 | 35,9 | 8,4 | 2,4 |
09/10 | 81 | 37,5 | 25,0 | 48,1 | 42,1 | 7,7 | 2,7 |
10/11 | 73 | 34,3 | 23,0 | 51,7 | 39,3 | 7,0 | 2,6 |
11/12 | 62 | 33,5 | 21,6 | 45,7 | 36,8 | 6,8 | 2,2 |
12/13 | 53 | 31,3 | 17,3 | 47,1 | 41,4 | 6,8 | 2,5 |
13/14 | 80 | 32,9 | 21,7 | 49,7 | 39,8 | 6,2 | 2,7 |
14/15 | 77 | 29,6 | 17,3 | 45,9 | 38,0 | 5,9 | 1,9 |
15/16 | 75 | 31,5 | 8,3 | 44,8 | 36,8 | 6,5 | 1,8 |
16/17 | 54 | 26,4 | 14,2 | 43,7 | 37,8 | 6,5 | 1,5 |
17/18 | 77 | 24,7 | 12,0 | 45,6 | 40,9 | 5,7 | 1,6 |
18/19 | 51 | 15,6 | 7,3 | 35,9 | 31,2 | 3,1 | 0,7 |
Dirk Nowitzki: Selbst Nelson war von Entwicklung überrascht
Erik Spoelstra, der 2011 Miamis Head Coach war, konnte ihm nur beipflichten: "Er hat die Jobbeschreibung seiner Position mehr als jeder andere verändert. Er hat sie neu erfunden, den Stereotyp genommen und komplett auf links gedreht ... Es gab andere Spieler vor ihm, die einige seiner Fähigkeiten hatten, aber er hat sie auf einen komplett neuen Level gebracht."
Wer hätte das gedacht, als die Mavericks an diesem schicksalsträchtigen Tag im Jahr 1998 ein paar riskante Transaktionen durchführten, um ihre Hände an einen gewissen blonden Schlaks aus Würzburg zu bekommen? Niemand - auch nicht die Personen, die diese Transaktionen forciert hatten. "Niemand hätte sich jemals vorstellen, dass er so gut wird", sagte Don Nelson, zu dem Zeitpunkt schon lange im Ruhestand im Star-Telegram.
"Ich dachte, wir kriegen da vielleicht einen All-Star, um den wir die Franchise aufbauen könnten. Aber er hat das alles weit übertroffen. Er konnte passen, er konnte rebounden, er war selbstlos, er war alles. Er war kein großartiger Verteidiger, aber er konnte ordentlich verteidigen. Es wird nicht besser als Dirk Nowitzki. Er ist nichts anderes als eine unglaubliche Addition zur NBA, nach wie vor. Ich bin einfach nur glücklich, ihn in der Liga zu haben und sehen zu können, was er erreicht hat. Er ist einfach nur großartig."
Dem ist nicht allzu viel hinzuzufügen - Nelson hat das auf jeden Fall besser hinbekommen als Dirk selbst, dem es seit Jahren zuwider ist, über seinen Platz in der NBA-Geschichte zu sprechen. Aber sonst wäre er wohl auch nicht Dirk Nowitzki.
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