NBA - Derrick Williams vom FC Bayern Basketball im Interview: "Jemanden wie LeBron willst du nicht enttäuschen"

Philipp Jakob
05. Juni 201915:31
Derrick Williams spielte in der Saison 2016/17 gemeinsam mit LeBron James bei den Cavaliers.getty
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Derrick Williams schaffte als Nr.2-Pick von 2011 nie den Durchbruch in der NBA, nun kämpft er im Trikot des FC Bayern Basketball um die Meisterschaft in der BBL. Nach dem 89:71-Sieg in Spiel 2 gegen Rasta Vechta stehen Williams und der FCBB kurz vor dem Einzug ins Finale. Im exklusiven Interview mit SPOX spricht der Forward über seine bisherige Laufbahn - und seine Hoffnung auf eine weitere Chance in den USA.

Der 28-Jährige erklärt, warum er selbst verwundert war, von den Timberwolves im Draft gezogen zu werden und was in Minnesota schieflief. Außerdem erzählt er von seinen Erfahrungen in den NBA Finals gegen die Warriors, was die Faszination von LeBron James ausmacht und wie ihm seine Zeit in China weitergeholfen hat.

Mr. Williams, am Samstag vor einer Woche haben sie ihren 28. Geburtstag gefeiert. Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch nachträglich. Wie feiert man seinen Geburtstag inmitten der Playoff-Zeit?

Derrick Williams: Dankeschön. Ich habe nicht allzu viel gemacht. Mein Geburtstag war zwischen zwei Spielen, also bin ich am Samstag einfach was essen gegangen und habe relaxt.

Mit den Bayern stehen Sie kurz vor dem Einzug ins Finale, gleichzeitig sind auch in den USA die Playoffs mitten in der heißen Phase. In welchem Umfang verfolgen sie das aktuelle Geschehen?

Williams: Es ist eine aufregende Zeit, mit Golden State und Toronto sind zwei richtig gute und interessante Teams in den Finals, eine Menge Leute schauen zu. Toronto hatte bisher eine sehr gute Postseason und die Warriors ... von denen erwartet man natürlich, dass sie in den Finals stehen. Sie haben ein sehr gutes Team, es wird schwierig, sie zu schlagen. Toronto hatte den Heimvorteil, es kann noch interessant werden.

Wie haben Sie die kanadischen Fans während Ihrer Zeit in der NBA erlebt?

Williams: Toronto hat fantastische Fans. Ich war mit verschiedenen Teams mehrmals da und habe gegen die Raptors gespielt. Sie haben die mit am meisten unterschätzten Fans der NBA, da sind sie definitiv in den Top zwei oder drei. Natürlich spielt das Team gut und die ganze Drake-Sache wird das Publikum nur noch weiter anheizen.

Derrick Williams über seine Finals-Erfahrung: "Es war verrückt"

Sie waren 2017 als Teil der Cleveland Cavaliers live dabei, als es gegen die Warriors und KD ging. Damals holten die Warriors mit einem 4-1 den zweiten Titel ihrer aktuellen Dynastie und den ersten mit Durant. Was sind Ihre Erinnerungen an die Finals und dieses Warriors-Team?

Williams: Es war verrückt. Man steht in den Finals und muss gegen eines dieser Teams spielen, die gerade eine Dynastie aufbauen. Man sieht auch heute noch, zu was sie in der Lage sind, sie stehen immerhin zum fünften Mal in den Finals. Es ist aber schön, ein Teil der Geschichte zu sein, egal ob man gewinnt oder verliert. Es war großartig, zu dieser Zeit diese Jungs wie Durant, LeBron James, Kevin Love, Kyrie Irving, Curry oder Thompson zu sehen. Das war eine tolle Erfahrung. Ich kann sagen, dass ich vor ein paar Jahren mit diesen künftigen Hall-of-Famern auf dem Parkett stand. Vor allem mit LeBron, der 30-Punkte-Triple-Doubles aufgelegt hat. Man sieht all die harte Arbeit, die er hineinsteckt und dann zieht er in dem Jahr den Kürzeren. Das war hart, er wollte unbedingt eine weitere Championship nach Cleveland holen.

War damals in der Mannschaft schon vor den Finals so etwas wie Frust zu spüren? Nachdem man die Warriors 2016 denkbar knapp in sieben Spielen schlagen konnte, stand nun auch noch KD auf der anderen Seite?

Williams: Man geht in ein neues Jahr, Cleveland ist der Champion und man stellt sich die Frage, was muss man tun, um besser zu werden. Und die Warriors holen Durant. Das war so ... okay. (lacht) Egal, wen wir holen werden, sie werden einfach deutlich besser sein als im vergangenen Jahr. Es gab also sicherlich ein wenig Frust, als wir in die Finals kamen und drei All-Stars stoppen mussten - und auch noch Draymond Green.

Wie liefen damals die Team-Meetings ab? Welche Strategien wurden besprochen, um gegen dieses vierköpfige Monster anzukommen?

Williams: Es ist schwierig. Vor drei oder vier Wochen haben Lou Williams und Patrick Beverley darüber gesprochen, dass man den Warriors unterschiedliche Defenses zeigen muss. Wir hatten drei oder vier verschiedene Verteidigungsvarianten und sie haben trotzdem ihre Punkte gemacht. Es war nicht unbedingt so, dass unsere Defense schlecht war. Manchmal hat man einfach einen übermäßig talentierten Spieler, der gegen jede Defense scoren kann. Durant ist hart zu stoppen, da kannst du auch die beste Defense der Welt haben. Manchmal ist seine Offense einfach ein bisschen besser.

Vor Spiel 3 (Donnerstag, ab 3 Uhr live auf DAZN) sind die Finals 2019 ausgeglichen, dabei musste Golden State bisher auf Kevin Durant verzichten. Nachdem sich die Warriors mit einem Sweep in die Finals katapultiert hatten, entbrannte in den USA die Debatte, ob die Warriors ohne KD vielleicht sogar besser seien. Was ist Ihre Meinung dazu?

Williams: Sie sind so oder so ziemlich gut. Ich glaube nicht unbedingt, dass sie mit Durant übermäßig besser oder schlechter sind. Auch ohne ihn stehen sie bei 32-2, die haben also bereits ein sehr gutes Team. Aber Durant kann auf vielfältige Art und Weise scoren, in der Transition, in Post-Ups, in Isolations, von der Dreierlinie. Mit ihm hast du einen weiteren Spieler, der dir 30 oder 40 Punkte pro Partie geben kann. Sollten Stephen Curry oder Klay Thompson mal nicht gut spielen, kann er dir im Scoring helfen. Er fügt einfach eine weitere Dimension hinzu, die du stoppen musst.

Williams über LeBron James: "Du willst ihn nicht enttäuschen"

Die Warriors hatten Durant, Sie hatten LeBron. Ist allein dank ihm ein ganz anderes Selbstvertrauen da, ein Superteam wie die Warriors schlagen zu können?

Williams: Natürlich. Selbst heute kann man ihn in jedes Team stecken und die Chancen zu gewinnen, gehen nach oben. Das wollten auch die Lakers machen: LeBron ins Team holen und den jungen Spielern helfen, sich zu verbessern. Sie hatten aber eine Menge Verletzungen.

Was macht LeBron als Teamkollegen so besonders?

Williams: Er fordert seine Mitspieler während der Saison heraus, besser zu werden. Er fordert jedes einzelne Individuum heraus, wirklich alles zu geben. Das ist, glaube ich, der Grund, warum man mit ihm besser ist. Du willst so einen Spieler nicht enttäuschen. Er erwartet, dass du die ganze Zeit dein A-Game bringst, weil er immer um eine Championship spielt. Und das willst du als Spieler auch.

Ist das gerade für einen jungen Spieler hilfreich oder erhöht das in erster Linie nur den Druck?

Williams: Ich denke nicht, dass es mehr Druck ist. Niemand versucht, den Ball zu verlieren oder Fehler zu machen. Fehler passieren im Basketball. Aber wenn du alles gibst und es vermasselst, dann ist das nichts, was einen fertig machen sollte. Wenn ich nicht alles gebe und Fehler mache, dann ist das meine Schuld, denn ich hätte mehr Einsatz zeigen müssen. Aber wenn du vollen Einsatz zeigst und Fehler machst, dann ist das halt so. Du spielst einfach weiter. Das ist das Beste, mit jemandem wie ihm zusammenzuspielen.

Ist es auch für Sie ein bisschen merkwürdig, die Playoffs zu schauen und LeBron ist nicht dabei?

Williams: Ja, auf jeden Fall. Ich habe gehört, dass die Ratings gesunken sind. Man hat ihn fast zehn Jahre in Folge um die Championship kämpfen sehen. Ich denke, er hat eine Pause gebraucht. (lacht) Er hat viele Spiele und viele Minuten absolviert. Ich glaube aber, dass er nächste Saison zurück sein wird.

Kommen wir nun zu Ihrer Karriere: Sie waren Teil der Draft Class von 2011, in der unter anderem auch Kyrie Irving, Kemba Walker, Klay Thompson, Kawhi Leonard oder Jimmy Butler dabei waren. Rückblickend ein ziemlich guter Jahrgang, oder?

Williams: Ich erinnere mich, dass damals darüber geredet wurde, dass dieser Jahrgang vielleicht nicht so gut sei. Aber diese Jungs hatten bisher sehr solide NBA-Karrieren, ein paar haben Championships gewonnen, wurden Defensive Player of the Year, Finals-MVPs und sowas alles. Wenn du solche Jungs in deinem Jahrgang hast, dann versuchst du, mit denen mitzuhalten. Da sind ein paar Jungs, die großartige Dinge in der NBA gemacht haben. Es ist spannend, ihre Karrieren zu verfolgen und zu sehen, wo sie gepickt wurden und was sie in ihrer Karriere erreicht haben.

Sie landeten als Nr.2-Pick in Minnesota. Deren Frontcourt war damals mit Kevin Love, Michael Beasley, Anthony Randolph oder Nikola Pekovic gut gefüllt. Hätten Sie sich eine andere Situation gewünscht?

Williams: Am Ende des Tages kannst du den Draft nicht kontrollieren: Wenn sie dich wählen, dann wählen sie dich. Ich wusste, dass sie eine Menge Frontcourt-Spieler haben. Ich denke, Minnesota hätte mich nicht an zweiter Position picken sollen. Aber man lernt daraus, man wird besser. Egal in welcher Situation du bist, du versuchst, dich zu beweisen. Selbst wenn es nicht der richtige Ort für dich ist, musst du weiterarbeiten. Für mich war es damals aber ein merkwürdiger Pick.

Derrick Williams spielte fast zweieinhalb Jahre im Trikot der Minnesota Timberwolves.getty

Sie waren bei all Ihren Stationen ein Rollenspieler, für den Durchbruch, den man von einem Nr.2-Pick erwarten könnte, hat es nie gereicht. Lag das an Ihnen und Schwächen in Ihrem Spiel oder an der jeweiligen Situation?

Williams: Es ist eine Mischung aus all diesen Dingen. Die NBA ist nicht leicht. Wenn du eine Möglichkeit bekommst, dann musst du versuchen, sie zu deinem Vorteil zu nutzen. Manchmal sind die Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort und nutzen das aus, manchmal ist es aber einfach nicht die richtige Zeit für dich. Ich denke immer noch, dass es Möglichkeiten gibt, zurückzugehen, und das zu zeigen, was ich kann. Ich sehe es nicht als etwas Schlechtes an, man muss einfach weiterarbeiten, um das zu bekommen, was man möchte.

Was hätten Sie anders machen können? Gibt es etwas, das Sie im Rückblick auf Ihre NBA-Karriere ärgert?

Williams: Alles passiert aus einem Grund. Es geht nur um Möglichkeiten und darum, diese für sich zu nutzen. Das ist das Beste, was man tun kann. Aber es passieren auch Verletzungen und all solche Dinge. Man darf sich nicht mit Gedanken aufhalten, was in der Vergangenheit passiert ist oder was ich hätte anders machen sollen.

Williams über seinen Wechsel zum FC Bayern Basketball

Nach einigen Höhen und noch mehr Tiefen in der NBA: Geht da irgendwann auch der Spaß am Basketball verloren? Was hat sie dazu bewogen, nicht alles an die Wand zu schmeißen, sondern neue Wege zu gehen?

Williams: Basketball ist in erster Linie ein Sport und macht Spaß. Aber manchmal, vor allem in der NBA, kann es zu einem Geschäft werden. Manchmal hat es sich für mich genau danach angefühlt und nicht nach einem Spiel. Du willst dir aber niemals, von wem auch immer oder was auch passiert, den Spaß nehmen lassen. Je mehr Einsatz du zeigst, desto spaßiger ist es. Deshalb spiele ich mit einer gewissen Leidenschaft. Wenn ich das mache, dann macht es auch Spaß.

Die Karrierestatistiken von Derrick Williams

LigaSpieleMinutenPunkteReboundsAssistsFG%
NBA42820,78,940,743,4
CBA1530,1206,61,450,5
BBL292112,13,41,157,5

Ende 2017 ging es für Sie für mehrere Monate nach China. Hat dieser Schritt dabei geholfen, den Spaß am Basketball wiederzufinden?

Williams: Ich wollte einfach spielen. Das war der Hauptgrund, ähnlich wie hier in München. Ich bin aber erst recht spät nach China gegangen, ich habe also keine komplette Basketball-Saison in dem Jahr gespielt. Deshalb wollte ich hierher kommen. Ich wollte eine komplette Saison absolvieren und nicht drei vier Monate warten, dann in China spielen, zurückkommen und wieder Free Agent sein.

Warum fiel die Wahl ausgerechnet auf München?

Williams: Mir ging es um die Möglichkeit zu zeigen, was ich kann, womit ich einem Team helfen kann. An diesem Punkt in meiner Karriere suche ich vor allem nach mehr Chancen. Diese Chance wird sich dann in das verwandeln, was du eigentlich möchtest. Das ist der Grund, warum ich hergekommen bin: Um mein Talent zu zeigen und diesem Team helfen, auch in der Euroleague.

Derrick Williams spricht über Rückkehr in die NBA

Hat ihnen die Erfahrung in Asien geholfen, sich in München schneller an die neue Umgebung zu gewöhnen?

Williams: Es hat vor allem dabei geholfen, aus meiner Komfortzone zu kommen. China ist sehr weit weg von meiner Heimat, genau wie München. Aber das habe ich gebraucht. Das war das Beste, was mir in den vergangenen eineinhalb Jahren passiert ist - einfach aus meiner Komfortzone zu kommen. Wenn du das machst, dann kannst du jede Herausforderung annehmen. Du bist auf alles vorbereitet.

Sie haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass Sie irgendwann gerne in die NBA zurückkehren möchten. Glauben Sie, dass Sie mit Ihren Auftritten im Bayern-Trikot Werbung für sich gemacht haben? Haben Sie eventuell bereits von Teams gehört, die Sie in Europa beobachtet haben?

Williams: Mit meinem Schritt nach München wollte ich mir neue Optionen erarbeiten. Ich wollte wieder auswählen können, was ich mache. Wenn es eine Möglichkeit in der NBA gibt, dann ist das großartig. Ich wollte nicht einfach in eine Entscheidung gezwungen werden, so war das in sechs von meinen acht Jahren (als Basketball-Profi, Anm. d. Red.). Jetzt freue ich mich erst einmal auf den letzten Monat der Saison. Wir brauchen noch vier Siege, das alles bedeutet nichts, wenn wir den Meistertitel nicht gewinnen. Das ist für jeden hier in der Kabine das gemeinsame Ziel.

Ist für Sie auch ein Verbleib in München eine Option?

Williams: Ja, natürlich. Hier zu sein, hat meiner Karriere geholfen. Was auch immer ich in der nächsten Saison mache, München war eine gute Station, die mir geholfen hat, auf den richtigen Weg zurückzukehren. Wenn ich nächste Saison bleibe, dann würde das für mich auch der richtige Weg sein. Es wäre keine schlechte Sache, wenn ich die NBA oder ein anderes Angebot ablehne, um hier zu bleiben. Es war eine gute Saison.