Der SV Werder Bremen steckt in der tiefsten Krise seit Jahren. Das Team von der Weser steht nach einer katastrophalen Hinrunde an einem Wendepunkt. Schafft man früh genug die Kurve oder bleibt man bis zum Ende auf Tuchfühlung mit den Abstiegsplätzen? Vielleicht droht sogar schlimmeres? Eine Bestandsaufnahme.

Seit 1999 leiten Thomas Schaaf und Klaus Allofs die Geschicke an der Weser. Werder Bremen war immer der bodenständige Verein, konstant im internationalen Geschäft vertreten und begeisterte viele Spielzeiten mit schönem, offensiven Fußball. In dieser Saison scheint alles anders: Platz 14 in der Bundesliga, das frühzeitige Aus im internationalen Geschäft sowie im DFB-Pokal und ein Trainingslager, das Grund zu weiterer Besorgnis gibt.

Die letzten beiden Testspiele sorgten bei Fans und Verantwortlichen der Grün-Weißen für schockierte Gesichter. Man verlor 1:4 gegen den Zweitligisten aus Duisburg und musste sich gegen eine B-Mannschaft des Elften der türkischen SüperLig, Eskisehirspor, mit 1:3 geschlagen geben.

Doch vielmehr als die Ergebnisse, bereitet die Lustlosigkeit der Mannschaft Angst. Das gesamte Team scheint nicht nur durch die schlechte Hinrunde verunsichert, es herrscht völlige Ratlosigkeit bei Spielern, Trainerstab und im Management. Kann man diese Mannschaft reanimieren? Es scheint, dass die Spieler keine Vorgabe umsetzen können. Wie will man die scheinbar guten Ansätze im Training, wie Schaaf bemerkt, für die entscheidenden Spiele übernehmen? Momentan ist das Werder-Getriebe blockiert. Aber da klemmt nicht nur ein kleiner Stock, der entfernt werden muss.

Die Reaktion von Trainer Thomas Schaaf auf die letzte Testspiel-Niederlage spiegelt die prekäre Situation in Bremen wider. Gegenüber dem Weser Kurier gab er an: "Wir haben in diesen Tagen intensiv gearbeitet, gut gearbeitet und effektiv gearbeitet. Deshalb passt die Partie da überhaupt nicht rein. Wir können das so nicht akzeptieren." Doch die Mannschaft zeigte bei der 1:3-Niederlage gegen Eskisehirspor lediglich mangelhaftes Zweikampfverhalten, Passivität und jede Menge individuelle Fehler.

Die Probleme findet man an allen Ecken und Enden. Mit 23 Treffern hat Werder den drittschwächsten Sturm. Selbst Schlusslicht Gladbach erzielte drei Treffer mehr. Dazu gab man im Winter mit Hugo Almeida seinen bisher erfolgreichsten Stürmer (neun Treffer) ab. Als momentan einziger Winterneuzugang steht der 22-jährige schwedische Angreifer Denni Avdic auf der Liste. Trotz seiner beachtlichen Torquote in der schwedischen Liga (37 Spiele, 22 Tore) bleibt mehr als fraglich, ob er auch direkt in Deutschland Fuß fassen kann. Zumal er in eine alles andere als intakte Mannschaft integriert werden und laut Thomas Schaaf körperlich noch aufholen muss. Und Klaus Allofs relativierte den Transfer bereits etwas: "Es wäre ein Wunder, wenn er Hugo auf Anhieb 1:1 ersetzen würde. Das ist nicht zu erwarten", sagte er in der BILD-Zeitung.

Nicht nur der Sturm schwächelt: Bremens Abwehr zeigte eine desolate Vorstellung in der Hinrunde. 35 kassierte Treffer bedeuten die zweitmeisten Gegentore zusammen mit dem VfB Stuttgart. Zu Beginn der Saison wurde der vereinslose Mikaël Silvestre für die linke Abwehrseite geholt. Bisher ein totaler Fehlgriff. Auch wenn er ohne richtige Vorbereitung zum SVW wechselte. Zudem fällt Hoffnungsträger Naldo bis zum Ende der Saison aus.

Die größte Baustelle liegt mal wieder in der Abwehr. Doch hier hat sich Bremen bisher noch nicht verstärkt. Das Thema Behrang Safari scheint auch erledigt zu sein. Werden die Grün-Weißen noch nachlegen? Eigentlich unabdingbar, wenn man die katastrophale Leistung der Verteidigung in der Hinrunde gesehen hat. Ein kleiner Hoffnungsschimmer ist die Rückkehr von Wesley. Er könnte der Defensive zusammen mit Kapitän Torsten Frings mehr Stabilität geben. Doch wann der Brasilianer wieder ins Spielgeschehen eingreifen kann ist ungewiss.

Sportdirektor Klaus Allofs bringt es auf den Punkt: "Wenn wir so spielen, dann wird es schwer, überhaupt Spiele zu gewinnen." Wo bleibt also der Lichtblick? Spielerisch besitzt Bremen zweifelsohne das Potential aus dieser Krise wie ein Phönix aus der Asche zu steigen. Doch dafür müssen alle Spieler an einem Strang ziehen. Müssen mit Einsatz und Willen alles für den Verein geben. Die Achse Wiese, Mertesacker, Frings und Pizarro muss fit bleiben und das Team führen.

Dieses Gemeinschaftsgefühl scheint derzeit in weiter Ferne zu sein. Der ehemalige türkische Nationalspieler Volkan Yaman, Spieler von Eskisehirspor, attestierte den Bremern weder Teamgeist noch Aggressivität. Genau die Attribute, die man im Abstiegskampf benötigt. Und in diesem steckt der SV Werder Bremen ein für allemal.

Fußball ist bekanntlich vor allem eines: Kopfsache. Bremen muss durch Siege Selbstvertrauen tanken und begreifen, dass man nur zusammen als Mannschaft aus dem Bundesligakeller herauskommt. Die Tugenden Zusammenhalt, Kampf und Einsatz müssen jetzt zu Tage kommen. Thomas Schaaf sah als einzige Erklärung für das desolate Auftreten im letzten Testspiel, dass sich keiner der Spieler mehr vor dem Rückrundenstart verletzen wollte. Diese Ausrede zählt ab Sonntag nicht mehr, wenn Bremen gegen Hoffenheim startet.

Viel wird sich im Aufgebot der Bremer Mannschaft definitiv nicht mehr bis zum Auftakt der Rückrunde ändern. Deswegen sollen und müssen die Spieler, die bei Werder momentan im Kader stehen, den Karren jetzt aus dem Dreck ziehen. Eine Frage der Ehre und eigenen Courage? Denn das Fußballspielen werden Hunt, Marin und Co. nicht verlernt haben. Bremen wird mit dieser Mannschaft vermutlich nicht absteigen oder dem Abstieg zumindest knapp entkommen. Doch nach dieser Saison muss sich einiges ändern. Und diesen Änderungen kann sich auch die Bremer Koryphäe Thomas Schaaf eventuell nicht entziehen.