Die Überschrift hätte auch lauten können: Darum bin ich FC St. Pauli-Fan. Oder auch: Wenn ich heute Fußball-Fan werden würde, ich wäre wieder FC St. Pauli-Fan.

Warum wurde ich es? Warum nicht HSV? Seit der WM 1982 war ich vom Fußball fasziniert. Weil mein Fußball-uninteressierter Vater mir eine Freude machen wollte, gingen wir zusammen zu einem Bundesligaspiel. Natürlich zum HSV, denn das war ja der Bundesligaverein in der Nähe. Im alten Volksparkstadion gab es noch Karten für die Gästekurve(Ostkurve) und so standen wir dort. Insgesamt eine friedliche Stimmung, wären da nicht ein paar Hundert kahlrasierte Neonazis auf der Südtribüne gewesen, die nur durch massiven Knüppeleinsatz der Polizei am "Entern" der Ostkurve gehindert werden konnten. Ich war 9 Jahre alt und war schockiert. In meinem wohlbehüteten Elternhaus und seiner Umgebung in einer Schleswig-Holsteinischen Kleinstadt kam Gewalt in dieser Form nicht vor. Mein zweites Spiel ein paar Monate später im Volkspark war nicht besser, auf den Zuschauerrängen herrschte eine gewalttätige Stimmung, die für mich kleinen "Schietbüddel" nicht geeignet war. Danach fand ich dann Bayern gut, aber auch nicht so richtig und Fußball sah ich nur Verbandsliga. Als ich dann das erste Mal 1988 mit Bekannten wieder ein Bundesliga-Stadion betrat, war es das Millerntor. Ich merkte gleich, hier war die Stimmung anders. Nicht so gewalttätig. St. Pauli spielte gegen Bayer Leverkusen, ging sehr schnell mit 1:0 in Führung. Von den Rängen gab es Rufe, der St. Pauli-Keeper möge auf Zeit spielen (in der 20. Minute!), dem sich aufwärmenden Verteidiger wurde empfohlen, den Linienrichter umzugrätschen und die Leverkusener Ersatzspielern, die mit etwas mulmigem Gefühl sich direkt vor den St. Pauli-Fans aufwärmen sollten, hatten bald ein Grinsen im Gesicht, als die ganze Kurve sag: "Auswechselspieler! Ihr seid nur Auswechselspieler! …" Seit diesem Tag war ich St. Pauli-Fan.

Heute herrscht im Stadion an der Müllverbrennungsanlage (oder wie die Arena gerade auch immer heißt) keine gewalttätige Stimmung mehr. Man kann ohne Sorge 10-Jährige dort mit hinnehmen. Aber es gibt immer noch viele Unterschiede, die mich auch heute zum FC St. Pauli und nicht zum HSV drängen. Da ist immer noch die politische Komponente. Soziale Verantwortung wird bei St. Pauli größer geschrieben, alleine wegen der Verankerung im Stadtteil. Im Stadion wird gerade der Kindergarten fertiggestellt, der in der Kurve zwischen Haupt- und Südtribüne seine Heimat hat. Ex-Profi Benjamin Adrion (Sohn des U21-Bundestrainers) hat ein Trinkwasserprojekt für (hauptsächlich) Afrika, das vom Verein unterstützt wird und für das er das Bundesverdienstkreuz bekommen hat. St. Pauli war der erste Verein, bei dem laut Stadionordnung rassistische oder andere diskriminierende Äußerungen mit dem Rausschmiss belegt werden.

Zudem ist die Verzahnung von Fans und Mannschaft besser. Beim HSV gibt es fast keinen Profi, der aus Norddeutschland kommt (aus HH, S-H, M-V, Nieders., HB). Bei St. Pauli trifft das auf etwa die Hälfte des Kaders zu. Die Fans pfeifen die Mannschaft nicht aus, Flaschenwürfe wie von Gurerro sind undenkbar und hätten den sofortigen Rauswurf des Spielers zur Folge.
Auch wenn St. Pauli die Vermarktung perfektioniert: Es gibt gewisse Grenzen. Der Stadionname wechselt nicht so häufig wie der Trainer, er wird gar nicht verkauft. Auch das Eckballverhältnis wird bestimmt von keinem Sponsor präsentiert und sonstige Albernheiten wie das Verlesen von Werbung findet kaum statt. Einen Sponsor, der dem Verein die Einkaufspolitik diktieren möchte, wird es auf St. Pauli auch nie geben.

Dafür wird der FC St. Pauli auch nie Deutscher Meister.
Aber das ist auch nicht schlimm, das ist es wert!