Nachdem die Pressingmaschine Borussia Dortmund am ersten Spieltag der Bundesligasaison 14/15 von bärenstarken Leverkusenern mit ihren eigenen Mitteln geschlagen wurde, hatte Fussballtrainer und Medienspezialist Jürgen Klopp den gewohnten medialen Spießroutenlauf vor sich. Im ZDF Sportstudio meisterte er diesen zunächst relativ souverän, bis die Personalie Reus zur Sprache kam. Nach einer zuversichtlichen Äußerung über Reus' langfristigen Verbleib beim BVB konnte er sich dennoch folgende Bemerkung nicht verklemmen.
"Dann bin ich mal gespannt, wie ich damit die Diskussion befeuere."
Es scheint zunächst, als wenn es sich dabei nur um einen lapidaren Nebensatz handelt, jedoch sagt Klopp dies ganz bewusst und mit klarer Intention. Er deutet damit ein Verhältnis an, das nicht erst seit kurzem massiven Strapazen ausgesetzt ist und seine negativen Höhepunkte z.B. hier gefunden hat. Sportler, Trainer und Verantwortliche sehen sich von den Medien hintergegangen. Jede noch so differenzierte Äußerung wird in reißerische Headlines verarbeitet und - man traut es sich kaum, diese Unterstellung wirklich zu machen - absichtlich in den falschen Kontext gesetzt. Teilweise werden reißerische Überschriften im Rahmen der nachfolgenden Berichte relativiert, teilweise werden schlichtweg Falschaussagen getätigt. Weitere Beispiele gefällig?
Frank Wortmuth im WM-Taktik-Interview gegenüber SPOX: "Wenn ich jetzt darauf antworte, dann habe ich morgen in irgendeiner anderen Website wieder Pep Guardiola kritisiert oder noch besser, ihm vorgeschlagen, wie er spielen soll."
Mario Götze im Focus-Interview: "Ich will nicht verschweigen, dass ich in der Vergangenheit ungute Erfahrungen mit einigen Journalisten und der Berichterstattung über mich gemacht habe.
Die Frage ist: Inwieweit sind die Sportler vielleicht auch selbst schuld? Nun, in Anbetracht des einheitlichen Grundtenors der Protagonisten, die sich weitgehend missverstanden, falsch dargestellt und ungerecht behandelt fühlen, tendiert man dazu den Zeigefinger in Richtung Journalisten zu heben. Der Berufethos des sauberen Journalismus scheint in einer Zeit, in der Journalismus eher eine Freizeitaktivität denn ein Beruf ist, etwas in Vergessenheit geraten zu sein. Und warum machen die bösen Medien das? Weil wir, der Konsument, das anscheinend so wollen und derartige Berichterstattung mit hohen Klickzahlen belohnen. Das Angebot bestimmt auch heute noch die Nachfrage. Im Ergebnis duellieren sich immer häufiger die Medienprofis der Vereine mit den Medienprofis der Medien. Der Vereinsprotagonist A äußert sich verschwommen, unklar und unpräzise zu allen möglichen Sachverhalten, damit ihn der Medienprotagonist B auf keiner Aussage festnageln und auf ewig konfrontieren kann. Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl - der ein oder andere mag ihn schon mal gehört haben - entschied sich in den 90ern aus ähnlichen Beweggründen mal dazu, mit bestimmten Journalisten über Jahre gar keine Interviews mehr zu führen. Ist das auch die Zukunft der Sportberichterstattung?
Die Auswüchse einer florierenden Mediengesellschaft haben auch den Sport in vollem Ausmaß erreicht. Zu welchem Preis? Jeder Spieler überlegt sich drei bis vier Mal, was er in einem Interview sagt oder gibt im Extremfall gar keine Interviews mehr. Insbesondere Letzteres werden wir in Zukunft wohl häufiger erleben. Wollen wir das? Wollen wir in eine völlig nivellierte Sportberichterstattung abdriften? Wollen wir endgültig von jedem Spieler, Trainer und Funktionär das gleiche Geschwafel hören?
Die Unterschiede zwischen sogenanntem Qualitätsjournalismus und der Zeitung mit den vier Buchstaben sind mittlerweile erstaunlich marginal. Es ist mir schon klar, dass es beim Geschäft mit den Medien letztlich auch nur um Geld geht und Medien den Weg gehen, der ihnen wirtschaftlich am sinnvollsten erscheint. Und wenn der leider reißerischer Journalismus heißt, dann bleibt als einziger Einflussfaktor, der dieser inflationären Entwicklung entschieden entgegen steuern kann, eigentlich nur eine Partei übrig: wir. Ich, du, er und sie. Der Konsument.