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10.07.2010 um 11:05 Uhr
Die größten WM-Überraschungen -5
Chile 1962 – der gemeine Fußballfan denkt an die Titelverteidigung der Brasilianer. Wer ein bisschen mehr erfahren will, sollte jetzt dranbleiben, denn das wird nicht mein Hauptthema sein (Hier gibts Teil 1, , Teil 2, Teil 3 und Teil 4).

Leider markiert die WM 1962 den Wendepunkt in der Spielweise des Fußballs. Der Catenaccio hält Einzug in die Spielsysteme der guten Mannschaften. Es gab lediglich einen Toreschnitt von 2,78 Treffern pro Partie. Bei den 6 Turnieren vorher gab es einen Gesamtschnitt von über 4 Toren pro Spiel. Und seit 1962 wurde in keinem Turnier mehr die 3-Tore-pro-Spiel Marke erreicht. Für Taktiker also ein Augenschmaus, für den Toreliebhaber ein wahrer Graus!
Sportlich gesehen barg Chile wenig Gutes. Die WM wird als spielerisch schlechteste überhaupt gesehen. Gleichzeitig gilt sie als brutalste aller Zeiten.
Die größte Überraschung des Turniers: Möglicherweise das frühe und deutliche Ausscheiden Spaniens als letzter der Vorrundengruppe C mit der Tschechoslowakei (0:1), Mexiko (1:0) und Brasilien (1:2). Die Spanier hatten sich sicher gegen Wales durchgesetzt und auch im Play-Off gegen Marokko beide Spiele für sich entschieden. Der Kader war gespickt mit damaligen Weltstars wie den eingebürgerten Ferenc Puskás und Alfredo Di Stéfano. Aber auch der Rest des Kaders hatte viel Qualität. Luis Suárez galt als bester Mittelfeldspieler zu dieser Zeit. Im Sommer 1961 wechselte er für die damalige Rekordablösesumme von 250 Millionen Lire vom FC Barcelona zu Inter Mailand. Er begründete die erfolgreichste Zeit Inters mit zwei Landesmeister-Erfolgen in Serie und der Europameistertitel Spaniens von 1964 kam auch nicht von ungefähr. Als Deutschlandfan im Jahre 2010 hätte man sich ein Ausscheiden Spaniens in der Vorrunde auch irgendwie wünschen können…
Das Skandalspiel des Turniers (die "Schlacht von Santiago") ist vielleicht bereits einigen bekannt. Hier sei jedoch noch einmal darauf verwiesen. Es fand in der deutschen Gruppe, glücklicherweise jedoch ohne deutsche Beteiligung statt. Italien spielte gegen Gastgeber Chile. Es wurde zum brutalsten Spiel der WM-Geschichte. Bereits im Vorfeld der WM hatten italienische Reporter die reibungslose Austragung des Turniers stark angezweifelt, denn das große Erdbeben von 1960 in Chile hinterließ Schwächen in der Infrastruktur. Insgesamt musst die Polizei viermal während des Spiels auf dem Platz eingreifen, denn es drohten Massenschlägereinen zwischen den Spielern. Insgesamt wurden nur zwei Spieler des Feldes verwiesen, jedoch hätte das Spiel nach der ersten Roten Karte in der 12. Minute bereits abgebrochen werden sollen.

Giorgio wird nach dem Platzverweis in Min. 12 von Polizisten vom Feld geführt

Einem Italiener wurde mit der Faust ins Gesicht geschlagen und die Nase gebrochen, ein Chilene wurde gegen den Kopf getreten… Chile gewann am Ende 2:0. Der englische Reporter kündigte den Spielbericht in der BBC später mit den Worten an: "the most stupid, appalling, disgusting and disgraceful exhibition of football, possibly in the history of the game".

Der Schiedsrichter war zu bedauern


Was sonst noch zu sagen wäre:
Deutschland traf zum dritten Mal in Folge nach 1954 und 1958 im Viertelfinale auf Jugoslawien. Leider waren nicht alle guten Dinge Drei, denn Deutschland verlor mit 0:1 durch ein Tor in der 86. Minute von Radakovic.
Außerdem bedauerte Herberger, den 41-jährigen Fritz Walter nicht mit zur WM genommen zu haben. Walter hatte seine Nationalmannschaftskarriere nach der Halbfinalniederlage 1958 in Schweden und seine Vereinskarriere beim FCK bereits 1959 beendet. Trotzdem flehte Herberger ihn vor der WM in einem Brief an: "Fritz, Sie können mich doch nicht im Stich lassen". Walter lehnte ab, so baute Herberger als Kapitän auf seinen letzten verbliebenen des Geists von Spiez, Hans Schäfer. Der 35-jährige war jedoch außer Form und auch deshalb ergaben sich Spannungen im Team. Tilkowski, Haller, Brülls, Szymaniak und Herrmann wollten nach der WM 1962 nicht mehr unter Herberger spielen und gaben ihr Comeback erst 1964 unter dem neuen Trainer Helmut Schön.
Kurioses:
Bei der WM 1962 hatten die brasilianischen Funktionäre wirklich an alles gedacht. Von einem Freudenhaus im Spielort Vina del Mar ließ sich der Mannschaftsarzt schriftlich geben, dass die Mädchen gesundheitlich unbedenklich seien.
Am Morgen des Halbfinales gegen Gastgeber Chile schickte der brasilianische Nationaltrainer Aymore Moreira seine Mitarbeiter los, um Brot, Salami und Käse für die Spieler einzukaufen. Er hatte Angst, die chilenischen Hotelangestellten könnten ihnen etwas ins Essen tun!
Nachdem Garrincha wiederholt gefoult worden war, wurde er in der Partie gegen Chile in der 83. Minute vom Platz gestellt. Normalerweise wäre er danach für das Finale gesperrt gewesen. Aufgrund der Umstände, unter denen der Platzverweis zustande gekommen war, wurde der 29-Jährige jedoch von der FIFA von dieser Auflage befreit und durfte im Endspiel dabei sein. Er spielte gut und trug so zum 3:1-Sieg der Brasilianer bei.
Brasilien setzte auf dem Weg zum Titelgewinn nur zwölf Spieler ein. Der verletzte Pele wurde ab dem dritten Spiel durch Amarildo ersetzt. Es war gleichzeitig der älteste Kader, der jemals Weltmeister wurde.
Im Viertelfinale gegen Brasilien fing der englische Spieler Jimmy Greaves einen auf den Platz laufenden Hund ein, der ihm prompt auf das Nationaltrikot pinkelte. Dies amüsierte Gegenspieler Garrincha derart, dass er den Hund als sein Haustier aufnahm.
Nachdem Lev Yashin einen chilenischen Gegentreffer kassiert hatte, umarmte ihn völlig unerwartet Torschütze Eladio Rojas, der völlig aus dem Häuschen war, die sowjetische Torwartlegende überwunden zu haben.
Die Kolumbianer lagen 25 Minuten vor Spielende mit 1:4 gegen die UdSSR zurück, bevor Marcos Coll mit einer direkt verwandelten Ecke Kolumbien noch zum letztlichen 4:4-Unentschieden beitrug.


Vava trifft jetzt gerade den Pfosten…im Finale gegen die Tschechoslowakei.
Aufrufe: 4482 | Kommentare: 1 | Bewertungen: 2 | Erstellt:10.07.2010
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KOMMENTARE
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eshkeeya
MODERATOR
11.07.2010 | 16:45 Uhr
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eshkeeya : 
11.07.2010 | 16:45 Uhr
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eshkeeya : 
Schöner Blog, Kompliment!

Die Schlacht von Santiago war krass. Ich habe glaube ich noch kein anderes Spiel mit soviel Eskalationen (Kungfu-Kicks, Faustschläge, Nachtreten, volles Programm) gesehen.

Hier ist eine Zusammenfassung mit englischem Originalkommentar in der man auch die von dir angesprochene Ansage des Briten sieht, der zieht den Jungs mal eben schön die Ohren lang
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