20.06.2010 um 15:54 Uhr
Die größten WM-Überraschungen -4
An die Weltmeister kann sich jeder erinnern, aber die Verlierer und Kuriositäten sind seltener im Gedächtnis hängen geblieben. Ich möchte dies ändern, deshalb folgt Teil 4 mit der WM 1958 (Hier gibts Teil 1, , Teil 2 und Teil 3).
Die WM 1958 hatte bereits eine große Überraschung zu verzeichnen, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. Der damals zusammen mit Uruguay amtierende Rekordweltmeister Italien scheiterte in der Qualifikation am damals wie heute unbedeutendem Nordirland. Diese Dreiergruppe mit Italien, Portugal und den eben siegreichen Nordiren ließ den heutigen viermaligen Titelträger das bisher einzige Mal in der Qualifikation scheitern!
Ebenfalls bis zum heutigen Tag ein Novum ist, dass alle vier Verbände Großbritanniens bei einer WM qualifiziert waren. England, Schottland, Nordirland und Wales konnten sich sportlich qualifizieren, wobei Wales nur durch politische Umstände eine zweite Quali-Chance erhielt. Offiziell nahm Wales als Vertreter Asien und Afrikas am Turnier teil (!!!) weil Israel während der Qualifikationsspiele keinen Gegner bekam. Alle muslimischen Länder weigerten sich, gegen Israel anzutreten, somit wurde ein Gruppenzweiter Europas zugelost, damit Israel nicht ohne sportliche Qualifikation zur WM nach Schweden fahren durfte. Wales setzte sich mit 4:0 nach Hin- und Rückspiel durch und war somit qualifiziert.
Garrincha gaga?
Vor der WM 1958 wurden die brasilianischen Auswahlspieler auf Herz und Nieren geprüft. Ergebnis: 33 Kickern wurde ein geradezu elendiger Gesundheitszustand attestiert. Die meisten litten an Unterernährung, Blutarmut, Würmern und Zahnproblemen. Mental stufte der Soziologe Joao Carvalhaes Pelé als "infantil" ein, also auf dem geistigen Level eines Kindes und Garrincha als "debil" ein, also als geistig minderbemittelt - und riet von deren WM-Teilnahme ab!
Garrincha und Pele
Das Turnier selbst hielt mit dem Abschneiden Schwedens die größte Überraschung parat. Zwar hatte Schweden während dieser Zeit durchaus einige talentierte und sogar europaweit bekannte Spieler wie Kurt Hamrin oder Gunnar Gren, der mit seinen Landsleuten Gunnar Nordahl und Nils Liedholm beim AC Mailand für Furore sorgte, vergleichbar mit van Basten, Rijkaard und Gullit in den 80er und 90er Jahren. Jedoch hat der schwedische Verband es strikt abgelehnt, Profispieler in die Nationalmannschaft zu berufen, deshalb wurde die Qualifikation zur WM 1954 sowie zu Olympia 1956 nicht geschafft. Vor der WM 1958 überraschte der schwedische Verband mit der Berufung von fünf Legionären ins Team. Damit wurde das schwedische Team numerisch vom Außenseiter zum Geheimtipp, jedoch waren die Spielweisen der allesamt italienischen Legionäre und Amateur-Spieler aus Schweden doch sehr unterschiedlich, so dass mit größeren Abstimmungsschwierigkeiten gerechnet wurde.
Die Vorrundengruppe 3 mit Mexiko (3:0), Ungarn (2:1) und Wales (0:0) wurde jedoch souverän gewonnen und alle Zweifler ruhig gestellt. Spätestens jetzt stellte sich das ganze Volk hinter ihr Team, obwohl Legionäre zu damaliger Zeit als extrem geldgierig und als Synonym für Käuflichkeit und charakterlichen Verfall galten (Sepp Herberger verzichtete zum Beispiel auf Legionäre wie den legendären Bert Trautmann von ManCity).
Das Viertelfinale gegen die Sowjetunion wurde sicher mit 2:0 gewonnen, auch weil diese keine 48 Stunden Regenerationszeit hatten, da ein Entscheidungsspiel um Platz 2 in ihrer Gruppe gegen England (1:0) herhalten musste.
Im Halbfinale gab es die "Schlacht von Göteborg" gegen Deutschland, die hinterher vor allem in Deutschland zum Politikum wurde. Schwedische Touristen wurden angefeindet, schwedische Gerichte von den Speisekarten genommen. Der damalige DFB-Präsident Peco Bauwens sprach von "Volksverhetzung" und beteuerte "Nie mehr werden wir dieses Land betreten, nie mehr werden wir gegen Schweden spielen!". Trotz allem war das 3:1 der Schweden gegen die BRD nicht unverdient.
Im Finale war Brasilien jedoch ein bis zwei Nummern zu groß und man verlor klar und deutlich mit 2:5. Der zweifache Torschütze Pelé war gerade 17 Jahre alt (geb. am 23.10.1940). Sein Gegenüber Gunnar Gren debütierte am 29.8.1940 in der schwedischen Nationalmannschaft.
Gunnar Gren (links), Gunnar Nordahl (mitte) und Nils Liedholm (rechts), genannt Gre-No-Li
Was sonst noch erwähnenswert wäre:
Mexiko hat seine, bis heute noch gültige, längste Niederlagenserie beendet. Das 1:1 in der Vorrunde gegen Wales war das erste Unentschieden nach 9 Niederlagen seit 1930. Trotzdem schied Mexiko sang- und klanglos aus, es blieb der einzige Punkt in der Gruppe.
Brasilien startete seine bis zur WM 1966 dauernde Serie von 13 Spielen ohne Niederlage, ein bis heute gültiger Rekord.
Just Fontaine, Sohn marokkanischer Einwanderer, erzielte für Frankreich in jedem seiner WM-Spiele mindestens einen Treffer, und traf insgesamt 13x in sechs Spielen. Dieser Rekord wird wohl ewig Bestand haben.
Es gab das erste 0:0 der WM-Geschichte zwischen Brasilien und England, was gleichzeitig die Rekord-Serie von Brasilien mit mindestens einem Tor pro Spiel in 18 Spielen seit 1930 beendete.
Schweden ist bis heute das einzige europäische Team, das bei der Heim-WM den Vize-Titel errang (Hier ist Teil 5).
Die WM 1958 hatte bereits eine große Überraschung zu verzeichnen, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. Der damals zusammen mit Uruguay amtierende Rekordweltmeister Italien scheiterte in der Qualifikation am damals wie heute unbedeutendem Nordirland. Diese Dreiergruppe mit Italien, Portugal und den eben siegreichen Nordiren ließ den heutigen viermaligen Titelträger das bisher einzige Mal in der Qualifikation scheitern!
Ebenfalls bis zum heutigen Tag ein Novum ist, dass alle vier Verbände Großbritanniens bei einer WM qualifiziert waren. England, Schottland, Nordirland und Wales konnten sich sportlich qualifizieren, wobei Wales nur durch politische Umstände eine zweite Quali-Chance erhielt. Offiziell nahm Wales als Vertreter Asien und Afrikas am Turnier teil (!!!) weil Israel während der Qualifikationsspiele keinen Gegner bekam. Alle muslimischen Länder weigerten sich, gegen Israel anzutreten, somit wurde ein Gruppenzweiter Europas zugelost, damit Israel nicht ohne sportliche Qualifikation zur WM nach Schweden fahren durfte. Wales setzte sich mit 4:0 nach Hin- und Rückspiel durch und war somit qualifiziert.
Garrincha gaga?
Vor der WM 1958 wurden die brasilianischen Auswahlspieler auf Herz und Nieren geprüft. Ergebnis: 33 Kickern wurde ein geradezu elendiger Gesundheitszustand attestiert. Die meisten litten an Unterernährung, Blutarmut, Würmern und Zahnproblemen. Mental stufte der Soziologe Joao Carvalhaes Pelé als "infantil" ein, also auf dem geistigen Level eines Kindes und Garrincha als "debil" ein, also als geistig minderbemittelt - und riet von deren WM-Teilnahme ab!
Garrincha und Pele
Das Turnier selbst hielt mit dem Abschneiden Schwedens die größte Überraschung parat. Zwar hatte Schweden während dieser Zeit durchaus einige talentierte und sogar europaweit bekannte Spieler wie Kurt Hamrin oder Gunnar Gren, der mit seinen Landsleuten Gunnar Nordahl und Nils Liedholm beim AC Mailand für Furore sorgte, vergleichbar mit van Basten, Rijkaard und Gullit in den 80er und 90er Jahren. Jedoch hat der schwedische Verband es strikt abgelehnt, Profispieler in die Nationalmannschaft zu berufen, deshalb wurde die Qualifikation zur WM 1954 sowie zu Olympia 1956 nicht geschafft. Vor der WM 1958 überraschte der schwedische Verband mit der Berufung von fünf Legionären ins Team. Damit wurde das schwedische Team numerisch vom Außenseiter zum Geheimtipp, jedoch waren die Spielweisen der allesamt italienischen Legionäre und Amateur-Spieler aus Schweden doch sehr unterschiedlich, so dass mit größeren Abstimmungsschwierigkeiten gerechnet wurde.
Die Vorrundengruppe 3 mit Mexiko (3:0), Ungarn (2:1) und Wales (0:0) wurde jedoch souverän gewonnen und alle Zweifler ruhig gestellt. Spätestens jetzt stellte sich das ganze Volk hinter ihr Team, obwohl Legionäre zu damaliger Zeit als extrem geldgierig und als Synonym für Käuflichkeit und charakterlichen Verfall galten (Sepp Herberger verzichtete zum Beispiel auf Legionäre wie den legendären Bert Trautmann von ManCity).
Das Viertelfinale gegen die Sowjetunion wurde sicher mit 2:0 gewonnen, auch weil diese keine 48 Stunden Regenerationszeit hatten, da ein Entscheidungsspiel um Platz 2 in ihrer Gruppe gegen England (1:0) herhalten musste.
Im Halbfinale gab es die "Schlacht von Göteborg" gegen Deutschland, die hinterher vor allem in Deutschland zum Politikum wurde. Schwedische Touristen wurden angefeindet, schwedische Gerichte von den Speisekarten genommen. Der damalige DFB-Präsident Peco Bauwens sprach von "Volksverhetzung" und beteuerte "Nie mehr werden wir dieses Land betreten, nie mehr werden wir gegen Schweden spielen!". Trotz allem war das 3:1 der Schweden gegen die BRD nicht unverdient.
Im Finale war Brasilien jedoch ein bis zwei Nummern zu groß und man verlor klar und deutlich mit 2:5. Der zweifache Torschütze Pelé war gerade 17 Jahre alt (geb. am 23.10.1940). Sein Gegenüber Gunnar Gren debütierte am 29.8.1940 in der schwedischen Nationalmannschaft.
Gunnar Gren (links), Gunnar Nordahl (mitte) und Nils Liedholm (rechts), genannt Gre-No-Li
Was sonst noch erwähnenswert wäre:
Mexiko hat seine, bis heute noch gültige, längste Niederlagenserie beendet. Das 1:1 in der Vorrunde gegen Wales war das erste Unentschieden nach 9 Niederlagen seit 1930. Trotzdem schied Mexiko sang- und klanglos aus, es blieb der einzige Punkt in der Gruppe.
Brasilien startete seine bis zur WM 1966 dauernde Serie von 13 Spielen ohne Niederlage, ein bis heute gültiger Rekord.
Just Fontaine, Sohn marokkanischer Einwanderer, erzielte für Frankreich in jedem seiner WM-Spiele mindestens einen Treffer, und traf insgesamt 13x in sechs Spielen. Dieser Rekord wird wohl ewig Bestand haben.
Es gab das erste 0:0 der WM-Geschichte zwischen Brasilien und England, was gleichzeitig die Rekord-Serie von Brasilien mit mindestens einem Tor pro Spiel in 18 Spielen seit 1930 beendete.
Schweden ist bis heute das einzige europäische Team, das bei der Heim-WM den Vize-Titel errang (Hier ist Teil 5).
Aufrufe: 4332 | Kommentare: 7 | Bewertungen: 10 | Erstellt:20.06.2010
ø 7.0
KOMMENTARE
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21.06.2010 | 19:30 Uhr
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LuckyLuke111 : @Der_Missetäter
danke für den Hinweis! Wollte ich auch schreiben, muss mich da wohl vertan haben. Ist geändert.
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21.06.2010 | 22:40 Uhr
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DorfMaradona : vi
najaich glaub totti adriano ronaldinho ronaldo c. ronaldo tevez podolski usw
sind auch nicht viel schlauer als pele und garrincha
2
22.06.2010 | 02:51 Uhr
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Serres :
klasse blog .
frankreich war das stärkste team der wm .
würde aber von pech verfolgt .
im halbfinale glaube ich verloren die ihren kapitän nach 30 min wegen einer verletztung ( beinbruch ) im spiel bei stande von 1:1 oder 2:2 .
ein sehr hartes faul eines gegenspielers
damals gab es keine gelben oder roten karten .
und spieler ein und auswechseln dürfte man auch nicht .
so verlor frankreich viel von seine stärke und das halbfinale so was von unverdient mit ein mann weniger.
der einzige sieg brasiliens gegen frankreich .
verrückter fußball
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22.06.2010 | 17:17 Uhr
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LuckyLuke111 : @ Serres:
Frankreich war ein starkes Team, Stimmt. Und der Kapitän Robert Jonquet hat sich das Schienbein gebrochen (30 min bei 1:1). Aber es war ein Zusammenprall mit Vava, dem Brasilianischen Star-Stürmer, der nicht gerade für üble Fouls berühmt war. Jonquet stand übrigens das ganze Spiel noch auf dem Feld, zwar ziemlich nutzlos aber er hat durchgezogen.Und Rote Karten gabs schon: z.B. is im anderen Halbfinale 1958 ein Deutscher (Erich Juskowiak) vom Platz geflogen, deshalb auch "Schlacht von Göteborg".
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Jedoch noch eine Korrektur meinerseits: der einzigartige Just Fontaine war marokkanischer, und nicht algerischer Abstammung.
Ansonsten gilt: Daumen rauf, ich erwarte mit Freude den nächsten Teil der Reihe