Bayer Leverkusens Kapitän Simon Rolfes wird im nächsten Sommer seine Karriere als Fußballprofi beenden und sich mit seiner eigenen Firma im Karrieremanagement für Sportler betätigen. Vor dem Spiel bei 1899 Hoffenheim spricht der 32-Jährige im Interview über sein Sportmanagement-Studium, sein Interesse an Börse und Unternehmen sowie Gefahren im Ausgabeverhalten von Fußballern.
SPOX: Herr Rolfes, vor knapp zwei Wochen haben Sie Ihr Karriereende zum Ende der aktuellen Saison öffentlich gemacht. Wie ist die Entscheidung gereift?
Simon Rolfes: Das ging über eine längere Zeit und hat sich einfach entwickelt. Meine grundsätzlichen Vorstellungen für die Zeit nach der aktiven Karriere wurden nach und nach konkreter. Ich habe daraufhin die Firma "Olympia - The Career Company" gegründet, um mich künftig dem Karrieremanagement für Sportler zu widmen. Das zusammen führte letztlich zur Entscheidung, meinen Vertrag auslaufen zu lassen.
SPOX: Wieso war jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, um damit an die Öffentlichkeit zu gehen?
Rolfes: Mir ging es natürlich auch darum, den Verein frühzeitig zu informieren. Ich wollte nicht, dass dieses Thema den Rest der Saison mitläuft und ich ständig danach gefragt werde. So haben nun alle Beteiligten Planungssicherheit und wissen, was Sache ist.
SPOX: Wieso sind Sie nicht der Typ, der am Ende seiner Karriere noch ein, zwei Jährchen im Ausland dranhängt?
Rolfes: Mein Anspruch war immer, auf höchstem Niveau zu spielen. Das ist in Leverkusen weiterhin möglich, ich bin ja auch noch leistungsfähig (lacht). Noch ein Jahr in einer schwächeren Liga zu spielen, das ist nicht mein Ding. Das war auch von familiärer Seite her nie ein Thema.
SPOX: Werden Sie ab Juli zumindest eine kleine Auszeit vom Fußball nehmen?
Rolfes: Es geht dann direkt selbständig mit der Firma los. Bis dahin ruht das Thema, da ich die letzte Monate als Profifußballer noch genießen möchte. Aber ich freue mich jetzt schon auf die Zeit danach.
SPOX: Die Zeit danach reicht ja auch ein bisschen in die Gegenwart hinein: Sie belegen momentan ein Fernstudium an der FH Koblenz im Fach Sportmanagement. Wie kam es dazu, dass Sie Student wurden?
Rolfes: Der Bereich interessiert mich einfach. Es gab vom Verein auch einmal Broschüren dazu. So wurde ich darauf aufmerksam. Ich habe geschaut, wie kompatibel das mit dem Fußballspielen ist. Es würde ja keinen Sinn machen, sich ein halbes Jahr lang auf Klausuren vorzubereiten und dann sind die an einem Tag X, an dem ich verhindert bin. Dann müsste ich ja wieder ein halbes Jahr lang warten. Doch man ist dort zum Glück sehr flexibel, so dass ich theoretisch auch Klausuren nachschreiben könnte, falls es sich mit dem Trainingsplan überschneiden würde. Für mich ist das deshalb jetzt eine wunderbare Sache, um mir Knowhow anzueignen. Es dient mir als Vorbereitung für die Karriere danach.
SPOX: Die Zeit ab Sommer und Ihre Firma führen aber nicht dazu, dass Sie sich exmatrikulieren?
Rolfes: Nein, das war ja eine langfristige Entscheidung. Da werde ich dranbleiben und versuchen, das Ganze zügig zum Abschluss zu bringen. Das Thema Weiterbildung wird mich immer begleiten. Erst recht, wenn ich in das neue Berufsfeld einsteige. Da gibt es noch viele interessante Sachen, die man lernen kann.
SPOX: Wie bringen Sie das Studium in Ihrem Alltag unter, der Fußball an sich frisst doch schon unheimlich Zeit?
Rolfes: Wir verbringen viel davon auch im Hotel. Dort lerne ich dann. Oder es bleibt zu Hause am Abend eben mal der Fernseher aus. Wenn man das strukturiert angeht, geht es eigentlich ganz gut. Ich komme voran und habe zwei von vier Semestern in der Regelstudienzeit hinter mich gebracht.
SPOX: Mussten Sie erst wieder lernen zu lernen?
Rolfes: Anfangs schon. Ich musste vor allem ausloten, wie ich am effizientesten lerne. Zeitlich bin ich relativ flexibel, ich lerne dann, wenn es gut passt. Ich bin zwar zielstrebig und habe nicht vor, ewig zu studieren, aber ich habe auch nicht den großen Druck, das auf Biegen und Brechen irgendwie zu schaffen. Der Fußball steht weiterhin eindeutig im Vordergrund. Es ist aber nie verkehrt, auch den Geist zu trainieren.
SPOX: Das tun Sie auch mit Ihrer Leidenschaft für das Thema Börse. Bereits mit 17 haben Sie zusammen mit Ihrem Bruder einen Aktienfonds gekauft und sich seitdem stets mit Fachliteratur weitergebildet. Da dies vielen nicht bewusst ist: Wollen Sie nicht als Fußball-Intellektueller durchgehen?
Rolfes: Nein. Ich habe das sehr dosiert kundgetan, weil ich eben hauptsächlich Fußballer bin. Das Interesse für Management und Unternehmen fällt ja in den Bereich der Börse mit hinein. Ob das eine Leidenschaft von mir ist, kann ich eigentlich gar nicht genau sagen. Mich interessieren Unternehmen, weniger die Börse.
Die OPTA-Spielerstatistik von Simon Rolfes in der Saison 2014/2015
SPOX: Inwiefern?
Rolfes: Das Schöne ist ja: Es gibt Menschen, denen gehören Unternehmen und sie lassen sozusagen zu, dass man sich sogar daran beteiligen kann. Das ist doch wunderbar. Sie besitzen nicht alles selbst, sondern lassen auch andere daran teilhaben. Die Börse ist dann nur der Handelsplatz. Dort habe ich die Chance, einen Anteil zu bekommen.
SPOX: Wurden Sie schon einmal von Mitspielern auf den Arm genommen, wenn Sie als Privatanleger lieber Geschäftsberichte lesen anstatt Playstation zu spielen?
Rolfes: Mittlerweile werde ich da nicht mehr mit aufgezogen. Ich habe einmal in der Mittagspause bei Patrick Helmes zu Hause irgendein Spiel auf der Playstation gespielt. Er meinte nur, es wäre besser, wenn ich nie wieder spielen würde (lacht). Angeblich waren selbst seine ältesten Familienmitglieder besser als ich. Die Playstation interessiert mich aber auch einfach nicht, dazu hatte ich selbst als Kind keine Affinität. Dennoch verteufele ich es natürlich nicht, wenn die Jungs ein bisschen zocken. Ich war immer so wie ich bin und habe nie eine Rolle gespielt. Ich glaube, das haben die Mitspieler auch geschätzt.
SPOX: Angefangen hat die Sache mit der Geldanlage, als Sie im Alter von elf Jahren für 75 Mark eine Zehntel-Unze Gold gekauft haben. Sie besitzen die Münze immer noch und erzielten damit eine jährliche Rendite von knapp 14 Prozent.
Rolfes: Zwar nicht im Zinseszins, aber das ist von 1993 bis vor ein paar Monaten tatsächlich so angestiegen.
SPOX: Werden Sie das Ding jemals verkaufen?
Rolfes: Niemals (lacht). Die Münze hat ja längst auch einen symbolischen Charakter für mich.
SPOX: Wie kam es damals zum Kauf?
Rolfes: Ich hatte mich gefragt, was ich mit meinem Taschengeld anstelle. Ob ich es auf ein Sparbuch einzahle oder so etwas. Es gab dann diese silbernen Gedenkmünzen von den Olympischen Spielen 1972 für zehn Mark. Die fand ich cool und habe sie mir gekauft. Zu Weihnachten bekam ich ein Buch geschenkt, in das ich sie einsortieren konnte. Irgendwann später habe ich in der Fernsehzeitschrift "Prisma" Goldmünzen der Wiener Philharmoniker für 75 Mark gesehen. Ich dachte: Eine solch dicke Goldmünze zu diesem Preis, die muss ich haben.
Seite 1: Rolfes über Karriereende, sein Studium und eine Goldmünze für 75 Mark
Seite 2: Rolfes über das Thema Geld und den Alltag nach der Karriere
SPOX: 75 Mark war doch aber viel Geld für Sie in diesem Alter?!
Rolfes: Klar, aber ich habe gespart und empfand den Preis auch als nicht allzu teuer. Also habe ich eine Münze bestellt und bin danach mit dem Fahrrad zum Abholen auf die Bank gefahren. Da wurde mir ein fingernagelgroßes Teil hingelegt. Ich sagte zu der Angestellte: "Das ist nicht meine." Sie aber: "Doch, hier steht Simon Rolfes drauf." Ich: "Das kann nicht sein, ich habe doch 75 Mark dafür bezahlt. Die muss so groß sein wie meine Silbermünzen." War aber eben nicht so. Ich bin dann zwar todtraurig nach Hause gefahren, habe aber letztlich gelernt, welch Unterschiede es zwischen Größe und Wert geben kann.
SPOX: Haben Sie auch schon mal so richtig ins Klo gegriffen?
Rolfes: Ja, das war beim Aktienfonds, den ich mit meinem Bruder zusammen gekauft hatte. Das ist auch eine nette Geschichte, aus der ich früh etwas mitnehmen konnte. Der Aktienfonds ging zur Zeit des Neuen Markts ständig nach oben. Wir haben uns gefreut ohne Ende und dachten auch, das ginge jetzt einfach so weiter. Als der Markt jedoch einbrach, fiel der Fonds vollkommen ins Bodenlose. Wir haben ihn damals - und so machen es ja viele - auch in der Euphorie gekauft. Ich weiß gar nicht mehr genau, was er alles beinhaltete. Letzten Endes war alles völlig substanzlos.
SPOX: Wie ist es denn im Kollegenkreis, spricht man mit Ihnen darüber, wie man seine eigenen Finanzen am besten regelt?
Rolfes: Es ist schon vorgekommen, dass ich unter vier Augen nach Rat gefragt wurde. Da gab es von mir dann aber keine Tipps, sondern es ging darum, wie man solche Dinge grundsätzlich angeht.
SPOX: Es gibt eine Statistik, die besagt, dass ein Viertel der Spieler in den deutschen Profiligen nach dem Karriereende kein Geld mehr auf dem Konto haben. Denkt die heutige Spielergeneration beim Thema Geld für Ihre Begriffe zu kurzfristig, wenn man neben der Statistik bedenkt, dass mittlerweile auch 20-Jährige Autos im Wert von über 100.000 Euro fahren?
Rolfes: Darauf wird es häufig reduziert, aber das setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Es besteht beim Ausgabeverhalten die Gefahr zu unterschätzen, wie viel man für seinen Lebensstandard wirklich braucht und wie sozusagen die Kaufkraft stabil bleibt, ohne dass das Kapital aufgefressen wird. Dafür sollte man schon ein Gefühl entwickeln können. Es gibt natürlich auch eine große Bandbreite an Profis, die Verdienste sind unterschiedlich. Ich glaube, dass da der Standard bei dem einen oder anderen teilweise zu hoch ist und eben unterschätzt wird, dass die Karriere auch nur zehn bis 15 Jahre lang dauert. Oft fehlt ein Plan B.
SPOX: Denken Sie, dass ein 20-Jähriger heutzutage überhaupt die Geduld aufbrächte, eine Aktie als langfristige Anlageform zu sehen?
Rolfes: Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass für einen jungen Kerl grundsätzlich nichts dagegen sprechen würde. Gehen wir mal davon aus, dass es sportlich für einen läuft, dann würde er viele Jahre lang nichts mit seinen Aktien tun müssen. Wer denkt, er würde mit Aktien nach ein, zwei Jahren schon total glücklich, der sollte es lieber gleich sein lassen. Das ist eine Altersvorsorge. Je langfristiger es angelegt ist, desto mehr minimiert sich das Risiko.
SPOX: Welche Rolle spielt für einen Profifußballer denn die Sorge, dass das Vermögen nicht den Rest des Lebens ausreicht?
Rolfes: Da man selbst ja keinen Erfahrungswert hat, was ausreicht und was nicht, sollte man sich nicht auf Schätzungen verlassen. Es ist keine Frage, dass man die zehn, 15 Jahre nutzen muss - weil es ganz einfach auch eine großartige Chance ist. Darüber hinaus sollte man sich Gedanken machen, dass man mit 35 vielleicht nicht nur auf dem Sofa sitzen will, sondern auch dann etwas tut, was einem Spaß bereitet. Es geht ja nicht nur um den Verdienst, sondern um Freude im Leben. Dazu habe ich übrigens kürzlich ein Interview mit Phil Collins gelesen.
SPOX: Was sagt der dazu?
Rolfes: Er muss sich ja keine finanziellen Sorgen machen, hat aber geäußert, dass der normale Alltag nach seinem Rückzug aus dem Musikgeschäft schwieriger zu bewältigen sei. Auch die Freude am Alltag wiederzufinden sei für ihn nicht einfach gewesen, weil ihn die Musik sein Leben lang erfüllt hat.
SPOX: Das Problem, nach der Karriere den Alltag vernünftig zu meistern, wurde auch schon von vielen Ex-Fußballern beschrieben.
Rolfes: Das sollte man auch nicht unterschätzen. Es war von allen aktiven und nicht-aktiven Fußballern bereits als Kind der Lebenstraum, Profi zu werden. Darauf wird hingearbeitet. Heutzutage muss man mit 14 oder 15 unglaubliche Entbehrungen im Vergleich zu Gleichaltrigen auf sich nehmen. Diese Jungs sind schon in diesem Alter sehr durchgetaktet, leben extrem für ihren Traum und bringen Opfer. Wenn man dann tatsächlich Profi geworden ist, merkt man schnell, wie sehr man sich in diesem harten Geschäft durchsetzen muss. Dass es dann irgendwann mit über 30 nicht so einfach ist, das Gewohnte hinter sich zu lassen und etwas Neues zu beginnen, ist auch irgendwo nachvollziehbar. Man sollte sich in der Spätphase seiner Karriere zumindest ein bisschen damit beschäftigen. Dann wächst man in solche Gedankengänge hinein und es mag einem leichter fallen.
SPOX: Nimmt man als Profi überhaupt wahr, wann man sich zumindest ungefähr in der von Ihnen angesprochenen Phase befindet?
Rolfes: Das kann ich nicht allgemeingültig beantworten, aber viele tun das sicherlich nicht. Es ist ja keine Frage, dass die Zeit als Fußballer sehr schön und komfortabel ist - und man denkt, danach wird schon irgendwas werden. Ich glaube, je früher man der Wahrheit sozusagen ins Auge schaut, desto leichter wird auch der Neustart.
SPOX: Über Uli Hoeneß wurde bekannt, dass er sich zu einem Zocker entwickelte und ständig wie besessen die aktuellsten Aktienkurse abrief. Können Sie nachvollziehen, dass das auch zu einer Sucht werden kann?
Rolfes: Das kann ich nicht beurteilen. Es kann ja vieles im Leben zu einer Sucht werden.
SPOX: Wie oft schauen Sie nach Ihren Aktienkursen, genügt da eine App auf dem Handy?
Rolfes: Ja, das reicht völlig. Wenn ich eine Woche ohne Handy in den Urlaub fahre, dann fahre ich eine Woche ohne Handy in den Urlaub und es ist auch nichts passiert (lacht). Es besteht da weder mehr noch weniger Gefahr als mit allen anderen Sachen auch. Wenn ich Zeit habe, informiere ich mich. Ich habe nicht das Gefühl, mich permanent informieren zu müssen, sagen wir es so. Mich interessieren wie gesagt die Unternehmen - und die bringen nicht jeden Tag neue Meldungen heraus. Ich lese Zeitung und dann beispielsweise entsprechende Quartalsberichte. Der Kurs ist völlig zweitrangig.
SPOX: Wer 50 Euro übrig hat und nicht auf den kurzfristigen Erfolg aus ist, in welche Aktien sollte man jetzt investieren?
Rolfes: Es ist unmöglich und zu kurz gedacht, da eine sinnvolle Prognose abgeben zu können. Man kann nicht sagen, dieses oder jenes ist für alle gut. Zumindest ist es aber interessant, dass die Deutschen sehr stolz auf ihre Industrieunternehmen sind, aber nie selbst daran beteiligt sein wollen. Sie arbeiten gerne für sie, sind aber nicht gerne Teilhaber. Das ist durchaus komisch und vielleicht eine Sache, die die Deutschen bei ihrer Altersvorsorge bedenken sollten. Amerikaner sind da beispielsweise viel offener und bei der Altersvorsorge dementsprechend erfolgreicher als die Deutschen.
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