Nach der Seuchensaison soll's beim Hamburger SV aufwärts gehen. Milan Badelj sieht den HSV dabei auf einem guten Weg, weiß aber auch um die zahlreichen Schwächen. Im Interview mit SPOX spricht der Kroate über die Ursachen der HSV-Probleme, seine diffizile Rolle, die Kollegen Behrami und van der Vaart und die Gemeinsamkeiten von Zagreb und Hamburg.
SPOX: Herr Badelj, haben Sie in der abgelaufenen Saison auf der richtigen Position gespielt?
Milan Badelj: Was ist die richtige Position?
SPOX: Die, die Ihnen auf Grund Ihrer Anlagen am ehesten liegt und auf der Sie der Mannschaft am meisten helfen können.
Badelj: Früher habe ich mit einem echten Sechser im Rücken etwas offensiver gespielt, beim HSV etwas defensiver. Das war nicht neu für mich, ich kann diese Position vor der Abwehr spielen.
SPOX: Trotzdem galt das defensive Mittelfeld als eine Problemzone beim HSV.
Badelj: Wir haben die meisten Spiele mit Tolgay (Arslan, Anm. d. Red.) und mir gespielt und wir sind beide im Geiste eher Achter als Sechser. Im Abstiegskampf wären vielleicht mehr kämpferische Elemente gefragt gewesen und weniger das schöne Spiel. Das haben wir wohl etwas vermissen lassen.
SPOX: Wären Sie auf der Halbposition vor einer klaren Sechs besser aufgehoben, etwa in einem Dreier-Mittelfeld?
Badelj: Es ist nicht meine Aufgabe, mich in taktische Überlegungen einzumischen. Ich habe am liebsten einen defensiven Mitspieler an der Seite, Tolgay auch. Aber was geschieht dann zum Beispiel mit Rafael van der Vaart? Der Trainer muss die richtige Chemie und Zusammensetzung der Mannschaft finden.
SPOX: Glauben Sie, dass Sie an der Seite von Valon Behrami Ihre Rolle anders interpretieren können?
Badelj: Valon ist der richtige Spieler für diese Position. Er hat Erfahrung und bringt jede Menge Selbstvertrauen mit, er denkt eher defensiv und hat Biss und die nötige Härte im Zweikampf. Das wird uns gut tun. Wir können nicht so spielen wie die Bayern, die alles spielerisch lösen. Wir brauchen Spielertypen, die grätschen und manchmal auch ein Foul machen, wenn es nicht anders geht. Nur mit Schönspielen gewinnt man gar nichts.
SPOX: Die Vorbereitung war anders als in den letzten Jahren. Wie hat sich das bemerkbar gemacht?
Badelj: Sie war vor allen Dingen intensiver. Wir haben besonders im körperlichen Bereich sehr gut gearbeitet, wir sind topfit. Und meiner Meinung nach brauchen wir das. Wir müssen bereit sein, wir müssen laufen können bis zum Schluss, wenn der Gegner vielleicht ein paar Prozent an Energie verliert.
SPOX: Die Erkenntnis an sich ist ja nicht neu. Wieso war das in der letzten Saison offenbar nicht so der Fall?
Badelj: Thorsten Fink hatte eine etwas andere Philosophie. Wir wollten mehr über die Taktik und das Positionsspiel kommen. In der ersten Saison hat das ganz gut funktioniert, wir wurden Siebter und waren gar nicht so weit weg von Platz vier. Dann sind wir schlecht in die nächste Saison gestartet und er war weg.
SPOX: Ist der HSV eine Mannschaft, die es braucht, auch mal härter angepackt zu werden?
Badelj: Das glaube ich schon. Wir brauchen das.
SPOX: Wieso kommt diese Erkenntnis nicht aus der Mannschaft selbst?
Badelj: Sie kam aus der Mannschaft. Aber die Umsetzung auf dem Platz war schlecht. Wir haben auf allen Ebenen zu viele Fehler begangen. Wir sind kopflos geworden, wenn wir zu Hause vor 50.000 Zuschauern mit 0:1 in Rückstand geraten sind. Wir waren mental nicht stark genug, konnten nicht cool bleiben und unser Spiel weiterspielen. Stattdessen wurden wir hektisch und übereifrig. Das war ein großes Problem.
SPOX: Vielleicht schweißt so ein Erlebnis wie der Abstiegskampf plus überstandener Relegation auch zusammen. Wie kommt die Mannschaft jetzt als Gruppe miteinander klar?
Badelj: Wir sind bis auf wenige Abgänge dieselbe Mannschaft geblieben. Der Kern ist nun schon seit drei, vier Jahren zusammen. Das ist wichtig. Wir kennen uns gut und die neuen Spieler wurden von der Gruppe auch schnell akzeptiert. Wir haben den Teamgeist mit vielen kleinen Dingen immer weiter verbessert und sind mittlerweile auf einem sehr guten Niveau angekommen. Ich glaube, da sind wir deutlich weiter als im letzten Jahr.
SPOX: Rafael van der Vaart hat eine sehr schwierige Saison hinter sich. Was kann er und was kann die Mannschaft tun, um ihn da wieder rauszuholen?
Badelj: Es kann nur mit einer Art Symbiose funktionieren. In der vergangenen Saison hatten wir alle - auch er - nicht unser bestes Niveau. Aber es kann Schritt für Schritt nach vorne gehen, wenn wir uns gegenseitig helfen. Dann ist Rafael van der Vaart auch wieder der beste Spieler auf dem Platz.
SPOX: Hat die Mannschaft das verstanden: Dass es nur gemeinsam geht?
Badelj: Es darf nicht schlechter sein in der kommenden Saison, es muss alles besser werden. Wir waren Sechzehnter - noch schlechter hieße: wir steigen ab. Ich denke, wir haben das begriffen.
SPOX: Es blieben in einigen Vorbereitungsspielen aber auch die altbekannten Probleme. Unter anderem auch die bei Defensiv-Standards. Woran liegt das?
Badelj: Wir können vorher alles trainieren: Wer wie und wo steht, wer wen blockt, ob wir im Raum verteidigen oder am Mann, wie die Pfosten besetzt sind... Letztlich liegt es aber an der Einstellung jedes Einzelnen. Jeder muss sich vor einer Ecke oder einem Freistoß sagen: 'Mein Gegenspieler schießt jetzt kein Tor! Er kommt noch nicht mal an den Ball'.
SPOX: Also sind es individuelle Probleme, die zu den vielen Gegenstoren geführt haben?
Badelj: Wir reden hier nicht vom Spielaufbau, also einer Bewegung aus dem Spiel heraus. Wenn der Gegner durch eine bestimmte Stafette an dir vorbei ist und du erstmal raus bist aus dem Spielzug. Wir haben den Gegenspieler vor uns und müssen ihn daran hindern, an den Ball zu kommen. Wir benötigen eine mentale Kraft, den Willen, die Entschlossenheit und ein wenig Cleverness, um uns dagegen zu stemmen. Wir werden auch in Zukunft immer mal ein Tor nach einem Standard kassieren. Aber es darf nicht sein, dass der Gegner in jedem Spiel zwei oder drei große Chancen nach einem Standard bekommt.
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SPOX: Sie sind vor zwei Jahren von Dinamo Zagreb nach Hamburg gekommen. Dinamo ist der größte Klub Kroatiens, das Umfeld mitunter hektisch und aufgeregt. Hätten Sie sich vorstellen können, dass es in Hamburg ähnlich unruhig zugehen könnte?
Badelj: So ganz kann man das nicht vergleichen. Dinamo muss man verstehen und ein Außenstehender kann das kaum verstehen. Als Dauer-Champion verlagern sich die wichtigsten Spiele des Jahres auf die Monate Juli und August - wenn es um die Teilnahme an der Champions oder Europa League geht. Geht da ein Spiel total daneben, ist man raus aus Europa und die Arbeit von einem ganzen Jahr war quasi umsonst. Ohne internationalen Wettbewerb fließt kein Geld, alle Projekte liegen auf Eis. Der Druck im Sommer ist jedes Mal unglaublich.
SPOX: Größer als in Hamburg im Abstiegskampf?
Badelj: Auf gewisse Weise schon. Viele werden das nicht verstehen, aber man muss die Gegebenheiten sehen: Die Infrastruktur ist schlecht, die Fans kommen nicht mehr so zahlreich ins Stadion. Die großen Einnahmen aus Ticketverkäufen sind nicht möglich, die Sponsoren interessieren Spiele in der Liga nicht. Bleiben nur noch Einnahmen aus Spielerverkäufen. Aber wer kauft einen Spieler für viel Geld, der sich nicht in Europa präsentieren kann? Es ist eben alles ein bisschen anders dort.
SPOX: Der erste Bundesligaabstieg des Hamburger SV hätte aber auch sehr hohe Wellen geschlagen.
Badelj: Das war uns auch bewusst. Sagen wir es so: Im Grunde ähneln sich Hamburg und Zagreb, die Emotionalität ist aber eine andere.
SPOX: Wie kommt es eigentlich, dass so ein vergleichsweise kleines Land wie Kroatien in fast jeder Ballsportart zur Weltklasse gehört?
Badelj: Und wir haben auch noch fantastische Skiläufer... So richtig kann man das wohl gar nicht erklären. Wenn man noch ein Kind ist, vier, fünf oder sechs Jahre alt, dann gibt es nichts anders als rauszugehen und Sport zu machen. Es spielt dann keine Rolle, welche Sportart. Wenn man in der Schule in die erste Klasse kommt, wird jeder sofort gefragt, welchen Sport er macht. Und wenn einer gar keinen Sport treibt, sagen die anderen sofort: ‚Was ist denn mit dem los?' Es ist eine Selbstverständlichkeit in Kroatien, wie ein ungeschriebenes Gesetz: Jedes Kind treibt Sport.
SPOX: Ist es so einfach?
Badelj: Es kommt dazu, dass Kroatien als Land weder politisch, noch wirtschaftlich herausragend ist. Selbst Hochschulabsolventen haben große Probleme einen Job zu finden, der entsprechend bezahlt ist. Der Sport bietet dazu eine Alternative für jeden Einzelnen. Und für Kroatien als Land natürlich eine Chance, auf sich aufmerksam zu machen.
SPOX: Kann es auch sein, dass Sportler aus wirtschaftlich nicht so gut situierten Ländern mehr Biss haben, sich den Weg nach oben zu bahnen?
Badelj: Das glaube ich schon. Allerdings muss man auch aufpassen, dass vor allen Dingen die Eltern nicht überdrehen. Ich hatte das Glück, dass meine Eltern nicht so verrückt waren wie viele andere. Besonders die Väter sind teilweise sehr extrem. Sie sehen dann nur die Verdienstmöglichkeiten, die ihre Kinder womöglich haben werden und verlieren jegliches Maß.
SPOX: Wie weit ist Kroatiens Nationalmannschaft derzeit weg von der absoluten Weltspitze?
Badelj: Wir sehen gegen Deutschland und Spanien, die beiden besten Mannschaften der Welt in den letzten Jahren, meistens gut aus. Wir sind punktuell immer für große Spiele gut. Aber Nationen wie Deutschland oder Spanien können ihre Leistung über ein gesamtes Turnier abrufen. Für die ist ein Halbfinale oder ein Finale eine normale Sache. Wir Kroaten wissen, dass wir gut sind. Aber manchmal denken wir, dass wir wie Deutschland oder Spanien wären. Aber so gut sind wir nicht. Bei zehn großen Turnieren sind wir vielleicht dreimal über die Gruppenphase hinausgekommen. Wir haben eine gewisse Qualität. Die bewegt sich aber nicht auf dem absoluten Top-Niveau.
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