Im letzten Länderspiel des Jahres gegen England steht Marcel Schäfer vor seinem Debüt für die deutsche Nationalmannschaft. Der 24-Jährige hat einen steinigen Weg hinter - und eine große Zukunft vor sich.
Im Tor zum Spessart fing alles an. Straßbessenbach, ein 2500 Einwohner-Örtchen im Landkreis Aschaffenburg, idyllisch gelegen am Naturpark Bayerischer Spessart, rüstet am Mittwoch zum gemeinsamen Fernsehabend.
Straßbessenbach ist stolz
Der SV Eintracht hat ins Sportheim geladen, das Bayerische Fernsehen wird zu Gast sein - und alle werden sie nur auf einen schauen, auf Marcel Schäfer.
Wenn die deutsche Nationalmannschaft am Mittwoch zum letzten Länderspiel des Jahres gegen England aufläuft, dann wird "ihr Bub" auch dabei sein (Mi., 20.30 Uhr im SPOX-TICKER).
"Das ist die Riesensache", sagt Jörg Michel, 1. Vorsitzender der Eintracht und im Hauptberuf Verwaltungsangestellter im Klinikum Aschaffenburg. "Wir sind unheimlich stolz. Welcher kleine Verein kann schon von sich behaupten, einen Nationalspieler mit ausgebildet zu haben?"
Fußball in den Genen
Von Straßbessenbach, von der Kreisliga Aschaffenburg, bis nach Berlin, zu einem der Klassiker des Weltfußballs, war es für Marcel Schäfer aber ein beschwerlicher Weg
Bis zur C-Jugend spielte Schäfer in seinem Heimatdorf. Sein erster Trainer war Vater Markus, ein ehemaliger Zweitligaprofi bei den Offenbacher Kickers und Viktoria Aschaffenburg.
Dorthin wechselte Marcel dann im Alter von 13 Jahren. 1999 wurde er bei einem Jugendturnier vom TSV 1860 München entdeckt. Er und noch zwei andere: Simon Schmidt und Daniel Baier.
"Auch Eintracht Frankfurt wollte mich damals haben. Ich habe mich aber für die Löwen entschieden, weil ich dort bessere Ausbildungschancen für mich sah", sagt Schäfer im Rückblick.
Schwieriger Start
15 Jahre war er damals alt und die erste Zeit weg von zu Hause natürlich eine schwierige. "Das erste halbe Jahr hatte ich schlimmes Heimweh. Vor allem dann, wenn ich für ein paar Tage zu Hause in Aschaffenburg war. Meine Mutter heulte immer, wenn ich wieder ging", erzählt Schäfer.
Schäfer musste schon in jungen Jahren selbständig werden, mutierte aber recht schnell vom Jugendlichen zum jungen Erwachsenen - und zum Hausmann. "Ich kann alles: Bügeln, Waschen, Kochen."
Sportlich lief von Beginn an alles nach Plan - bis sich Schäfer in seinem ersten Jahr bei der A-Jugend schwer verletzte. "Ich hatte einen totalen Knieschaden. Da macht man sich als junger Spieler natürlich seine Gedanken", sagt Schäfer gegenüber SPOX. Gedanken ans Karriereende - noch bevor die Karriere richtig angefangen hat.
Nebenbei ein Fernstudium
Nicht nur deshalb war es für Schäfer wichtig, sich neben der Jagd nach dem großen Traum vom Fußballprofi beruflich abzusichern. "In der Schule habe ich mich darauf konzentriert, erst den Abschluss zu machen, um eine Basis zu schaffen."
Bei den Löwen durfte Schäfer immer mal wieder in der Geschäftsstelle reinschnuppern und entschied sich dann für ein Fernstudium Sportmanagement an der Uni Düsseldorf.
Auf dem Platz ging es von da an rasend schnell. Nachdem sich Schäfer wieder zurückgekämpft hatte, verschaffte ihm Falko Götz im November 2003 sein erstes Bundesligaspiel. Der nächste Rückschlag erfolgte dann zum Ende der Saison, als die Löwen den bitteren Gang in die Zweitklassigkeit antreten mussten.
Torgefährlicher Außenverteidiger
In der Zweiten Liga erspielte sich Schäfer einen Stammplatz und fand auf der linken Verteidigerposition seine Heimstatt. Allerdings war dort von seiner späteren Offensivstärke noch nicht so viel zu sehen. Lediglich drei Tore erzielte er in 91 Spielen für die Blauen.
Dennoch lockte ihn Felix Magath im Sommer 2007 nach Wolfsburg. Praktischerweise schloss Schäfer da gerade sein Studium ab und konnte sich dann voll und ganz seiner neuen Herausforderung widmen.
Magath schliff den talentierten Schäfer und machte aus ihm den torgefährlichsten Linksverteidiger der Bundesliga. In 36 Spielen traf Schäfer bisher schon sechs Mal, sein starker linker Fuß ist in der Liga gefürchtet.
Keine Nervosität
Teilweise spielt Magath auch mit Schäfers Flexibilität und bringt den 24-Jährigen schon mal im Mittelfeld. Im Löwen-Internat wurde Schäfer so gut ausgebildet, dass er ohne Probleme auch im linken oder im zentralen defensiven Mittelfeld aushelfen kann.
Er selbst sieht diese Variabilität als Vorteil an, obwohl er sich als linkes Glied der Viererkette besser aufgehoben sieht: "Da habe ich das Spiel jederzeit vor mir. So kann ich für viel Druck von hinten sorgen und bin beim Spielaufbau ständig dabei."
Druck, den sich auch Joachim Löw von ihm erwartet. Nach den Ausfällen von Philipp Lahm, Marcell Jansen und Christian Pander steht Schäfer gegen England bei seiner ersten Berufung gleich vor seinem Debüt, sehr wahrscheinlich sogar von Beginn an.
Schäfer: "Aufgeregt bin ich deswegen aber nicht. Ich habe mich auch noch nicht so sehr mit dem Gegner beschäftigt. Das kommt alles noch. Ich bin zuerst mal froh, dabei zu sein."
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Ein Musterschüler
Löw hört so etwas gern. Der Bundestrainer mag Spieler, die zielstrebig und forsch, aber doch auch angenehm zurückhaltend sind. Und er mag Spieler, die über den Tellerrand des Geschäfts hinausblicken und lern- und wissbegierig sind.
In Marcel Schäfer hat er ein nächstes Exemplar gefunden. Und Schäfer hat außerhalb des Platzes ein neues Betätigungsfeld.
Er lernt mit einem Privatlehrer und seinen südamerikanischen Mitspielern in Wolfsburg fleißig spanisch. Einfach nur so, weil er sich weiterentwickeln will.
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