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"Es gab immer Nörgler"

Philipp DornheggeSPOX
08. September 200910:49
Für Jürgen Seeberger war die Alemannia die erste Trainerstation im deutschen ProfifußballGetty
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20 Monate saß Jürgen Seeberger auf der Trainerbank von Alemannia Aachen. Dabei hatte der gebürtige Konstanzer durchaus Erfolg, verpasste die Rückkehr in die Bundesliga in den vergangenen beiden Spielzeiten nur knapp. Nach vier Spieltagen der neuen Saison war nun Schluss. Im SPOX-Interview spricht der 44-Jährige über die Gründe für seine Beurlaubung, die Rolle der Spieler und seine berufliche Zukunft.

SPOX: Herr Seeberger, Sie wurden am Samstag in Aachen entlassen. Wie haben Sie die Nachricht verdaut?

Jürgen Seeberger: Es galt jetzt zunächst, die Sache formell aufzulösen, sich von der Mannschaft zu verabschieden und die Medien zu bedienen.

SPOX: Wie wurde die Entscheidung Ihnen gegenüber begründet?

Seeberger: Andreas Bornemann und ich hatten und haben ein sehr gutes Verhältnis, insofern wurde die Situation ständig besprochen. Die Entlassung war im Endeffekt eine einvernehmliche Entscheidung.

SPOX: An den Ergebnissen kann die Trennung nicht gelegen haben. Fünf Punkte in den ersten vier Spielen sind nicht berauschend, aber auch kein Grund zur Panik.

Seeberger: Da gebe ich Ihnen recht. Die Abstände zur Spitze sind weiß Gott nicht so groß.

SPOX: Woran lag es dann?

Seeberger: Um diesen Schritt zu erklären, muss man weiter zurückgehen. Im Kalenderjahr 2008 haben wir 58 Punkte geholt, trotzdem stand ich in der Kritik. Herr Bornemann wurde Anfang des Jahres schon für die Vertragsverlängerung mit mir kritisiert, obwohl ich das beste Ergebnis nach Hecking mit Alemannia Aachen erzielt hatte. Trotzdem gab es immer Nörgler, und das hat sich bis jetzt hingezogen. Natürlich ist allen anderen im Umfeld die selbstkritische Haltung irgendwann abhanden gekommen - auch manchen Spielern. Im Fokus standen ja immer nur Bornemann und ich. Nach dem 0:5-Debakel gegen St. Pauli waren alle sehr enttäuscht.

SPOX: Ist Ihnen die Lust an Ihrer Arbeit vergangen?

Seeberger: Überhaupt nicht. Ich hatte jetzt den Kader, den ich mir vorgestellt hatte. Nach dem Abstieg mussten wir personelle Veränderungen vorantreiben. Da waren Trennungen von Spielern dabei, die sicherlich schmerzlich waren, aber auch unvermeidbar. Mittlerweile ist sehr viel Qualität vorhanden, und ich bin sicher, dass Aachen eine gute Saison spielen wird. Allerdings sind einige Spieler erst zum Ende der Transferphase dazugestoßen, die es noch zu integrieren gilt. Alemannia Aachen ist ein super Klub mit tollen Voraussetzungen, vor allem jetzt mit dem neuen Stadion. Ich hätte liebend gern weitergemacht.

SPOX: Trotzdem gab es Gerüchte, dass eine Spielerrevolte zu Ihrer Entlassung geführt haben soll.

Seeberger: Es liegt in der Natur der Sache, dass Spieler und Trainer manchmal verschiedene Auffassungen haben. Die angesprochene 0:5-Pleite gegen St. Pauli hat sicher Unsicherheit in die Mannschaft gebracht.

SPOX: Gab es Spieler, die zur Vereinsführung gegangen sind und gesagt haben: "Mit Herrn Seeberger können wir nicht mehr zusammenarbeiten."

Seeberger: Wie gesagt, das ist ein stetiger Prozess und nicht so, dass irgendwann einer aufsteht. Das mit der Revolte kann ich so deshalb nicht stehen lassen.

SPOX: Wie war es aus Ihrer Sicht: Sind Sie menschlich mit Ihren Spielern gut klargekommen?

Seeberger: Natürlich gibt es immer Reibungspunkte zwischen Trainer und Mannschaft, das kann aber auch positiv sein. Abgesehen von ein paar ungeschickten Roten Karten im letzten Jahr gab es bei uns überhaupt keine Undiszipliniertheiten. Wie sich das Team im Allgemeinen präsentiert hat, war meiner Meinung nach schon geordnet und von Zielstrebigkeit geprägt. Wenn solche Attribute auf dem Platz sichtbar sind, dann lässt sich daran doch schon etwas ablesen. Ich stehe total hinter der Art und Weise, wie die Spieler behandelt wurden.

SPOX: Sie haben es schon gesagt: Es gab ständig Kritik an Ihrer Person, sicher oftmals auch irrationale. Was denken Sie, was für ein Typ ist in Aachen gefragt?

Seeberger: Ganz schwierig. Es waren ja schon verschiedene Trainer in kurzer Zeit da. Es liegt eher am Ablauf der Dinge. Nach einem Abstieg muss sich ein Verein auch erst wieder fangen. Aber in Aachen sind die Erwartungen insbesondere mit dem neuen Stadion stets hoch, und die waren nach der Demission von Jörg Schmadtke natürlich nicht leicht zu erfüllen. Mit Bornemann und Frithjof Kraemer (Geschäftsführer bei Alemannia Aachen, Anm. d. Red.) ist der Verein in der Führung aber sehr gut aufgestellt. Ein Trainer bei Aachen hat sehr gute Möglichkeiten. Schade, dass ich das nicht mehr bin.

SPOX: Und wie geht es jetzt mit Ihnen weiter? Hatten Sie schon Zeit darüber nachzudenken?

Seeberger: Es ist klar, dass die letzten Tage auch emotional nicht ganz einfach waren. Jetzt kommt noch ein gewisser Nachhall auf mich zu. Danach werde ich schauen, dass ich den Kopf frei bekomme und etwas Distanz gewinne.

SPOX: Und was bleibt hängen aus Ihrer Zeit in Aachen?

Seeberger: Mir ist ganz wichtig, dass ich meine eigene Arbeit hier noch mal unter die Lupe nehme und selbstkritisch hinterfrage. Aber ich hatte 20 schöne Monate bei einem sehr guten Klub in einem hochemotionalen Umfeld, wo alles drin ist: Tradition, ein tolles Stadion, grandiose Fans. Da kann ich einiges mitnehmen. Ich kann das Feld erhobenen Hauptes verlassen, war am Ende einer Saison mit der Alemannia nie schlechter als Vierter.

Aachen entlässt Seeberger

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