Der FC Liverpool hat in der öffentlichen Wahrnehmung einiges an Glanz verloren. Die Hoffnungen auf eine bessere Zukunft liegen auf Trainer Brendan Rodgers und Ikone Steven Gerrard. Die Vorzeichen stehen gar nicht so schlecht, auch wenn eine nervige Diskussion bleibt.
Einer der Spice Boys des FC Liverpool zu sein, war nicht immer nur eine Auszeichnung. Zu dieser Zeit Mitte der 90er Jahre verschmolzen die Grenzen zwischen seriösem Profi-Fußball und Showbusiness immer mehr, die Premier League als Rollenmodell des neuen europäischen Fußballs boomte und die Gehälter für die Spieler explodierten.
Lieber in der Klatschpresse
Ein neuer Lebensstil hielt Einzug, der auch vor der Arbeiterstadt Liverpool nicht Halt machte. Schräge Vögel wie Robbie Fowler, Stan Collymore oder Paul Ince diktierten die Schlagzeilen der Yellow Press, Fowler wurde eine stürmische Liaison mit Baby Spice Emma Bunton nachgesagt.
Womit sich schon das größte Problem der damaligen Generation erahnen lässt: Die meisten von ihnen blieben trotz eines überragenden Talents Posterboys, schnell verglühte Sternchen am Himmel, die "lieber in der Klatschpresse vorpreschten als in der Tabelle", wie die "Daily Mail" behauptete.
Gerrard: 700 Pfund pro Woche
Dann kamen Michael Owen und Steven Gerrard. Owen hatte "das Pech", sich mit seinem Sololauf bei der Weltmeisterschaft 1998 ins kollektive Gedächtnis der Engländer zu brennen. "Dieses Tor hat mein Leben verändert. Nicht mich als Person, aber die Sichtweise der Öffentlichkeit auf mich", erinnerte sich Owen vor wenigen Monaten, als er seine Karriere für beendet erklärte.
Owen wurde mit 19 zum Spieler des Jahres gewählt und ist bis heute der letzte Premier-League-Torschützenkönig des FC Liverpool. Seine komplette Karriere verfolgte ihn aber sein besonderes Wunderkind-Image, mindestens genauso hartnäckig wie seine zahlreichen schweren Knieverletzungen.
Und Gerrard? Der kam quasi durch die Hintertür. Sein erster Vertrag bei den Reds brachte ihm 700 Pfund in der Woche ein, das war im Sommer 1997 und Gerrard war ein wenig beachteter Jüngling im Kader eines wenig erfolgreichen Klubs.
16 Jahre später ist Steven Gerrard immer noch ein Spieler des FC Liverpool. Oder besser: Er ist der Spieler des FC Liverpool. Und das letzte Relikt einer unglaublich erfolgreichen Dekade. Am 15. Juli verlängerte er seinen bis 2014 laufenden Vertrag vorzeitig um ein weiteres Jahr. Aus 700 sind kolportierte 130.000 Pfund die Woche geworden. Offenbar ist Gerrard aber bereit, ab sofort für ein paar Pfund weniger zu arbeiten.
Nicht mehr unter den Top Four
"Jeder weiß, was mir das bedeutet. Das ist ein großer Tag für mich und ich bin wirklich glücklich", sagte Gerrard bei der Unterzeichnung. Sportdirektor Ian Ayre saß daneben. Ayre ist seit etwas mehr als zwei Jahren im Amt, davor war er Finanzdirektor an der Anfield Road. Er hat die glory times nicht in verantwortlicher Position miterlebt, obwohl er schon seit sechs Jahren für den Klub aktiv ist.
"Steven ist und war schon immer ein großer Teil von Liverpool", sagte Ayre also. In der öffentlichen Wahrnehmung ist Gerrard gleich der FC Liverpool - was zum einen daran liegt, dass der mittlerweile 33-Jährige nach 630 Pflichtspielen längst zu einer der größten Ikonen des Klubs aufgestiegen ist. Zum anderen aber auch daran, dass die Reds derzeit auf dem Papier kaum mehr zu bieten haben.
Der FC Liverpool ist nach bunten, aufregenden, erfolgreichen Jahren durchgereicht worden. Eine Dekade schlossen die Reds nie schlechter als auf Platz fünf ab, erreichten sieben Mal die Champions League, holten den UEFA-Cup und den Titel in der Königsklasse. In den letzten vier Jahren lauteten die Endplatzierungen aber Siebter, Sechster, Achter und wieder Siebter. Der einzige Titel war der Triumph im wenig geliebten Ligapokal 2012.
Das Ziel, wieder unter die besten Vier der Premier League zu kommen, ist nur schwer erreichbar. Die beiden Manchester Klubs und der FC Chelsea gelten als gesetzt, mit den Reds, Tottenham und Arsenal balgen sich drei andere um den begehrten vierten Platz.
Bessere Voraussetzungen als vor einem Jahr
Die Reds sind auf der Suche nach sich selbst und den Erfolgen der letzten Jahre demütig geworden. Mit Brendan Rodgers wurde vor etwas mehr als einem Jahr die Hoffnung auf eine bessere Zukunft verpflichtet.
Nachdem Rafa Benitez den Klub verlassen hatte, ging das Experiment mit Roy Hodgson ebenso schief wie mit Legende Kenny Dalglish. King Kenny hatte einen ordentlichen Start und bekam einen Dreijahresvertrag. Abgesehen von seiner Reputation hatte er dem Team aber nicht viel zu geben.
Nach dem Erfahrenen und der Klub-Ikone versuchen sich die Reds mit Rodgers nun an der progressiven Variante. Der Nordire führte Swansea City mit technisch anspruchsvollem Fußball als ersten walisischen Klub überhaupt in die Premier League.
Der Start war holprig, allerdings auch gekennzeichnet durch ein schlecht vorbereitetes Vorgehen der Reds auf dem Transfermarkt. Mit späten Zukäufen versuchte Liverpool eine ordentliche Mannschaft auf die Beine zu stellen - zusammen mit dem ebenfalls neuen Trainer ergab sich eine ungünstige Konstellation.
Jetzt stellen sich die Dinge etwas anders dar: Rodgers hat sich akklimatisiert, Liverpool war schon früh auf dem Transfermarkt tätig und hat sich mit Kolo Toure, Simon Mignolet, Iago Aspas und Luis Alberto verstärkt. Angeblich sollen 50 Millionen Euro zur Verfügung stehen, das Transfersaldo beläuft sich nach den Verkäufen von Andy Carroll (West Ham) und Jonjo Shelvey (Swansea) auf lediglich zwei Millionen Euro Unterdeckung.
Es bleibt also noch jede Menge Spielraum. Dass Rodgers jetzt ein Jahr im Amt ist und Liverpool wenigstens hier den Kontrahenten von United, ManCity und Chelsea mit ihren neuen Managern etwas voraus hat, ist ein kleiner Vorteil.
Was passiert mit Suarez?
Der geplante Wechsel von Henrikh Mkhitaryan von Schachtjor Donezk nach Liverpool scheiterte auf der Zielgeraden, weshalb Rodgers weiter Ausschau halten will. "Es gibt ein paar Positionen im Team, auf denen wir dünner besetzt sind als andere Mannschaften. Wir müssen auf der Linksverteidigerposition noch etwas tun. Und wir brauchen noch einen Spieler für den Angriff, wobei es dabei nicht um Nummern gehen soll, sondern um Qualität", sagt Rodgers.
26 Profis hat Rodgers im Kader, acht davon im Angriff. Auf eine bestimmte Position will er sich nicht festlegen lassen, vielmehr bleibt er in der Stellenbeschreibung gewollt schwammig. Was den einfachen Grund hat, dass der Verbleib von Luis Suarez weiter unsicher bleibt.
Rodgers jedenfalls kokettiert gern mit der Personalie. "Wenn man bedenkt, dass Cavani für 64,5 Millionen Euro verpflichtet wurde, muss man feststellen, dass Luis - was das Talent angeht - ebenfalls in diesem Bereich rangiert", sagte er vor ein paar Tagen dem "Mirror". Und legte dann nach: "Es gibt keine Garantie, dass Luis auch für einen solchen Betrag verkauft werden würde, weil wir hier etwas aufbauen wollen. Wir müssen ihn nicht verkaufen. Aber: Jeder Spieler hat seinen Preis."
Liverpool spielt das Spiel mit
Die Indizien sprechen allerdings durchaus dafür, dass Liverpool einem Verkauf nicht abgeneigt wäre. Suarez hat sich bei den eigenen Fans nicht eben beliebt gemacht. "Ich habe einen Vertrag bei Liverpool, aber es ist schwer, ein Angebot von Real Madrid abzulehnen. Ganz Uruguay ist stolz darauf, dass einer von ihnen die Chance hat, nach Madrid zu gehen", sagte er im Juni. Eine klare Positionierung, zudem noch ungeschickt verpackt.
Der Uruguayer hat noch einen Vertrag bis Juni 2018 beim FC Liverpool, die Aussicht auf einen hohen zweistelligen Millionenbetrag als Entschädigung für Suarez lässt die Reds aber das immer gleiche Wechseltheater munter mitmachen. Der zweifelhafte Ruf macht den 26-Jährigen neben Gerrard zum zweiten viel beachteten Spieler in den Reihen der Reds, nachdem in Jamie Carragher (Karriereende) und Pepe Reina (SSC Napoli) zwei Stützen nicht mehr da sind.
Allerdings trägt Suarez noch einen veritablen Makel mit sich herum. Nach seiner Bissattacke gegen Chelseas Branislav Ivanovic ist der Stürmer noch bis Anfang Oktober in der Premier League gesperrt.
Das ist der FC Liverpool
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