Der FC Barcelona unter Trainer Valverde: Viel Ernesto und eine Prise Pep

Stefan Zieglmayer
20. Februar 201815:36
Unter Ernesto Valverde hat der FC Barcelona in der Primera Division noch kein Spiel verloren.getty
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Ernesto Valverde wandelt auf den Spuren des erfolgreichsten Trainers der Vereinsgeschichte des FC Barcelona. In Spanien ist Barca das Maß der Dinge und schickt sich nun an, das auch in Europa wieder zu werden. Ins Champions-League-Achtelfinale gegen den FC Chelsea (20.45 Uhr im LIVETICKER) gehen die Katalanen als Favorit. Ein Hauch von Pep Guardiola erwartet die Blues.

31 Ligaspiele ungeschlagen. Valverdes Mannschaft zog durch den 2:0-Sieg über Eibar am vergangenen Samstag mit dem Kader von 2011 unter Pep Guardiola gleich. Eine bemerkenswerte Entwicklung, ruft man sich den holprigen Start in die aktuelle Spielzeit ins Gedächtnis. Abgang von Neymar, zwei Niederlagen in der Supercopa gegen Real Madrid, langwierige Verletzung von Neymar-Ersatz Ousmane Dembele.

Doch Valverde stand bereits vor seiner Unterschrift besonders unter dem Brennglas. Die Fans favorisierten Jorge Sampaoli. Valverdes weniger elegante Spielweise war nicht erwünscht in Katalonien. Es ist ein leidiges Thema beim FC Barcelona. Die vom Voetbal Total verwöhnten Barca-Fans schienen selbst nach dem achten Pflichtspielsieg in Folge, dem 1:0-Auswärtserfolg bei Sporting Lissabon in der Königsklasse, unzufrieden. Zu wenig attraktiv sei die Mannschaft von Valverde.

Sein Erfolg ist jedoch über jeden Zweifel erhaben. Spieler und Vereinsführung sind überzeugt vom System Valverde. Der 54-Jährige hat die Mannschaft stabilisiert und ihr gleichzeitig Flexibilität verschafft. Wurde Valverdes Anpassungsfähigkeit im Sommer noch in Frage gestellt, ist das eine der großen Stärken seines Teams.

Neue Rollen für Busquets und Messi

Egal, ob im 4-4-2 oder im 4-3-3, variiert Barca im Spielaufbau. Den gern genutzten Schachzug der Gegner, Sergio Busquets als Herz der Mannschaft aus dem Spiel zu nehmen, umgehen die Blaugrana über die Außen. Die sonst in die Breite gezogenen Innenverteidiger bleiben zentral, die Außenverteidiger übernehmen den Spielaufbau.

Busquets kommt dabei mehr und mehr die defensivere Rolle eines klassischen Vorstoppers zu, der bei Bedarf jedoch noch immer das Spiel gestalten kann. Die Viererkette im Mittelfeld variiert zwischen Raute und flacher Formation.

Die wichtigste Änderung, auch begünstigt durch den Wechsel von Neymar zu PSG, ist wohl die neue Rolle von Lionel Messi. La Pulga rückte wieder ins Zentrum, wo er auch vor Luis Suarez' Ankunft in Barcelona spielte. In der Doppelspitze neben dem Uruguayer oder als Mittelstürmer im 4-3-3 (Suarez rückt dann auf die linke Außenbahn) interpretiert Messi seine Rolle als falsche Neun - wie unter Guardiola.

Die Folge: Messi nimmt noch aktiver am Spielgeschehen teil, mimt aus der Tiefe kommend den kreativen Spielmacher und kommt selbst häufiger zum Abschluss.

Valverde verlangt absolute Spielkontrolle

Auch die generelle Spielidee Valverdes erinnert in Teilen an den Ballbesitzfußball unter Guardiola. Das vertikale Spiel aus Zeiten von Luis Enrique gehört der Vergangenheit an. Valverde fordert volle Spielkontrolle. Barca will den Ball und hat ihn im Schnitt zu 64 Prozent. In Zeiten Guardiolas lag dieser Wert bei rund 69 Prozent.

Barca ist immer darauf bedacht, Dreiecke zu bilden, um so mindestens zwei Anspielstationen für den Ballführenden zu schaffen. Nur jedes zwölfte Barca-Abspiel ist ein langer Ball. Ohne den unbedingten Drang nach vorne zu spielen, übt sich Valverdes Mannschaft solange in Geduld, bis sich eine Möglichkeit ergibt, in die Tiefe zu spielen. Auch für diese goldenen Momente ist Messi als Spielmacher gefragt. Kommt Barca hinter die gegnerische Abwehr herrscht Narrenfreiheit, die die Qualität der Einzelspieler erlaubt.

Szenen aus dem Spiel des FC Barcelona in Eibar.DAZN

Barcas Hochgeschwindigkeitspressing ist zurück

Oberstes Gebot ist nur: Ist der Ball weg, muss er schnellstmöglich wieder erobert werden. Valverde brachte das Hochgeschwindigkeitspressing zurück nach Katalonien. Er soll sogar Guardiolas "Sechs-Sekunden-Regel" wieder eingeführt haben, welche das Ziel beschreibt, das Spielgerät binnen sechs Sekunden wieder zurückzuerobern.

Die Besonderheit beim Gegenpressing unter Valverde: Es ist ballorientiert. So werden nicht etwa die möglichen Anspielstationen des ballführenden Spielers zugestellt. Stattdessen attackieren die Blaugrana den Mann mit Ball aggressiv im Kollektiv. Der Gegenspieler soll überfallartig eingeschnürt werden.

Szenen aus dem Spiel des FC Barcelona in Eibar.DAZN

Wird die erste Vorhut der Blaugrana dennoch überspielt, formieren sich die beiden Defensivreihen eng gestaffelt und relativ weit vor dem eigenen Tor, wodurch dem Gegner die Grundlage für vertikales Spiel entzogen werden soll. "Wir sind gerade im Mittelfeld sehr gut aufgestellt - das macht uns in der Defensive stärker", erklärt Messi. Das System verlangt eine hohe Laufleistung, die durch Erholung in Ballbesitzphasen kompensiert werden soll.

Statistik2015/162016/172017/18
Gegentore pro Spiel0,760,970,46
Anteil von Zu-Null-Spielen47,4 Prozent35,2 Prozent62,5 Prozent
Zugelassene Torschüsse pro Spiel3,504,263,21

Chelsea braucht ein "perfektes Spiel" gegen Barca

Diese Ruhephasen gilt es für Chelsea zu stören. Auch die Blues agieren in der Regel aggressiv gegen den Ball, allerdings nicht so hoch wie Barca, was den Katalanen entgegen kommen dürfte. Die Zweikampfstärke der Londoner und eine durch Contes 3-4-2-1-System mögliche Überzahl im Mittelfeld könnten Barca jedoch Probleme bereiten.

Gegen Barca muss die Defensive der Blues eine konstant konzentrierte Leistung abrufen, "das perfekte Spiel", wie Antonio Conte es nannte. Zwar scheint die Hintermannschaft mittlerweile gefestigt, dennoch schleichen sich immer wieder kleine Stellungsfehler ein. Chelsea offenbarte in den vergangenen Wochen zudem vermehrt Probleme bei hohem gegnerischem Pressing wie beispielsweise in der Anfangsphase des Spiels gegen Bournemouth.

Zudem ist fraglich, wie Conte auf Messi reagiert. Gut denkbar ist, dass N'Golo Kante sich im defensiven Mittelfeld um den Argentinier kümmert. Stößt La Pulga jedoch in die Spitze, werden Gary Cahill und Co. ins Eins-gegen-eins gezwungen. Barcas neue stabile Flexibilität ist zweifelsohne ein großes Verdienst vom zuerst ungeliebten Valverde.

Seine Akribie verschafft Barca neue Blickwinkel. "Einerseits sieht er uns ganz normal als seine eigene Mannschaft. Auf der anderen Seite allerdings blickt er auf unsere Mannschaft wie ein Trainer des gegnerischen Teams. Er überlegt, wie man gegen den FC Barcelona ankommt. Er ist genau der richtige Mann dafür", sagte Marc-Andre ter Stegen im ESPN-Interview über seinen Coach.

Die Fakten zum Spiel

  • Philippe Coutinho ist nicht spielberechtigt, da er bereits für den FC Liverpool in der Champions League spielte.
  • In der Gruppenphase kassierte Barca nur ein Gegentor (am 3. Spieltag beim 3:1 gegen Olympiakos) und stellte damit den Rekord in diesem Wettbewerb ein.
  • Messi gewann mit Barca nur eine seiner acht Partien gegen den FC Chelsea (5 Remis, 2 Niederlagen).
  • Die Blues verloren lediglich eines der letzten elf CL-Spiele an der Stamford Bridge (6 Siege, 4 Remis).