Am Donnerstag startet für die U17 des DFB die Europameisterschaft in Aserbaidschan. Der Kader ist talentiert, Trainer Meikel Schönweitz baut vornehmlich auf variabel einsetzbare Spieler. Der Kapitän sticht heraus, der eigentliche Star ist aber ein Stürmer. Vor dem ersten Gruppenspiel gegen die Ukraine (Do., 15 Uhr im LIVETICKER) macht SPOX eine Bestandsaufnahme.
Die Torhüter
Jan-Christoph Bartels hat den Konkurrenzkampf um den Platz zwischen den Pfosten für sich entschieden. Bartels stand bereits sechs Mal für die Schönweitz-Elf im Tor, auch für die deutsche U15 und U16 war der Mainzer bereits aktiv - diese Erfahrung ist der große Trumpf des Keepers.
"Er ist ein moderner, kompletter Torwart", lobt Schönweitz seinen Schützling bei SPOX. Deshalb hat der Coach bereits im Vorfeld klargestellt, dass Bartels die klare Nummer eins ist. Diese Rolle habe sich der Torhüter in den vergangenen Jahren und während der Qualifikation verdient.
In Aserbaidschan kann die DFB-Auswahl davon profitieren, dass Bartels als Vertreter des modernen Torwartspiels mit seinen technischen Fähigkeiten den Spielaufbau vorantreiben kann. In engen Spielen können besonders seine außergewöhnlichen Reflexe auf der Linie seiner Mannschaft weiterhelfen. Sollte es in den K.o.-Spielen bis ins Elfmeterschießen gehen, wäre Bartels voll in seinem Element, denn seinem Trainer zufolge ist der Keeper ein wahrer "Elfmeter-Killer".
Bei einem Ausfall von Bartels würde Lennart Grill, der auch schon fünf Freundschaftsspiele für die U17 absolviert hat, einspringen. Da die beiden Torhüter die Situation von ihrem Verein, dem 1. FSV Mainz 05, kennen, sind die Fronten von Anfang an geklärt. Obwohl Schönweitz auf dieser Position zwei große Talente in seinen Reihen weiß, hätte der Coach gerne noch einen dritten Keeper nominiert, aber in den Regularien der UEFA sind nur zwei Torhüter vorgesehen.
Fazit: Auch ohne einen zweiten Backup muss sich Schönweitz keine Sorgen machen, denn mit Bartels und Grill ist die Auswahl bestens besetzt. Mit seiner reichlichen Erfahrung strahlt Bartels die nötige Souveränität aus und bringt alles mit, um seinem Team den gewohnt sicheren Rückhalt zu bieten.
Die Abwehr
Bei den Feldspielern ist die Rangordnung deutlich fließender als bei den Torhütern. Dementsprechend betont Schönweitz, dass es derzeit zwar ein gewisses Grundgerüst, aber noch keine erste Elf gebe. Da passt es ins Bild, dass alle Nominierten bereits einige Partien für die DFB-Nachwuchsabteilung bestritten haben. Auch bei der EM sollen dem Trainer zufolge alle 16 Feldspieler mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zum Einsatz kommt.
Im Abwehrzentrum setzt der Coach dabei auf Variabilität und hat mit Florian Baak, Mika Hanraths und Sven Sonnenberg drei Innenverteidiger mit unterschiedlichen Stärken in den Kader berufen. Baak fällt durch seine physische Präsenz auf, wobei das Kopfballspiel sein größter Trumpf ist. Außerdem liest der Herthaner das Spiel gegen den Ball stark und überzeugt so durch seine starke Antizipationsfähigkeit.
Der Fortune Hanraths hingegen besticht durch seine enorme Schnelligkeit und Leidenschaft. "Mika spielt mit viel Herzblut und agiert sehr mutig", so Schönweitz. Sonnenberg, der dritte Innenverteidiger der deutschen U17, spielt in der Jugend des 1. FC Köln und ist mit 1,96 Metern Körpergröße der Turm der Mannschaft. "Er bringt eine enorme Physis mit. Aber er hat seine größte Stärke beim Spielaufbau: er ist beidfüßig und extrem passsicher."
Da sich alle drei qualitativ auf einem ähnlichen Level bewegen, will Schönweitz die Besetzung der Innenverteidigung von der Verfassung der Spieler, der jeweiligen Spielsituation und dem Gegner abhängig machen.
Die Qual der Wahl hat der Coach auch auf den Außen - besonders auf der linken Seite. Denn mit dem Wolfsburger Gian-Luca Itter und Jan-Niklas Beste vom BVB sind gleich zwei talentierte Linksverteidiger im Kader, die das Komplettpaket mitbringen. Dementsprechend sind beide Kandidaten für die Startelf. "Da beide sehr flexibel sind, ist es auch eine Option, dass beide spielen - einer offensiv, einer defensiv." Es bleibt spannend abzuwarten, welche Lösung der 36-Jährige für die Überbesetzung findet.
Anders stellt sich die Situation auf der etwas unauffälligeren rechten Seite dar. Dort muss sich Schönweitz zwischen zwei Spielern entscheiden: Während David-Jerome Itter (Zwillingsbruder von Gian-Luca) vom VfL Wolfsburg die Rolle des Rechtsverteidigers offensiv interpretiert, verleiht Hoffenheims Alfons Amade der Defensive als Mr. Zuverlässig Stabilität.
Fazit: Eine fest gezurrte Viererkette, die in jedem Spiel verteidigt, ist unwahrscheinlich. Anhand der gewünschten taktischen Ausrichtung wird Schönweitz die Abwehrreihe unterschiedlich besetzen. So kann der Coach dank der Variabilität seiner Verteidiger auf verschiedene Entwicklungen in den Partien oder im Laufe des Turniers reagieren.
Das Mittelfeld
Im Mittelfeld baut das deutsche Team auf Kompaktheit. "Wir wollen insgesamt eine gute Raumaufteilung finden und nicht auf einzelne Positionen konzentrieren", gibt der Trainer die Richtung unmissverständlich vor.
Zu diesem Zweck dominieren in diesem Mannschaftsteil wenig überraschend zentrale Mittelfeldspieler. Einer davon ist Bochums Tom Baack, der zwar als Innenverteidiger ausgebildet wurde, für Schönweitz auf der Sechs aber unverzichtbar ist. "Er ist unser aggressive Leader und deshalb ist er sehr wichtig für das gesamte Team."
Ebenso auf der Sechs oder teilweise auch auf der Acht beheimatet ist Jannis Kübler. Der Linksfuß vom KSC ist ein Dauerläufer, der hohen Aufwand betreibt und die Passwege des Gegners dicht macht. Mit 16 Jahren darf er sogar bereits regelmäßig für den KSC in der A-Junioren Bundesliga ran.
In Aserbaidschan dürften allerdings andere die Nase vorne haben, einer davon ist Atakan Akkaynak - der Chef im Mittelfeld. Der Taktgeber gehört zu den größten Talenten von Bayer Leverkusen und soll angeblich schon länger vom FC Barcelona beobachtet werden. Der 17-Jährige ist ein Abräumer vor der Abwehr, der nach Ballgewinnen sofort die Spieleröffnung übernimmt. Als Kapitän der U17-Auswahl bestimmt er das Tempo im Offensivspiel und soll für die Geniestreiche sorgen. Allerdings muss Schönweitz' Team zunächst auf seinen Kapitän verzichten, denn Akkaynak wird das Auftaktmatch gegen die Ukraine wegen einer Sperre verpassen.
In diesem Spiel könnte sein Teamkollege Kai Havertz in die Bresche springen. Er gehört mit elf Einsätzen zu den erfahrensten Spielern im Kader. An Havertz schätzt Schönweitz dessen Torgefährlichkeit und Kreativität. "Außerdem kann er mit seiner Veranlagung auf der Außenbahn zum Einsatz kommen", so der Übungsleiter. Auch nach der Rückkehr von Akkaynak dürfte Havertz fester Bestandteil im Mittelfeld bleiben.
Die beiden Leverkusener Nachwuchsspieler können sich im Sommer über einen neuen, bekannten Mitspieler freuen, denn Nationalmannschaftskollege Sam Francis Schreck vom FC St. Pauli wird sich nach dieser Saison der Werkself anschließen. Mit seiner dynamischen Spielweise ist Schreck wie geschaffen für einen Spielgestalter und bei einem System mit klassischem Zehner dürfte der 17-Jährige gesetzt sein. "Sam ist sehr kreativ, gewitzt und ein echter Lausbub", schwärmt Schönweitz.
Ebenso viele Einsätze wie Havertz sammelte von allen Nominierten nur noch Arne Meier, der aufgrund seiner variablen Fähigkeiten nahezu alle Positionen im Mittelfeld bekleiden kann. Seine Torgefährlichkeit stellte der Herthaner mit vier Treffern in seinen elf Einsätzen für die U17 unter Beweis.
Eine weitere Option ist Jano Baxmann, der in seinen 15 Einsätzen für die deutsche Nachwuchsabteilung beachtliche sieben Tore erzielt hat. Da der Werderaner sowohl auf dem Flügel als auch im Sturm eingesetzt werden kann, dürfte er einige Einsatzminuten sicher haben.
Fazit: Es ist auffällig, dass Schönweitz vornehmlich auf zentrale Mittelfeldspieler baut, die flexibel einsetzbar sind. Spätestens nach der Ankündigung des Trainers kann man davon ausgehen, dass im Mittelfeld rotiert wird und jeder Akteur seine Minuten bekommt. Findet Akkaynak nach seiner Sperre schnell zu seiner Form, könnte der Kapitän das Team tragen und sich weiter in die Notizblöcke der Scouts eintragen.
Der Angriff
Renat Dadashov ist der unumstrittene Star der deutschen Auswahl. Der Stürmer erzielte in 15 Einsätzen für die Nachwuchsabteilungen des DFB 14 Tore und spielt bei RB Leipzig bereits in der A-Junioren Bundesliga, in der ihm ebenfalls bereits neun Treffer gelangen.
"Er ist der geborene Goalgetter und hat für uns schon sehr viele Tore erzielt hat", analysiert Schönweitz. Dabei geht Dadashov nicht nur mit seinen Toren voran, sondern reißt seine Kollegen mit seiner Spielweise mit. "Er verkörpert den unbedingten Siegeswillen, den wir brauchen."
Da Dadashov, der während der EM seinen 17. Geburtstag feiert, seine Wurzeln in Aserbaidschan hat, ist die EM für den Teenager nicht nur sportlich ein besonderes Turnier.
Aber mit Yari Otto darf sich auch der zweite gelernte Stürmer Hoffnungen auf reichlich Einsatzminuten machen, denn Schönweitz will sein Team mit einer Doppelspitze auf den Platz schicken. Zudem schätzt der Nationaltrainer den Wolfsburger Jungspund für dessen unermüdliche Arbeit auf dem Rasen. "Yari läuft die gegnerische Abwehr ständig an und ärgert den Gegner dadurch. Er lauert ständig auf seine Chancen und ist immer hellwach."
Während es für Otto im Verein blendend läuft (15 Tore in 23 Spielen), ist die EM in Aserbaidschan für den 16-Jährigen die passende Gelegenheit, um das Torkonto auch bei der U17 hochzuschrauben (bislang 1 Tor in 9 Spielen).
Sollte Schönweitz im Laufe einer Partie neue Anreize setzen wollen, ist - wie bereits erwähnt - auch Jano Baxmann eine Option für die vorderste Linie.
Fazit: Mit Renat Dadashov hat der DFB einen der torgefährlichsten Nachwuchsstürmer Europas in seinen Reihen. Viel wird davon abhängen, ob der Ausnahmekönner von seinen Mitspielern in Szene gesetzt werden kann. Konzentriert sich der Gegner auf Dadashov, könnte das Platz für Yari Otto und die nachrückenden Mittelfeldspieler geben.
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