Wird München jemals wieder zu einer Eishockey-Stadt? EHC-Manager Christian Winkler spricht bei SPOX über Visionen und den Franz Beckenbauer Ungarns.
Auswärtsreisen im Eishockey sind meist sehr beschwerlich. Sie sind häufig mit stundenlangem Busfahren verbunden. Spielt man in der 2. Bundesliga, muss man warten, bis endlich das Ortsschild Crimmitschau auftaucht. Oder Bietigheim-Bissingen.
Gut also, wenn man ein schönes Buch zur Hand hat. Pat Cortina und Christian Winkler, Trainer und Manager beim EHC München, hatten diese Freude.
Das Werk, das sie so begeisterte, trägt den Titel "Die Ballade vom Whisky-Räuber". Es geht in dieser wahren Geschichte um einen rumänischen Aussiedler mit Namen Attila Ambrus.
Er zieht nach Ungarn und gibt bei Ujpesti Torna Egylet erst den Zamboni-Fahrer, fährt die Maschine dann im Suff gegen die Wand, fliegt raus, erhält aber später als Torwart eine neue Chance und spielt sogar noch bei Ferencvaros.
Richtig spektakulär wird es, als er in den 1990er-Jahren eine Serie von 29 Banküberfällen verübt. Vorher muss er sich immer mit Whisky Mut antrinken, so dass er den Spitznamen Whisky-Räuber erhält.
Mit Ungarn in die A-Gruppe
Die Geschichte ist so faszinierend, dass sich Johnny Depp schon die Filmrechte gesichert hat. Ambrus sitzt noch bis 2016 in Haft, dennoch wird er in Ungarn wie ein Volksheld im Stile von Robin Hood verehrt.
Was das alles mit dem EHC München zu tun hat? Sehr viel. Denn Pat Cortina ist nicht nur Coach der Münchener, er ist auch ungarischer Nationalcoach und hat sich als solcher ebenfalls Heldenstatus erarbeitet.
EHC München: Werbespot mit "Dr. House"
Er hat es nämlich tatsächlich geschafft, mit der "Eishockey-Nation" Ungarn in die A-Gruppe aufzusteigen.
Der Kaiser von Ungarn
"Das ist eine unvorstellbare Leistung. Der totale Wahnsinn. Er ist der Franz Beckenbauer Ungarns", erzählt Winkler im Gespräch mit SPOX.
"Er schaut nach außen vielleicht etwas hart aus, aber Pat ist ein wunderbarer Mensch und einer der besten Trainer, die es in Deutschland gibt. Er lebt jeden Tag für seine Leidenschaft Eishockey."
Dank Cortina ist nicht nur Ungarn auf dem Vormarsch, auch der EHC München spielt nach einer enttäuschenden letzten Saison in der 2. Bundesliga wieder vorne mit. Aktuell steht der EHC für die Verantwortlichen wegen des radikalen Umbaus selbst etwas überraschend auf Rang drei. Platz sechs und die direkte Qualifikation für die Playoffs sind das neue Minimalziel.
Heatley in München
Schaut man sich den Kader an, stolpert man sofort über einen Namen: Heatley. Nicht Dany Heatley, der Superstar von den Ottawa Senators aus der NHL hat sich nach München verirrt, aber sein Bruder Mark.
"Sein Vater Murray Heatley war mein Idol, als er in der Meistermannschaft von Riessersee gespielt hat. Im Sommer stand plötzlich der Name Heatley auf der Liste eines Agenten. Dann habe ich bei Franz Reindl nachgefragt, der mit Murray Heatley noch zusammengespielt hat, und so kam die Sache ins Rollen. Wir sind stolz, dass er hier ist", sagt Winkler.
Der Manager will zusammen mit Präsident Jürgen Bochanski dafür sorgen, dass Eishockey in der bayerischen Landeshauptstadt wieder einen höheren Stellenwert bekommt.
In drei Jahren oben anklopfen
Keine leichte Aufgabe. Ob das Team nun Hedos, Maddogs oder Barons hieß - Erfolg war zwar da, aber die finanziellen Pleiten haben vieles kaputt gemacht. Die Zuschauer zurückzugewinnen ist schwierig.
"Wir kommen aus der Oberliga, das darf man nicht vergessen. Aber wir haben Visionen. Vielleicht können wir in drei Jahren wieder oben anklopfen, wenn die Rahmenbedingungen passen", meint Winkler.
Die Olympia-Eissporthalle hat einen guten Standard, aber zu den Rahmenbedingungen gehört natürlich auch eine Multifunktionsarena, wie es so schön heißt. Überall in Deutschland sind sie entstanden, nur in München steht die schöne, aber eben alte und Eishockey-untaugliche Olympiahalle.
Olympia 2018 als Chance
Sollten München und Garmisch-Partenkirchen den Zuschlag für die Olympischen Winterspiele 2018 bekommen, könnte sich aber auch diesbezüglich in der Zukunft etwas tun.
Mit oder ohne Arena: München wird auf immer und ewig eine Fußball-Stadt bleiben. Aber wer weiß, vielleicht kommt in einigen Jahren eine Zeit, in der der Begriff Eishockey-Stadt nicht ganz so fremd wirkt wie heute.
Es wäre vor allem Bochanski, der den Klub mit viel Geld und Herzblut unterstützt, zu gönnen.
Die Tabelle der 2. Bundesliga