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NFL - Drei Spiele, null Siege: Das sind die zahlreichen Probleme von Carson Wentz und den Indianapolis Colts

Von Jan Dafeld
Carson Wentz wurde im Sommer per Trade von den Philadelphia Eagles verpflichtet.
© getty

Die Indianapolis Colts sind denkbar schlecht in die neue Saison gestartet. Nach nur drei Spielen steht das Team bereits mit dem Rücken zur Wand. In den kommenden Wochen scheinen Siege nun Pflicht zu sein - andernfalls könnte die Franchise bald gezwungen sein, Quarterback Carson Wentz auf die Bank zu setzen.

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"Es ist definitiv ein realistisches Ziel für dieses Team. Ihr habt gesehen, was wir letztes Jahr geschafft haben und ich habe das Gefühl, dass wir in der Offseason noch besser geworden sind. Ich denke, es ist möglich. Auf jeden Fall."

Als DeForest Buckner im Juli über die Ziele der Colts in der kommenden Saison sinnierte, sprach der Defensive Tackle nicht etwa über den erneuten Einzug in die Playoffs oder den ersten Division-Titel seit 2014. Es ging um den Super-Bowl-Sieg, Buckner hatte den Titelgewinn ins Auge gefasst.

Und gänzlich alleine stand Buckner mit seiner Einschätzung des Potenzials der Colts nicht da. Indianapolis hatte im Vorjahr eine Top-10-Defense gestellt, so mancher Beobachter steckte zudem hohe Erwartungen in ein Running Game, das dank einer guten Offensive Line und dem starken Rookie Jonathan Taylor zu den besten der Liga gehören könnte.

Dazu kam Carson Wentz, der Quarterback, der in der Vorsaison bei den Philadelphia Eagles zwar sehr unglücklich agierte, im Jahr 2017 aber noch zum Kreis der MVP-Kandidaten zählte - und das damals unter der Führung von Frank Reich, der ihm in Indiana nun als Head Coach zur Seite stehen würde.

Ein Super-Bowl-Contender schienen die Colts zwar eher nicht zu sein, doch ein gutes bis sehr gutes Team? Dies schien für viele auf jeden Fall im Bereich des Möglichen.

Indianapolis Colts: Kein gutes Football-Team?

Nur knapp zwei Monate später sieht die Realität allerdings gänzlich anders aus. Die Colts haben ihre ersten drei Saisonspiele allesamt verloren. Statt eines tiefen Playoff-Runs scheint dem Team eine verlorene Saison bevorzustehen.

"Es ist zum Kotzen, erst recht, wenn man so ehrgeizig ist", macht Star-Linebacker Darius Leonard seinem Ärger Luft. "Wir reden immer über den ersten Sieg. Aber den müssen wir jetzt mal einfahren, verdammt. Wir müssen das schaffen. Und zwar schnell."

"Ich bin angepisst. Ich bin sauer. Ich bin enttäuscht", sagt auch Running Back Nyheim Hines. "Am Mittwoch werde ich ins Training gehen und mir den Arsch aufreißen."

"Ich habe schon in einigen schlechten Teams gespielt. Wir sind keines davon", bleibt zumindest Buckner optimistisch. Nur: Auch wenn die Colts angeblich kein schlechtes Team sind, wie Buckner behauptet, so haben sie in den ersten Wochen dieser Saison doch über weite Strecken den Eindruck erweckt, dass sie genau das sind: kein gutes Football-Team.

reich
© getty

Colts: Spielplan und Verletzungen nur ein Teil des Problems

Die Gründe für den so enttäuschenden Saisonstart der Colts sind vielschichtig. Der offensichtlichste ist das schwere Auftaktprogramm: Die Seahawks, Rams und Titans gewannen in der vergangenen Saison allesamt mindestens zehn Spiele, zogen in die Playoffs ein und zählen auch in dieser Spielzeit eindeutig wieder zu den Playoff-Anwärtern.

Dazu kommen jede Menge Verletzungen: Mit Wentz, Leonard, Quenton Nelson, Ryan Kelly und Eric Fisher verpassten fünf der größten Leistungsträger des Teams große Teile des Training Camps vor der Saison. Leonard spielt sichtbar angeschlagen, Nelson musste gegen die Titans verletzungsbedingt raus, zudem verpassten Right Tackle Braden Smith und Cornerback Xavien Rhodes jeweils zwei Spiele.

In Tennessee musste Wentz zu allem Überfluss mit zwei verstauchten Knöcheln auflaufen. Er sei "bei 70 bis 80 Prozent" erklärte Reich, ein Umstand, der den Quarterback gegen die Titans sichtlich limitierte. Dass Wentz den Backup-Optionen der Colts trotzdem vorgezogen wurde, wirft Fragen hinsichtlich der Kader-Zusammenstellung des Teams auf.

Doch die Probleme der Franchise sind nicht allein mit dem Spielplan und den Verletzungen zu erklären. Die Seahawks, Indys Gegner aus Woche eins, verloren ihre beiden weiteren Spiele gegen die Titans und Vikings, Tennessee wurde zum Saisonstart von den Cardinals überrollt. Teams wie die Ravens, Cowboys und Broncos zeigen zudem, dass man auch mit signifikanten Verletzungen im Kader durchaus noch Spiele gewinnen kann.

Indianapolis Colts: Defense plötzlich eine Schwäche

Es deutet sich an, dass der Optimismus einiger Beobachter und Team-Verantwortlicher offenbar nicht berechtigt war. Vielmehr scheinen kritische Stimmen, wonach der defensive Erfolg aus einer Saison nur schwer auf die nächste zu übertragen sei, Recht zu behalten.

Über die ersten drei Wochen erinnerte in der Verteidigung fast nichts an die guten Leistungen, welche die Unit zuvor unter Defensive Coordinator Matt Eberflus hatte hinlegen können. Nach EPA/Play sind in dieser Saison bislang nur die Lions noch schwächer gegen den Pass. Indys Run-Defense ist zudem nicht besser als Durchschnitt.

Zumindest ein wenig Hoffnung auf Besserung könnte Indianapolis' Defense bei Third und Fourth Downs machen: In den ersten drei Wochen ließen die Colts bei 63 Prozent der gegnerischen Third oder Fourth Downs ein neues First Down zu. Ein Wert, der im weiteren Verlauf der Saison nahezu garantiert kleiner werden wird.

Gleichzeitig profitierte die Defense bislang allerdings auch von zahlreichen Turnovern: In drei Spielen kamen die Colts auf sechs Takeaways, nur drei Teams, die Cowboys, Cardinals und Saints, haben noch mehr auf dem Konto. Auch dieser Wert wird über die kommenden Wochen nicht zu halten sein - und sollte deshalb eigentlich zu Siegen führen: Alle anderen Teams mit mindestens sechs Takeaways in den ersten drei Wochen konnten mindestens zwei Spiele gewinnen.

Indianapolis Colts: Wentz ist kein Upgrade zu Rivers

Dazu kommt eine Offense, die selbst mit vielen Problemen zu kämpfen hat: Indianapolis' Run-Game zählt über die ersten drei Wochen zwar tatsächlich zu den effektivsten in der NFL, die Befürchtung, dass dieses die Offense ohne ein konstantes Passspiel nicht tragen können wird, scheint sich jedoch zu bewahrheiten.

Wentz ist sehr wahrscheinlich nicht das erhoffte Upgrade gegenüber Philip Rivers - und das, obwohl der 28-Jährige zumindest deutlich besser spielt als noch in der Vorsaison. Auch das ist ein Zustand, den viele Kritiker schon vor dem Saisonstart so prognostiziert hatten.

Auch bei den Colts hält Wentz den Ball immer noch zu oft zu lange. Rivers verzeichnete in der Vorsaison die zweitniedrigste Quote von Dropbacks unter Druck, Wentz steht nach drei Spielen bei einer Pressure-Rate von 47,5 Prozent - die höchste in der NFL! Die bislang enttäuschende Offensive Line trifft in diesem Punkt zwar eine Mitschuld - dass Wentz viele seiner Pressures selbst verschuldet, ist allerdings kein neues Problem.

Darüber hinaus agiert die Offense im Passspiel bislang zu vorsichtig und konservativ. Wentz wirft den Ball im Schnitt keine sechs Yards über die Line of Scrimmage hinaus - einer der niedrigsten Werte in der Liga. Den Colts fehlen offensiv Playmaker, die auch tief Separation kreieren können. Dass Indys Receiving Corps eine Schwäche des Teams ist, kommt ebenfalls nicht wirklich überraschend.

Und die Probleme der Offense dürften in der nahen Zukunft nur noch größer werden: Wentz war gegen die Titans nicht annähernd fit, das war für jeden Zuschauer deutlich zu sehen. Und zwei verstauchte Knöchel werden nicht innerhalb einer Woche verheilen.

Indianapolis Colts: Eher Top-Pick statt Super Bowl

In den nächsten zwei Spielen treffen die Colts nun mit einem angeschlagenen Quarterback auf die Dolphins und die Ravens. Gewinnt das Team nur eines der zwei Spiele oder verliert gar beide, wäre der Traum von den Playoffs schon so gut wie ausgeträumt.

Seit 1980 zogen gerade mal sechs Teams nach einem Start mit drei Niederlagen aus den ersten drei Spielen noch in die Playoffs ein. Der siebte Playoff-Spot erleichtert dieses Unterfangen zwar ebenso wie das zusätzliche 17. Saisonspiel ein wenig, doch die Statistik beweist: Indy steht schon jetzt mit dem Rücken zur Wand.

Damit könnte sich für die Franchise schon bald eine ganz andere Frage stellen: Wie lange kann man noch Wentz auf dem Feld lassen? Verpassen die Colts die Playoffs, darf der Quarterback auf keinen Fall mehr als 75 Prozent der Snaps spielen, denn in diesem Fall müsste Indianapolis einen hohen Erstrundenpick an die Eagles abtreten.

Verlieren die Colts auch gegen die Dolphins und die Ravens, wird Wentz sehr wahrscheinlich auf der Injured-Reserve-Liste landen. Offiziell, um sich auszukurieren, in erster Linie jedoch, um den eigenen Pick zu schützen. Vier Spiele müsste Wentz wohl mindestens aussetzen, um am Ende unter der magischen Grenze von 75 Prozent zu landen.

Für Colts-Fans sind solche Gedankenspiele so früh in der Saison bitter und enttäuschend. Es ist jedoch an der Zeit, der Realität ins Auge zu sehen: Dieses Team ist aktuell deutlich näher an einem Top-Pick als am Gewinn des Super Bowls.

Indianapolis Colts: Die Saisons der letzten zehn Jahre

JahrBilanzPlayoffs
202011-5Wild Card Round
20197-9-
201810-6Divisional Round
20174-12-
20168-8-
20158-8-
201411-5AFC Championship
201311-5Divisional Round
201211-5Wild Card Round
20112-14-
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