Draft: Clemson Defensive Line - wie LeBron James gegen die Power Rangers

Marcus Blumberg
12. April 201908:58
Clemsons Defensive Live aus Clelin Ferrell, Christian Wilkins, Dexter Lawrence und Austin Bryant könnte beim NFL Draft 2019 Historisches schaffen.getty
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Knapp zwei Wochen vor dem NFL Draft 2019 steigt langsam die Spannung. Eine besondere Rolle könnte dabei die Defensive Line von Clemson spielen, die Historisches schaffen kann. Die vier Starter der Tigers eint nicht nur eine große Qualität, sondern auch eine spezielle Freundschaft - die weder LeBron James, noch die Power Rangers auseinanderbringen können.

Eine der wohl interessantesten Storylines der diesjährigen Draft-Klasse ist die Defensive Line vom National Champion, den Clemson Tigers. Immerhin hatten bereits vor dem Start der vergangenen Saison nicht wenige prognostiziert, dass mit Christian Wilkins, Dexter Lawrence, Clelin Ferrell und Austin Bryant gleich vier D-Line-Starter im Draft 2019 in Runde 1 gezogen werden könnten.

"Es hat schon Lines mit individuell besseren Spielern oder Leistungen gegeben, aber keine, die mit Clemsons Gesamtpaket aus Kadertiefe, Talent und Gesamtproduktion zu vergleichen ist", schrieb kürzlich Paul Myerberg, ein erfahrener College-Football-Autor von USA Today. Dennoch sind Vergleiche mit der Vergangenheit keine Seltenheit mit dieser Truppe.

Ein gern genommener Vergleich ist der mit Corey Crawford, Grady Jarrett, DeShawn Williams und Vic Beasley aus dem Jahr 2014. Doch selbst damals wurde nur einer von ihnen in Runde 1 gedraftet - Beasley war der 8. Pick insgesamt im Draft 2015 von den Atlanta Falcons - Jarrett, der ebenfalls in Atlanta landete, wurde erst in Runde 5 gezogen.

In Sachen College-Dominanz wiederum kann noch die 1989er D-Line von Miami herangezogen werden. Doch auch aus dieser illustren Gruppe stachen letztlich nur der spätere Hall-of-Famer Cortez Kennedy sowie Jimmie Jones von den Cowboys heraus.

Diese Defensive Line der Clemson Tigers kann also eine ganz besondere sein, beziehungsweise durch den Draft noch werden. Vor allem, wenn tatsächlich drei es in Runde 1 in die NFL schaffen - Clemson hatte noch nie mehr als zwei First-Rounder in einer Draft-Klasse!

"Wollen eine der besten Draft-Klassen überhaupt sein"

Ein Fakt, dessen sich die Protagonisten dieser Geschichte durchaus bewusst sind. "Unser Motto war, dass wir eine der besten Draft-Klassen überhaupt aus Clemson sein können", sagte Wilkins gegenüber ESPN: "Wir wussten, dass wir die Chance haben, etwas Besonderes, etwas Großartiges zu schaffen. Etwas, das nie zuvor geschafft wurde."

Lawrence formulierte es gar noch offensiver: "Wir wollen die Größten überhaupt sein. Auf dem College haben wir jeden Tag darauf hingearbeitet. Wir haben das Gefühl, dass uns dies keiner nehmen kann."

Rein sportlich hat diese Unit auf dem College alles erreicht. Zu Buche stehen in erster Linie zwei National Championships, wobei besonders die aus dem Januar eine spezielle ist. Die Tigers dominierten den haushohen Favoriten Alabama gerade an der Front nach Belieben und ließen keinen Zweifel daran, wer der verdiente National Champion war.

Besonders machte diesen Titel aber vor allem die Tatsache, dass mit Wilkins, Ferrell und Bryant gleich drei Seniors dabei waren, die allesamt schon im Vorjahr hätten abspringen und für den Draft melden können. Dank großartiger Überzeugungsarbeit von Head Coach Dabo Swinney und einer ohnehin ausgeprägten Kameradschaft blieb die Truppe aber zusammen und holte sich gewissermaßen den Titel zurück.

Austin Bryant: Passionierter Angler

Die vier eint eine Freundschaft, die weit über den Sport hinaus geht. Das Quartett funkt auf einer Wellenlänge. Da wäre etwa Bryant, ein passionierter Angler. Nicht selten lädt er seine Buddys zu Angelausflügen ein.

Oder Ferrell, der großer Fan des Königs der Löwen ist und als Kind den Josef im Krippenspiel gegeben hat. Lawrence wiederum ist der Nerd der Truppe - ein Mathe-Freak, der einst ein Mathematik-Sommercamp besucht hat.

Wilkins indes ist der Prankster. Er spielte schon mehrere elaborierte Streiche mit seinen Coachs - mit ausgeklügelten Skripts und allem, was dazu gehört. Etwa bei der ersten Zusage, als er ihnen zunächst mitteilte, auf keinen Fall für Clemson spielen zu wollen.

Oder vor der Saison 2018, als er sich bereits verabschiedet hatte, nur um ihnen dann zu eröffnen, dass er doch noch ein Jahr dranhängen würde. Einmal erzählte er Swinney, dass er nach Colorado ziehen und mit seiner Freundin durchbrennen wolle.

Wilkins ist allerdings auch der Debattierkönig der Gruppe und derjenige, der als einziger der vier kein Verehrer von NBA-Star LeBron James ist. Seine drei Kollegen sind große Fans, doch nicht Wilkins. "Oh mein Gott", sagte Clemsons Defensive-Tackles-Coach Todd Bates gegenüber The Post and Courier: "Christian war in der Unterzahl. Aber er ist der ultimative Debattierer. Du musst schon alles geben, wenn du mit ihm diskutieren willst. Er ist sehr schlau."

Bates lud die Jungs häufiger zum Abendessen zu sich nach Hause ein, wo dann immer wieder LeBron zur Sprache kam. Aber nicht nur der; Bates berichtete vom ersten Treffen mit Wilkins.

Im Gespräch zwang Wilkins seinen künftigen Positionscoach dazu, nach langer Debatte die Power Rangers den Ninja Turtles vorzuziehen. Und die Power Rangers scheinen eine große Rolle zu spielen in der D-Line Clemsons. An Halloween verkleideten sich fünf von ihnen als eben diese, zudem traten sie zu ihrem Pro Day mit Power-Rangers-Stirnbändern an.

Clemsons Defensive Line durch Schicksalsschläge vereint

Diese Anekdoten sind aber nur die eine Seite der Medaille. Verbunden sind die vier auch durch Schicksalsschläge. Wilkins' Großvater wurde von einem Polizisten unrechtmäßig getötet, während Ferrell seinen Vater an den Krebs verlor.

Bryant erlebte den langen Kampf seines Onkels gegen eine schwere Krankheit und Lawrence wiederum absolvierte eine komplette Saison mit einem kaputten Fuß - Schmerzen anderer Natur, aber Schmerzen nichtsdestotrotz.

Letzterer fiel vor kurzem in Ungnade, nachdem er bei einem Dopingtest erwischt wurde. Er wurde folglich gesperrt und verpasste damit die College Football Playoffs komplett.

Was jedoch über allem steht, ist ihr Zusammenhalt. Ferrell kündigte bereits an, dass die bald ehemaligen Teamkollegen als Patenonkel seiner künftigen Kinder bereitzustehen haben.

Rein sportlich betrachtet eint gerade die ersten drei vor allem, dass sie über eine außergewöhnliche Positionsflexibilität verfügen. Keiner kann "nur" eine Position spielen. Der wohl Beste der Truppe ist Wilkins, der das komplette Paket verkörpert.

Clelin Ferrell und Co. gewannen 2018 den Cotton Bowl Classic gegen Notre Dame.getty

Christian Wilkins: Monster und Babysitter

"Ich bin der Typ, den du als Monster auf dem Feld haben willst, aber gleichzeitig willst du auch, dass ich auf deine Kinder oder Enkelkinder aufpasse", zitiert ESPN Wilkins. "Ich bin der Typ Spieler, der deine Organisation auf jeden Fall verbessern wird." Auf dem Feld heißt das, dass er sowohl als Tackle als auch als End fungieren kann. Mehr noch: Er war auch schon als Fullback im Einsatz und erzielte insgesamt drei Touchdowns (2 RUSH, 1 REC).

Ferrell wiederum ist eher der klassische Edge-Verteidiger. Ihn kann man als 5-Technique einsetzen, aber eben auch als 3-4-Outside-Linebacker. Zudem zeigte er sich in seinen vier Jahren auf dem College stets als fähiger Mann auch gegen den Lauf.

Lawrence ist zwar aufs Zentrum beschränkt, kann jedoch sowohl als Tackle in einer 4-3-Defense als auch als End in einer 3-4-Defense fungieren. Zudem dürfte er als Nose Tackle mit seinen 154 Kilogramm an Masse ebenfalls zu gebrauchen sein. Was bei Lawrence auffällig ist, ist seine Beweglichkeit trotz der Masse. Er mag zwar nicht über raffinierte Moves verfügen, schafft es aber dennoch immer wieder, Double-Teams auf sich zu ziehen. Das kreiert Lücken für die Nebenleute.

Bryant ist ebenfalls eher der klassische Edge-Guy. Scouts sehen bei ihm noch Steigerungspotenzial im Stärkebereich. Ihm wird zugetraut, ein fähiger Edge-Rusher zu werden, allerdings müsse er dafür noch stärker werden und an seiner Technik feilen. Noch scheint er Probleme zu haben, die Edge konstant zu etablieren.

NFL Draft 2019: Drei Erstrundenpicks für Clemson?

Schaut man nun auf aktuelle Projektionen, dann könnten alle bis auf Bryant tatsächlich schon in Runde 1 gezogen werden. Bryant wiederum verortet man dagegen eher am dritten Tag des Drafts. Damit aber hätte Clemson seinen historischen Erfolg, während alle vier ihren großen Traum von der NFL erfüllen würden.

Während für Clemson die tatsächliche Reihenfolge der Picks keine große Rolle spielen dürfte, ist das unter den Kumpels eine andere Geschichte. "Ich hoffe um alles in der Welt, dass Clelin nicht vor mir gedraftet wird", sagte Wilkins gegenüber ESPN.

Er wäre "sonst der am meisten enttäuschte Mensch auf der Welt. Wenn der Rest vor mir gezogen wird, okay. Ich will mich nur einfach nicht mit Cle auseinandersetzen. Ich hoffe, dass ich einen Pick vor Cle gezogen werde, um es ihm unter die Nase zu reiben. Ich weiß nämlich, dass ich leiden muss, wenn er vor mir gezogen wird."

Clemson Tigers: Statistiken der Saison 2018

SpielerSpieleTacklesTackles for LossSacks
Christian Wilkins1551145,5
Dexter Lawrence133671,5
Clelin Ferrell15552011,5
Austin Bryant1545158,5

"Er versucht mich immer zu übertreffen", reagierte Ferrell auf die Aussagen von Wilkins: "Es ist mir egal, wann wir wohin gedraftet werden. Am Ende des Tages werde ich einfach glücklich sein, wenn mein Name genannt wird." Ferrell gab jedoch zu: "Wenn ich vor ihm gedraftet werde, werde ich ihn vielleicht kalt anrufen."

Der Weg dieser Gruppe führt unweigerlich in die NFL, doch über allem steht die Freundschaft, die sie in Clemson aufgebaut haben. Wilkins sagte The Post and Courier: "Ich habe das Gefühl, dass ich in 10 oder 20 Jahren zurückschauen werde und sage: Mann, das war eine besondere Zeit. Und ich würde alles tun, um sie noch einmal zu erleben."