NFL

Die Chiefs nach dem Championship Game: Der Anfang, nicht das Ende

Von Pascal De Marco
Patrick Mahomes und die Chiefs erzielten alleine im vierten Viertel des CCG 24 Punkte.
© getty

Die Durststrecke der Kansas City Chiefs hält nach der bitteren 31:37-Overtime-Pleite gegen die New England Patriots im AFC Conference Championship Game an. Seit Super Bowl IV hat die Franchise nicht mehr im Spiel um die Lombardy-Trophy teilgenommen. Mit ihrem Superstar allerdings steht ihr hierfür die Tür weiter offen denn je.

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Nur auf eine Weise konnte Patrick Mahomes in dieser Saison am Ende aufgehalten werden: indem er nicht auf dem Platz stand. Der vermeintliche MVP musste an der Seitenlinie zusehen, wie der vielleicht beste Quarterback aller Zeiten in der Overtime den grandiosen Vorteil der ersten Possession nutzte, um mit den Patriots zum neunten Mal in den Super Bowl einzuziehen. Er sah demjenigen Quarterback zu, in dessen Fußstapfen er eines Tages treten will.

Mahomes' Aufstieg in der NFL war raketenhaft, und der 23-Jährige wurde schnell für seine bemerkenswerten Auftritte in den Himmel gelobt: Über 5.000 Passing-Yards in der ersten Saison als Starter und 50 Touchdown-Pässe. So viele hat Brady in seiner besten Saison geworfen. Und wo viele Superlative gerne einmal übertrieben in die Richtung eines Spielers geworfen werden, scheinen sie bei Mahomes absolut berechtigt zu sein.

Bei der 31:37-Overtime-Niederlage gegen die Patriots am Sonntag zeigte Mahomes zwar anfänglich Nervosität, dann aber Comeback-Qualitäten und sein unfassbares Talent. Die Chiefs verloren das Spiel nicht aufgrund ihres Quarterbacks, doch war es schlussendlich eine bittere Pleite, aus der auch er wichtige Lehren ziehen muss. Mahomes nahm eine Lehrstunde in Sachen Playoff-Football und diese hätte von keinem besseren Professor gegeben werden können.

Tom Brady sucht Patrick Mahomes nach dem Spiel auf

Brady schritt nach dem Spiel vorsichtig in Richtung Chiefs-Kabine um einen Security-Guard nach Mahomes zu fragen. Der fünfmalige Super-Bowl-Champion wurde daraufhin in einen kleinen Raum eskortiert, bevor er dem enttäuschten Shooting-Star aufmunternde Worte und ein Kompliment für dessen Saison zusprach - ein Zeichen großen Respekts und der Anerkennung.

Mahomes hat sich beides mehr als nur verdient. Er war das Gesicht des bis dahin besten Teams der AFC in diesem Jahr und vielleicht sogar das der gesamten NFL-Spielzeit. Seine Zahlen alleine mögen zwar beeindrucken, doch muss man ihn spielen sehen, um sein Talent wirklich zu verstehen.

So ließ er im Spiel gegen die Patriots wieder mehrere Wurfgeschosse aus seinem Arm, die für rund 50 Yards punktgenau in die Hände seiner Receiver Tyreek Hill oder Sammy Watkins fielen, um ein Comeback in einem Spiel einzuleiten, in dem manche die Patriots schon zur Halbzeit als sicheren Sieger gesehen hatten.

Mindestens genauso beeindruckend war ein erneuter Sidearm-Pass, mit dem er gegen Ende des dritten Viertels bei Third Down den bereits komplett in seinem Sichtfeld aufgetauchten ungeblockten Pass-Rusher Adrian Clayborn auswich und Sammy Watkins für ein First Down fand.

Mahomes scheint derartige Würfe nicht aufgrund stilistischer Bonus-Punkte zu machen. Er wendet sein einzigartiges Repertoire in den richtigen Situationen und zum richtigen Zeitpunkt an. Man will es sich bereits jetzt bei keinem Snap erlauben, seine Augen von ihm zu nehmen, da er mit jedem Pass für einen magischen Moment sorgen könnte. Aus der Pocket heraus oder aus dem Lauf. Geplante Plays oder improvisierte.

Chris Jones: "Die Schuld liegt bei der Defense"

Es waren nur noch 1:57 Minuten auf der Uhr, als Brady und die Patriots mit vier Punkten in Rückstand das Feld erneut heruntermarschierten. An einem Abend, an dem die Chiefs-Defense keine Mittel zur Gegenwehr fand und 524 Yards sowie 5,6 Yards pro Play zuließ, war dies fatal. Doch auch nach Rex Burkheads Touchdown waren für Mahomes mit 39 Sekunden Restspielzeit noch genug auf der Uhr, um sein Team mit zwei tollen Pässen auf Spencer Ware und Demarcus Robinson in Field-Goal-Position zu bringen.

Was Mahomes zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht wusste, war, dass er den Ball daraufhin nicht mehr in die Hände bekommen würde.

"Wir haben die beste Offense in der Liga, den besten Quarterback in der Liga", sagte Reggie Ragland wehmütig nach der Partie. "Wir müssen ihnen eine Chance geben. Wir müssen bei Third Down vom Feld herunterkommen."

Doch nachdem die Patriots den Münzwurf für die Overtime gewonnen haben, ist dies nicht mehr passiert. An einem Abend, an dem New England 13 von 19 Third-Down-Situationen überstand, konnten sie auch in der Overtime dreimal bei 3rd&10 fortfahren. Die Chiefs fanden defensiv schlichtweg keine Antworten.

"Wir hatten am Ende einfach keine Kraft mehr", führte Ragland fort. "Aber wir hatten immer noch die Chance, Plays zu machen - und das hätten wir tun müssen." Und auch Defensive End Chris Jones wusste, an was es an diesem Abend gelegen hat: "Wir sind nicht zum Quarterback gekommen, wie wir es normalerweise tun", so Jones. "Die Schuld für die Niederlage liegt bei der Defense."

Chiefs-Defense von Chris Jones und Dee Ford abhängig

Die defensiven Wehen der Chiefs waren gerade zu Saisonbeginn ein Thema, welches Zweifel am Team von Andy Reid hat aufkommen lassen. Während man offensiv ein Feuerwerk nach dem anderen ablieferte, konnte man defensiv keineswegs an diese Qualität anknüpfen, weswegen man stets mit Shootouts in Spielen mit Chiefs-Beteiligung rechnen konnte.

Zwar stabilisierte sich diese Defense in der zweiten Saisonhälfte, angeführt von einem plötzlich bärenstarken Pass Rush; doch war sie von der Produktion von Jones und Dee Ford umgekehrt auch sehr abhängig. Top-Offenses, wie die der Rams, der Chargers und selbst die Seahawks wussten diesen effizient zu umgehen.

Es verwundert wenig, dass auch Bill Belichick einen Weg finden würde, Kansas City an seinem schwächsten Punkt zu schlagen. Die Patriots-O-Line dominierte KC nach Belieben und selbst wenn sich die Pats in Third-and-Long-Situationen befanden, hatten die Chiefs nicht genug defensive Playmaker um New England zu stoppen. An diesem Punkt muss Kansas City in der Offseason ansetzen.

Halten die Chiefs Dee Ford via Franchise Tag?

In diese gehen die Chiefs nach Spotrac aktuell mit rund 36 Millionen Dollar zur Verfügung stehendem Cap Space. Während diese gerne in die Defense investiert werden würden, muss man jedoch erst einmal Defensive End Ford an sich binden. Dessen 13 Sacks, 55 Tackles und sieben forcierte Fumbles machen ihn zu einem Kandidaten für den Franchise Tag, was ihm 14,9 Millionen Dollar einbringen würde.

Darüber hinaus gilt es eine Entscheidung hinsichtlich Center Mitch Morse zu treffen. Der ist zwar einer der Verlässlichsten seines Fachs, dies aber selbstverständlich nur, wenn er auf dem Feld steht. In den letzten zwei Spielzeiten verpasste Morse 14 Spiele. In Kansas City werden darüber hinaus Defensive End Allen Bailey und Wide Receiver Chris Conley Free Agents.

Im Draft haben die Chiefs dank des Zweitrundenpicks der Rams aus dem Marcus-Peters-Trade drei Picks in den ersten beiden Runden. Diese sollte man in die Defense investieren, in der Unterstützung in nahezu jedem Level Sinn machen würde. Fraglich ist auch, ob die Franchise bereits genug Vertrauen in Damien Williams hat, um die Nachfolge von Kareem Hunt anzutreten. Von einem Investment auf der Running-Back-Position ist in den frühen Runden aber ohnehin abzuraten.

Patrick Mahomes: "Wird hoffentlich nur der Anfang gewesen sein"

Und Mahomes selbst? "Es tut weh", gestand der junge Ausnahme-Quarterback nach der Niederlage gegen die Patriots gegenüber ESPN. "Aber es soll weh tun. Man arbeitet hart für diese Möglichkeit. Man macht alles Mögliche, um in den Super Bowl zu kommen und diesen zu gewinnen. Diese Chance nun nicht zu erhalten, das wird sehr schmerzen."

Während die Fehlersuche im Championship Game leicht fällt und die zu adressierenden Stellen im Kader der Chiefs für die Offseason klar scheinen, so kann die Franchise mit riesiger Zuversicht in die nahe Zukunft gehen. Das Titelfenster ist für die Chiefs dank ihres noch günstigen Standout-Quarterbacks weiter offen denn je. Solange er für die nächsten drei Jahre unter seinem Rookie-Vertrag spielt, hat man auch genügend Kapazität, um Problemzonen wie die auf der defensiven Seite des Balls zu adressieren.

Ihre Defense muss den Chiefs zwar keine Championship gewinnen, doch muss sie zumindest in der Lage sein, eine gute Offense zu bremsen. Solange dies nicht der Fall ist, wird es auch für Mahomes schwer, mit seiner Offense für Siege tief in der Postseason zu sorgen.

Die Lehren aus dem Spiel gegen Brady jedenfalls werden persönlich enorm helfen; und die Vergangenheit scheint er schon jetzt richtig einordnen zu können.

"Es schmerzt jeden von uns. Aber wir haben unsere Möglichkeiten gehabt und darauf können wir aufbauen. Das kann etwas sein, dass uns in der Zukunft hilft. Und während es für uns jetzt das Ende bedeutet, wird es auf lange Sicht hoffentlich nur der Anfang gewesen sein."

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