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NFL Third and Long: Eine gigantische Farce und der Plan der Seattle Seahawks

Die Seattle Seahawks schlugen die Eagles im Sunday Night Game überraschend deutlich
© getty

Week 13 hatte einige Kracher zu bieten: Die Minnesota Vikings gewinnen in Atlanta, während die Saints Carolina schlagen. Durch den Sieg der Seahawks über die Eagles ist das Playoff-Rennen in der großartig besetzten NFC endgültig wieder offen, Seattle zeigt dabei offensiv seinen vielleicht besten Game Plan der Saison. Los geht die SPOX-NFL-Kolumne in dieser Woche allerdings mit dem Chaos bei den New York Giants.

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Die Situation in New York - eine gigantische Farce

Eine Sache sollte im Zuge der Entlassung von Ben McAdoo jedem klar sein: Manning auf die Bank zu setzen war auf keinen Fall McAdoos Entscheidung. Es mag eventuell seine Idee gewesen sein, aber man wäre sehr naiv zu glauben, dass ein Coach, der mehr als nur auf einem wackligen Stuhl sitzt, den Franchise Quarterback und zweifachen Super Bowl Champion mit derartigem Standing auf und abseits des Platzes einfach so in der Schlussphase einer verlorenen Saison absägt.

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf werden die vergangenen Tage in New York zu einer spektakulären Farce.

Es ist so schmerzhaft offensichtlich, dass die Team-Bosse McAdoo jetzt für die Demontage von Manning als Bauernopfer den Löwen zum Fraß vorwerfen. Meine Meinung zu Mannings Benching hatte ich schon ausführlich dargelegt, in der Kurzfassung: Jeder weiß, was Geno kann und vor allem was er nicht kann. Webb war im College meilenweit von einem NFL-Quarterback entfernt - dass er nicht bereit ist, verdeutlichten die Giants selbst mit ihrer Entscheidung für Geno.

Die Fruchtlosigkeit der Entscheidung, Manning auf die Bank zu setzen, war ein Grund für den Aufschrei der Fans und mehrerer Ex-Spieler, die wohl schon Protest-Aktionen für Manning beim nächsten Spiel geplant hatten. Die Giants haben sich in eine desolate Situation gebracht, indem sie ihre größte aktive Legende ohne Plan demontiert haben. Das Timing der McAdoo-Entlassung zeigt klar, dass er jetzt das Bauernopfer ist - und das wird nochmal bekräftigt dadurch, dass die Team-Besitzer öffentlich die Quarterback-Entscheidung für die ausstehenden Spiele in die Hände von Interimscoach Steve Spagnuolo gelegt haben. Eine Farce.

All das soll in keinster Weise McAdoo oder Geschäftsführer Jerry Reese schützen. Beide haben die Entlassung aus diversen Gründen verdient. Wie das alles aber abgelaufen ist, lässt eine der normalerweise stabilsten Organisationen der Liga, der genau solche Dinge eigentlich nicht passieren, in einem sehr schlechten Lichte dastehen.

Es suggeriert, dass der wütende Mob mit den Mistgabeln den Finger am Abzug zu diesem Zeitpunkt betätigt hat. Die Verantwortlichen können nur hoffen, dass mit der jetzt fraglos bevorstehenden Rückkehr von Manning die Wogen schnell wieder geglättet und die Blicke auf Draft und Free Agency gerichtet werden. Dann wäre zumindest dieser Plan aufgegangen.

Wie die Seahawks-Offense die Eagles bezwingen konnte

Auf dem Papier schien alles klar: Das Duell zwischen Seattles Offensive Line und der Defensive Front der Philadelphia Eagles kam wie das vielleicht eindeutigste der Woche daher und es war schwer vorstellbar, dass die Seahawks offensiv allzu viel punkten würden. Bekanntermaßen kam es ganz anders, und das lag nicht nur (aber auch) an den sensationellen Fähigkeiten von Russell Wilson. Vielmehr hatten die Seahawks ganz konkrete Maßnahmen gegen den Pass-Rush der Eagles parat.

Konkret beinhaltete dieser Plan keine bahnbrechenden Neuerungen - die Mischung aber war in diesem Fall entscheidend:

  • Bootlegs, um Wilson Zeit und eingebaute Scramble-Optionen zu geben.
  • Zone Reads, um der Front Four die Aggressivität etwas zu nehmen.
  • Vor allem aber: Empty Formations und Pre-Snap-Motions. Das hat ganz direkt zwei Konsequenzen: Eine Empty Formation, also mit fünf Receivern und ohne Spieler im Backfield, zieht die Defense nicht nur in die Breite, sie macht auch komplizierte Blitz-Pakete schwierig. Die Defense kann sich nicht so einfach geballt im Zentrum aufstellen und dann Druck aus unerwarteten Richtungen bringen. Außerdem erleichtert es die Reads für den Quarterback.
  • Das gilt auch für Pre-Snap-Motions. Mehrfach setzte sich Running Back J.D. McKissic kurz vor dem Snap in Bewegung - verfolgte ihn ein Linebacker nach außen, wusste Wilson, dass es sich um Man Coverage handelt.
  • Die attackierte Seattle dann ganz gezielt: Vor allem mit Rub-Routes, aber auch mit tiefen Laufwegen, um Underneath Routes frei zu bekommen. Beides hat den Effekt, dass Receiver im Idealfall schneller frei sind. Gemeinsam mit kurzen Dropbacks für Wilson war so der Pass-Rush zusätzlich immer wieder aus dem Spiel genommen und die Offensive Line wurde umgekehrt entlastet. Es war unter dem Strich der vielleicht beste Game Plan für Seattles Offense in der gesamten Saison.

Defensiv waren zwei Dinge besonders auffällig: Die Seahawks nutzten regelmäßig Stunts an der Line of Scrimmage (zwei Spieler tauschen nach dem Snap gewissermaßen die Position, etwa attackiert der Spieler, der vor dem Snap gegenüber dem Guard stand, den Tackle und umgekehrt) und taten Philadelphias Line vor allem mit dem Speed-Rush weh. In Kombination mit gutem Timing beim Blitz-Play-Calling und kostspieligen Fehlern der Eagles (Wentz' Fumble, einige Ungenauigkeiten im Passspiel und die verpassten Challenge bei Wilsons vermeintlichem Querpass) erlebte die Eagles-Offense einen Dämpfer.

Die Kansas City Chiefs stehen an einem Scheideweg

Eines vorweg: Das große Problem am Sonntag war die Chiefs-Defense, die mit den extrem spannenden Offense-Designs der Jets (dazu auf Seite 2 mehr) überhaupt nicht klar kam. Der Pass-Rush ist kaum noch vorhanden, die Run-Defense löchrig und in der Secondary sieht man Kommunikationsfehler.

Alex Smith hatte derweil 217 Yards bei langen Pässen, nachdem er in den vergangenen vier Spielen ganze 146 Deep-Passing-Yards zusammenbekommen hatte. Das war ein positives Ausrufezeichen, die Frage aber wird sein: Kann er das konstant umsetzen? Gelingt das nämlich nicht, ist dieses Team nicht nur defensiv anfällig, sondern auch offensiv komplett durchschaubar. Und dann sollte Andy Reid einen Quarterback-Tausch in Erwägung ziehen, ehe die Division weg ist.

Zur Erklärung: Im Vergleich zur vergangenen Woche hat sich an meiner grundsätzlichen Meinung nichts geändert: Ich glaube noch immer nicht, dass Patrick Mahomes in der Lage ist, eine volle NFL-Offense umzusetzen. Der Punkt bei Kansas City aber ist, dass er das auch überhaupt nicht müsste.

Was hat die Chiefs in den ersten Wochen offensiv so stark gemacht? Das Zusammenspiel aus sehr gutem Run Game, diversen Misdirection- und Fake-Elementen und aggressiven Downfield-Pässen. Keines dieser Elemente darf man isoliert betrachten, sie alle bauen aufeinander auf: Die Misdirections und Fakes machten das Run Game leichter, das Run Game half bei den Downfield-Shots und die wiederum machten Defenses anfälliger für Underneath-Pässe und erzwangen eine leichtere Box.

Und was ist in den letzten Wochen passiert? Das Run-Blocking hat nachgelassen, das ist ein Problem. Das größere Problem für diese Offense aber ist die Mischung aus den anderen beiden Elementen: Weil Smith in puncto Downfield-Pässen - abgesehen vom Jets-Spiel - enorm nachgelassen hat, können Defenses es sich leisten, viel aus Cover-2 und Cover-3 heraus zu spielen. Relativ simpel, aber effektiv: Smith kann die Seam-Routes, also die Bereiche zwischen den tiefen Coverage-Zonen, nicht mehr konstant attackieren.

Aus der Zone Coverage heraus ist es für Defenses dann deutlich leichter, die Misdirection-Elemente der Chiefs zu entlarven: Da die Verteidiger einem Raum und keinem Spieler zugeteilt sind, werden all die Täuschungen deutlich weniger gefährlich. Und das wiederum wirkt sich dann auch auf das Run Game auf. Gegen die Jets hat man ganz klar gesehen, dass das auch ein Thema intern sein muss - plötzlich war Smith nämlich wieder aggressiver. Teilweise mit Erfolg, teilweise auch deutlich daneben. Und hier kommt Mahomes ins Spiel.

Letztlich sind alle Aussagen über seine NFL-Tauglichkeit zum jetzigen Zeitpunkt Spekulation, eine Sache aber ist klar: Der Rookie hat keinerlei Probleme mit einem Downfield-Passing-Game. Die Play-Konzepte von Andy Reid machen es einem Quarterback deutlich leichter, die Defense zu lesen, Mahomes könnte hier gewissermaßen in eine ähnliche Situation kommen, wie Deshaun Watson in Houston: Simple Reads, Plays, die Druck vom Quarterback nehmen und gleichzeitig eine Offense, welche die Qualitäten des jungen QBs voll zur Geltung bringt.

Kansas City ist seit Wochen im Abwärtstrend und hat die Oberhand in der Division endgültig verloren. Das liegt natürlich auch an der extrem löchrigen Defense - mein Fazit zu den Chiefs aber lautet, dass die Offense mit Smith nicht mehr konstant auf das Level der ersten Wochen kommen wird. Ein Spiel, in dem die Jets Tyreek Hill nicht gewachsen waren, ändert das nicht. Und in dem Fall hat KC keinerlei Chancen im Januar, sollten sie dann überhaupt noch spielen.

Die Offense der Vikings bietet Play-Designs für das Lehrbuch

Die Vikings haben eine echte Chance, die NFC-Playoffs zum Super Bowl in Minnesota durch Minnesota zu zwingen - oder anders gesagt: Sie haben eine echte Chance auf den Nummer-1-Seed. Das liegt zu einem großen Teil an der herausragenden Defense, die noch konstanter spielt als in der Vorsaison und eine ungeheure Qualität auf allen drei Ebenen mitbringt. Es liegt aber auch an der Offense, in der Case Keenum die Saison seines Lebens spielt - getragen von dem wohl besten Receiver-Duo dieser Saison und großartigen Play-Designs und Play-Calling.

Der entscheidende Touchdown zu Kyle Rudolph im Schlussviertel war quasi das Musterbeispiel, wie Minnesota eine Zone Defense auf engstem Raum attackieren kann. Das ganze Konzept attackiert nur die rechte Seite der Defense: Mit dem Running Back wird der mittlere Verteidiger raus gezogen. Diggs läuft von außen eine Route nach innen, so dass der linke der drei Verteidiger ihn übernimmt.

Der Outside Cornerback auf der rechten Seite muss dadurch Kyle Rudolph nehmen - der nach einer Corner-Post-Route die komplette Mitte des Feldes frei für sich hat. Ein Play-Call aus dem und für das Lehrbuch (App-User: Hier gibt es das ganze in Bild-Form!).

Diese Dinge sieht man von Minnesotas Offense Woche für Woche. Kreative Designs wechseln sich mit gutem situativen Play-Calling ab, direkt beim ersten Spielzug zeigten die Vikigns am Sonntag in Atlanta einen Play-Action-Spielzug, bei dem der Receiver nicht nur einen komplett ungehinderten Release hinlegt, sondern bei dem er außerdem noch mit dem Ball in der Hand einen Tight End als Blocker vor sich hat. Vor allem in der Red Zone sieht man Woche für Woche enorm effizientes Play-Action-Spiel der Vikes.

Will Minnesota in den Playoffs bestehen, braucht es eine Offense, die mehr als nur das Spiel verwalten kann - dafür ist die Konkurrenz in der NFC in diesem Jahr zu groß. Offensive Coordinator Pat Shurmur gibt den Vikings eine echte Chance darauf.

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