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"Die Erfüllung eines Traums"

Von Jan-Hendrik Böhmer
Die Fans der Green Bay Packers haben eine besonders enge Beziehung zu ihrem Team
© getty

Die Green Bay Packers gelten als das Team mit den treusten Fans der NFL - auch weil der Anhang näher dran ist als das irgendwo sonst möglich ist. Wie funktioniert das? Was macht Green Bay so besonders? Eine Spurensuche.

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Das Gesicht, das gerade meterhoch über der South Endzone des Lambeau Field thront, ist gezeichnet. Von Chemotherapie, von Bestrahlung und vom Schock, mit 29 Jahren plötzlich die Diagnose Brustkrebs zu erhalten. Die langen blonden Haare sind Geschichte, die Augenbrauen auch. Dennoch lacht Cassandra Kopp - denn heute ist ein guter Tag.

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Die Projektmanagerin aus Menomonie steht auf heiligem Rasen. Auf dem Rasen, auf dem sonst die Green Bay Packers spielen. Ihre Packers. Wie für viele Menschen hier in Wisconsin spielt das lokale Football-Team auch für Kopp eine große Rolle. "Schon bei der Geburt wird man in ein Packers-Outfit gesteckt", sagt sie im Gespräch mit SPOX. "Das Team ist eine Institution."

Gänsehaut und tanzende Spieler

Kein Wunder also, dass Kopp eine Gänsehaut bekommt, als sie sich auf der riesigen Video-Leinwand plötzlich neben Jordy Nelson, Eddie Lacy, und Randall Cobb sieht. Die Packers-Spieler tanzen mit Patienten, Ärzten und Krankenschwestern in pinken Latex-Handschuhen.

Sie alle sind Teil einer Video-Kampagne, die der örtlichen Brustkrebs-Vorsorge mindestens 15.000 Dollar an Spendengeldern einbringen soll. Für einen landesweiten Wettbewerb hatten sich die Packers deshalb extra mit einem lokalen Krankenhaus zusammengeschlossen.

Das Leben der Fans bereichern

Generell sind die Packers ein gutes Beispiel für die Bemühungen der NFL, sich positiv in die Gesellschaft einzubringen und die Fans auf einer persönlichen Ebene zu erreichen. "Uns geht es nicht nur um Football, sondern auch um die Community", sagt NFL-Commissioner Roger Goodell. "Unser Engagement für die Fans soll nicht mit dem Schlusspfiff enden."

Doch was heißt das eigentlich genau?

Für die Packers bedeutet es: 10.000 handsignierte Memorabilia für Fundraising-Kampagnen zur Verfügung stellen, mehr als 900 Treffen zwischen Spielern, Trainern und Fans organisieren, und insgesamt mehr als sechs Millionen Dollar für diverse wohltätige Zwecke spenden - pro Jahr.

"Wir sehen es als unsere Aufgabe, das Leben der Menschen hier in Wisconsin und darüber hinaus zu bereichern", erklärt Cathy Dworak, die bei den Packers für die Organisation der Community-Events verantwortlich ist. "Und das funktioniert nur, wenn wir auf sie zugehen."

"Das Leben hier steht und fällt mit den Packers"

Natürlich sind die Packers keine Ausnahme. NFL-weit engagieren sich Teams für das Wohl der Fans. Die Chicago Bears haben in den letzten 20 Jahren beispielsweise über 25 Millionen Dollar gespendet. In Miami leisteten die Dolphins durch ihre "Special Teams"-Initiative im vergangenen Jahr mehr als 245.000 Stunden gemeinnützige Arbeit. Die Kansas City Chiefs verteilten alleine 2015 mehr als 300.000 Mahlzeiten an bedürftige Kinder.

Und das sind nur einige Beispiele unter vielen.

Dennoch fühlt es sich in Green Bay anders an. Persönlicher. "Green Bay ist eine kleine Stadt", sagt Kopp. "Da ist jeder mit dem Team verbunden. Ob man es will oder nicht, das Leben hier steht und fällt mit den Packers. Deshalb bedeutet es den Menschen unglaublich viel, wenn ein Spieler oder Trainer persönlich auf einen zukommt. Dann sind wir eine Gemeinschaft."

Tickets? In 30 Jahren!

Wie klein Green Bay ist? Nur etwas mehr als 100.000 Menschen leben in Titletown, USA - wie die Stadt seit dem Titelgewinn der Packers 1961 liebevoll genannt wird. Sie ist der kleinste TV-Markt in der NFL, und dennoch ist Lambeau Field, mit 81.435 Plätzen das drittgrößte Stadion der Liga, bei jedem Heimspiel der Regular Season ausverkauft. Seit 1960.

Legenden-Serie: Curly Lambeau - "Warum nennst du sie nicht einfach Packers?!"

Doch nicht nur das: Mehr als 115.000 Menschen haben sich bereits für Karten vormerken lassen, sollten diese irgendwann frei werden. Geschätzte Wartezeit: 30 Jahre. Denn Tickets werden in Green Bay meistens nicht verkauft, sie werden der nächsten Generation vererbt.

"Man muss Green Bay verstehen, um die spezielle Beziehung zwischen den Packers und ihren Fans verstehen zu können", erklärt Tom Dombeck. Der preisgekrönte Sportjournalist aus Eland, Wisconsin verfolgt die Packers seit vielen Jahren und hat immer wieder erlebt, wie eng die Beziehung zwischen dem Team und seinen Fans ist. "Wenn die Packers gewinnen, sind alle ein bisschen glücklicher. Wenn sie verlieren, dann verfällt ganz Wisconsin in eine Depression."

Dude, where's my bike?

Eine der wohl bekanntesten Traditionen, die die Packers und ihre Fans verbindet, lässt sich jeden Sommer vor dem Stadion beobachten. Denn erst wenn sich ausgewachsene Football-Spieler auf die viel zu kleinen Fahrräder wartender Kindern zwängen, um damit vom Lambeau Field zum Trainingsgelände auf der anderen Straßenseite zu radeln, dann ist Trainingslager bei den Packers.

Wann und wie sich das Ritual etabliert hat, lässt sich heute nur noch schwer nachvollziehen. "Wir wissen nur, dass es vor mehr als 50 Jahren seinen Anfang nahm", sagt Packers-Historiker Cliff Christl. "Niemand hat es als PR-Gag geplant. Es ist das Ergebnis der besonderen Beziehung, die sich seit fast 100 Jahren zwischen dem Team und seinen Fans entwickelt hat."

@AhmanGreen30 is now following you!

Dabei sind es nicht nur die großen, offiziellen Aktionen - wie etwa die Unterstützung von Kriegsveteranen, die Brustkrebs-Kampagnen oder Krankenhaus- und Schulbesuche - die zu dem geführt haben, was Christl als die "stärkste Bindung zwischen den Fans in Green Bay und irgendeinem Profi-Team auf der Welt" bezeichnet.

Nein. Es sind die kleinen Dinge. Die Dinge, die man nicht erwarten würde. Die über das hinausgehen, was das Protokoll vorschreibt. "Wenn zum Beispiel dein Telefon plötzlich vibriert", sagt Kopp, "Und es dir dann von Twitter ausrichtet: '@AhmanGreen30 is now following you!'. Das ist es, was dich richtig mitnimmt." Der ehemalige Running Back und All-Time Rushing-Leader der Packers hatte Kopp während der Dreharbeiten zum Video kennengelernt und später online ausfindig gemacht, um ihren Krankheitsverlauf zu verfolgen.

Solche Aktionen hinterlassen einen bleibenden Eindruck.

"Ich würde nie so weit gehen und sagen, dass die Packers meinen Brustkrebs heilen könnten", sagt Kopp. "Aber sich als Teil der Organisation fühlen und mich auf dem Jumbotron sehen zu können, war definitiv die Erfüllung eines Traums und mit einem Schub an Selbstvertrauen verbunden. Und das kann in meiner Situation auch schon viel ausrichten."

Doch nicht nur das: "Was mir dabei aber mindestens genau so wichtig war, ist, dass es allen anderen Kranken zeigt, wie sehr die Packers ihre Community unterstützen."

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