Die Phoenix Suns sind nach großem Kampf und einer überragenden Saison in den NBA Finals gescheitert. Nach der Niederlage gegen die Milwaukee Bucks richtet sich der Fokus auf etliche offene Personalien - allen voran auf den Point God.
Warum verlor Phoenix die Serie trotz 2-0-Führung?
Es gibt eine simple Antwort und etliche etwas kompliziertere. Vereinfacht gesagt: Phoenix traf auf ein am Ende etwas besseres Team, das mit zunehmendem Verlauf der Serie vor allem offensiv immer mehr seinen Rhythmus fand und in Giannis Antetokounmpo mit einigem Abstand die dominante Figur dieser Serie hatte.
Etwas detaillierter: Die Suns hatten in dieser Serie von Anfang an physische Nachteile, die sich mit der Zeit immer deutlicher herauskristallisierten. Milwaukee dominierte am Brett und forcierte ungewöhnlich viele Ballverluste, sodass die Bucks in fast jedem Spiel deutlich mehr Abschlüsse verzeichnen konnten. Sie gewannen das Possession Game, oft deutlich.
Ihre Defense brachte die Suns zudem weg von ihrer variablen Offense. Die Bucks nahmen Phoenix den Eckendreier fast komplett, das in den Serien zuvor so starke Ball- und Player-Movement kam bisweilen zum Erliegen. Phoenix war so zunehmend abhängig von Einzelaktionen, auch weil Devin Booker und Chris Paul es selten schafften, beide gleichzeitig gut drauf zu sein.
Phoenix Suns: Paul lieferte ohne Booker nicht ab
Paul hatte mit der physischen Verteidigung von Jrue Holiday schwer zu kämpfen, sein Einfluss auf die Serie war so deutlich limitiert im Vergleich zur vorherigen Postseason. Ganz eklatant zeigte sich das in den Minuten dieser Serie, die Phoenix ohne Booker, aber mit Paul auf dem Court absolvierte: Die Suns verloren diese 41 Minuten mit -29. Bedenkt man, dass Milwaukee in der Serie insgesamt lediglich 14 Zähler mehr erzielte, ist das tödlich.
Dennoch hat Phoenix diese Serie eindeutig nicht primär aufgrund der Offensive verloren. Ihr Rating von 112,1 über die Serie war in Ordnung, es wäre in der Regular Season ein leicht überdurchschnittlicher Wert gewesen. Vor dem (offensiv) schwachen Spiel 6 war dieser Wert sogar deutlich höher.
Suns: Das Hauptproblem war die Defense
Defensiv hatte Phoenix weitaus größere Probleme. Es gab keine Antwort auf Antetokounmpo, auch wenn sich Ayton abmühte. Es gab grundsätzlich keine Antwort auf die Länge der Bucks, die auf fast jeder Position etwas größer und stärker waren. 117,8 Punkte pro 100 Ballbesitzen erzielte Milwaukee über seine vier Siege. Vor allem in Transition war die Dominanz der Bucks eindrucksvoll.
Und dennoch: Drei von vier Niederlagen hätten durchaus auch Siege für Phoenix sein können. Gerade Spiel 4 und 5 endeten hochdramatisch, einzelne Aktionen wie der Giannis-Block gegen Ayton oder der Holiday-Steal gegen Booker brachten hier die Entscheidung. Es ist insofern gut verständlich, dass die Suns sich über eine verpasste Chance ärgerten - auch wenn die Bucks einen Ticken besser waren.
"Das ist nichts, was man fühlen möchte", sagte Booker im Anschluss. "Ich habe so einen Schmerz in meinem Leben noch nicht erlebt."
NBA Finals: Die Serie im Überblick
Spiel | Datum | Heim | Auswärts | Resultat |
1 | 7. Juli | Suns | Bucks | 118:105 |
2 | 9. Juli | Suns | Bucks | 118:108 |
3 | 12. Juli | Bucks | Suns | 120:100 |
4 | 15. Juli | Bucks | Suns | 109:103 |
5 | 18. Juli | Suns | Bucks | 119:123 |
6 | 21. Juli | Bucks | Suns | 105:98 |
Welche Entscheidungen stehen im Sommer an?
Auch wenn die Saison gerade erst geendet ist und Phoenix durchaus mit Stolz auf ein überragendes Jahr blicken darf, hat der amtierende Executive of the Year James Jones direkt alle Hände voll zu tun. Franchise Player Booker steht zwar noch bis 2024 (ohne Spieler-Option) fix unter Vertrag, beim Team um ihn herum stehen jedoch einige Entscheidungen an.
Allen voran ist hier Chris Paul zu nennen, der Point God hat eine Spieler-Option über 44,2 Millionen Dollar und steht vor einer spannenden Entscheidung - Paul bekommt bei uns seine eigene Unterseite (Seite 3). Hinzu kommen insgesamt fünf Unrestricted Free Agents.
Langston Galloway und E'Twaun Moore sind dabei eher zu vernachlässigen, auch Frank Kaminsky und Torrey Craig spielten in den Playoffs keine riesigen Rollen, wenngleich gerade Craig als giftiger Verteidiger von der Bank sicherlich seinen Wert gezeigt hat. Die spannendste dieser Personalien ist Cameron Payne, der seine Karriere bei den Suns wiederbelebt hat.
Payne brachte als zusätzlicher Playmaker vor allem Tempo von der Bank und hat sich das Vertrauen von Monty Williams erarbeitet, auch wenn er in den Finals gegen die riesigen Bucks an seine Grenzen stieß. Phoenix verfügt über Early Bird Rights, könnte Payne also laut ESPN bis zu 10,7 Mio. Dollar als Startgehalt bieten, ohne die Midlevel Exception zu nutzen.
Wie viel Geld bekommen Deandre Ayton und Mikal Bridges?
Sollten die Suns das allerdings tun, droht ihnen vermutlich die Luxussteuer - es ist also fraglich, ob sie wirklich so tief in die Tasche greifen wollen. Denn sie haben wichtigere Spieler und Entscheidungen zu treffen. Deandre Ayton und Mikal Bridges sind als Mitglieder des 2018er Draft-Jahrgangs erstmals dazu berechtigt, ihre Verträge vorzeitig zu verlängern.
Ayton hat trotz der Probleme gegen Giannis herausragende Playoffs gespielt und gezeigt, dass er ein Franchise-Center sein kann. Spieler mit dieser Jobbeschreibung werden normalerweise Max-Player, bis zu 5 Jahre und 168 Mio. Dollar könnten die Suns ihm jetzt bieten. Das werden sie vermutlich tun; und auch Bridges kann durchaus auf einen Zahltag hoffen.
Der Small Forward ist zwar kein Star, aber er kann genau das, was Teams heutzutage von einem Rollenspieler auf dem Flügel wollen. Er trifft Dreier sehr gut, er ist ein exzellenter Verteidiger, er kann das Spiel lesen. In der Postseason übernahm er auch etwas mehr On-Ball-Pflichten, in diesem Bereich hat er ziemlich sicher noch Luft nach oben.
Abgesehen von Superstars sind solche Spieler derzeit mit das höchste Gut in der NBA. Phoenix wird das wissen und es wohl auch nicht darauf ankommen lassen wollen, Bridges im Sommer 2022 zum Restricted Free Agent zu machen. Ein Vierjahresvertrag über 100 Mio. Dollar wäre auch bei ihm keine große Überraschung.
Suns: Die Verträge der Starting Five in den kommenden Jahren
21/22 (Gehalt in Mio.) | 22/23 | 23/24 | |
Chris Paul | 44,2 (Spieler-Option) | ||
Devin Booker | 31,7 | 33,8 | 36 |
Deandre Ayton | 12,6 | Restricted Free Agent | |
Mikal Bridges | 5,6 | Restricted Free Agent | |
Jae Crowder | 9,7 | 10,2 |
Wird Chris Paul aus seinem Vertrag aussteigen?
Natürlich richtet sich vorerst trotz allem der Hauptfokus auf Paul. Die Krönung hat es am Ende zwar nicht gegeben, trotzdem geht der bald 37-Jährige mit exzellenten Aussichten in den Sommer. Noch vor zwei Jahren galt sein Deal als "schlechtester Vertrag aller Zeiten" (cc: Rockets-Besitzer Tilmann Fertitta), jetzt könnte stattdessen nochmal ein fetter Zahltag winken.
Paul blieb über die letzten beiden Jahre weitestgehend fit, auch wenn ihm in den Playoffs wieder einmal einige Probleme dazwischenfunkten. Er wurde Fünfter bei der MVP-Wahl. Er spielte über weite Strecken exzellente Playoffs, vor allem gegen die Nuggets und Clippers war er phasenweise gar nicht zu bremsen.
Nicht zuletzt hat er seinem neuen Team eine neue Identität eingeimpft. Phoenix hätte auch ohne Paul die Playoffs erreichen können, den Grundstein legten die Suns in den vergangenen Jahren, was nicht zuletzt die 8-0-Bubble 2020 zeigte. Aber der Nr.2-Seed und ein so tiefer Playoff-Run wären ohne Paul nicht denkbar gewesen.
Das bedeutet nun: Paul kann seine massive Option ziehen, er kann jedoch auch einen längeren Deal anstreben, etwa für drei Jahre und 105 Millionen Dollar. Das wäre teamfreundlich, andernfalls kann er auch die Option ziehen und zu Beginn der Free Agency beispielsweise für zwei weitere Jahre und 70 Mio. Dollar verlängern. So wäre Phoenix in den kommenden drei Jahren allerdings stets ein Luxury-Tax-Team.
Fast alle Zeichen deuten darauf hin, dass Paul in Phoenix bleibt. Magic Johnson will den Oldie zwar schon zu den Lakers lotsen, das wird finanziell allerdings schwierig zu stemmen sein. Die New York Knicks hätten den nötigen Cap Space, eine Chance auf den Titel wird Paul mit Julius Randle & Co. aber nicht haben.
Er hat schon über 300 Millionen in seiner Karriere verdient, einen Titel hat er hingegen noch nicht. "Ich werde das alles erst einmal verdauen müssen und dann schauen, was ich mache", sagte Paul selbst nach Spiel 6. "Ich werde meine Karriere nicht beenden, sondern mich wieder an die Arbeit machen. Wir haben vor ein paar Minuten verloren, das muss ich erst einmal verarbeiten. Alles andere kommt dann von alleine."
Paul wird auch in den kommenden Jahren nicht am Hungertuch nagen. Es kann Teams zwar abschrecken, einem kleinen 38- oder 39-Jährigen 30 Mio. plus zu überweisen, aber wenn Paul für die kommenden zwei Jahre noch so effektiv bleibt, kann er ein Titelfenster offen halten.
Auf welchen Positionen haben die Suns noch Bedarf?
Wenn die Finals eins klar gezeigt haben, dann war es die fehlende Länge: Phoenix kam vor allem dank Ayton zuvor in den Playoffs zwar mit allen Herausforderungen zurecht, die Bucks hingegen waren nicht nur wegen Giannis wortwörtlich eine Nummer zu groß. Wenn Ayton den Griechen verteidigte, hatte Brook Lopez einen Flügel als Gegenspieler, selbst wenn die Bucks das nicht immer konsequent nutzten.
Die Starting Five der Suns mit Paul, Booker, Bridges, Jae Crowder und Ayton ist bärenstark und für fast jedes Matchup geeignet, eine veritable "Big Ball"-Option von der Bank fehlte jedoch. Dario Saric erlitt in den Playoffs einen Kreuzbandriss und wird auch in der kommenden Saison sehr lange fehlen, wenn er denn überhaupt zurückkehrt, auch er ist aber keine klassische physische Präsenz. Kaminsky ist das ohnehin nicht.
Ayton hat in den Playoffs bewiesen, dass er viele Minuten gehen kann, dennoch sollte Phoenix in der Offseason eine Versicherung für ihn besorgen. Es wäre ein netter Bonus, wenn diese auch mit ihm auf dem Court harmoniert, einfach um noch ein weiteres Stilmittel zu haben. Durch das Überangebot von Bigs sollte es möglich sein, einen soliden Backup für Ayton zu finden.
Suns-Offseason: Diese Mittel stehen zur Verfügung
Auch im Backcourt besteht womöglich Handlungsbedarf, selbst wenn Paul und Payne gehalten werden. Williams konnte in den Playoffs kaum Scoring von der Bank einwechseln, es gab keinen Backup für Booker. Paul und Payne funktionieren zwar gegen viele Teams, vor allem in der Regular Season, gegen ein Team wie Milwaukee wirkte dieser Backcourt jedoch sehr schmächtig.
Die Suns haben einige Ressourcen, um ihren Kader noch ein wenig aufzupolstern. Sie haben ihren Erstrundenpick, sie haben den letztjährigen Nr.10-Pick Jalen Smith, der dringend noch entwickelt werden sollte (insgesamt 18 Minuten in den Playoffs).
In Sachen Free Agency verfügen sie über die Midlevel Exception (9,5 Mio.), die Bi-Annual Exception (3,7) und potenziell auch eine Disabled Player Exception in Höhe von 4,25 Mio. wenn sie diese aufgrund der Saric-Verletzung beantragen.
Potenziell sind das mehr als genug Werkzeuge. Jones gelang vergangene Saison mit der Crowder-Verpflichtung das beste Midlevel-Signing der Offseason. Man darf gespannt sein, was er diesmal aus dem Hut zaubert.
Kann dieser Kern Meister werden?
Grundsätzlich können die Suns sehr optimistisch in ihre mittelfristige Zukunft blicken. Unabhängig von der Paul-Personalie hat man vor allem in Booker und Ayton zwei essenzielle Eckpfeiler, auf denen man gut aufbauen kann. Beide schnupperten in dieser Postseason erstmals überhaupt Playoff-Luft, es war ihnen zumeist aber kaum anzumerken.
Booker kann als Playmaker noch reifen, in Sachen Scoring machen ihm in der NBA nicht viele Spieler etwas vor. Er hat in den letzten Wochen mehrere fette Ausrufezeichen gesetzt, ein 47-Punkte-Closeout-Game gegen die Lakers, 40/13/11 gegen die Clippers und zwei 40-Punkte-Spiele in den Finals aufgelegt.
Mit Ayton und auch Bridges, wenn dieser gehalten wird, haben die Suns zudem zwei weitere wertvolle Spieler, die erst damit begonnen haben, ihr Potenzial anzukratzen. Aus diesem Trio ist Bridges mit knapp 25 Jahren schon der älteste Akteur. Durch Spieler wie Crowder oder den ebenfalls noch jungen Cameron Johnson werden diese Drei sehr gut akzentuiert.
Es steckt also noch viel Potenzial für internes Wachstum in diesem Kader. Zum Titelfavoriten macht das die Suns nicht, dafür gibt es insbesondere mit den Lakers zu starke Konkurrenz, auch Denver, Golden State oder Utah werden kommende Saison sicherlich wieder Ansprüche melden.
Wenn Phoenix es schafft, sein Team zusammenzuhalten und es noch punktuell zu verstärken, müssen sich die Suns jedoch vor niemandem verstecken. Diese Postseason hat einmal mehr gezeigt, dass viele Faktoren bei einem tiefen Playoff-Run eine Rolle spielen. Aufgrund von (vor allem) Booker und Ayton ist aber zumindest die Hoffnung angebracht, dass Phoenix noch mehrere tiefe Runs hinlegen wird.
"Das ist das Erste, was ich Book gesagt habe, als wir im Locker Room waren: 'Das hier ist erst der Anfang.' Jetzt wissen wir, was wir zu tun haben", sagte Ayton nach Spiel 6. Paul muss jetzt entscheiden, ob und wie lange er weiter Teil dieser Franchise-Wiederauferstehung sein möchte.
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