Kevin Durant hat seine Vormachtstellung als aktuell bester Spieler der NBA mit einer Leistung für die Geschichtsbücher in Spiel 5 zementiert. Die Nets gehen in der Serie mit 3-2 in Front - die Bucks und Head Coach Mike Budenholzer müssen sich derweil nach einem kolossalen Einbruch unangenehme Fragen gefallen lassen. Die Erkenntnisse zum Spiel.
1. Kevin Durant ist nicht von dieser Welt
Wird Kevin Durant jemals wieder so gut wie zu besten Thunder- und Warriors-Tagen? Diese Frage hing vor zwei Jahren wie eine dunkle Wolke über der Unterschrift des heute 32-Jährigen bei den Brooklyn Nets. Erst wenige Wochen zuvor hatte sich KD in den Finals gegen die Raptors einen Achillessehnenriss zugezogen, es war klar, dass er die komplette Spielzeit 2019/20 verpassen würde. Unklar war jedoch, auf welchem Niveau er nach seiner langen Zwangspause zurückkommen würde.
Mittlerweile hat Durant diese Frage eindrucksvoll beantwortet. Schon in der regulären Saison wischte er etwaige Zweifel an seinem Leistungsvermögen weg - sofern er fit war -, nun lieferte er beim 114:108-Sieg der Nets in Spiel 5 der Eastern Conference Semifinals den nächsten Beweis: Kevin Durant gehört auch zwei Jahre nach seinem Achillessehnenriss, einer der schlimmsten Verletzungen für einen Basketballer, zur Riege der besten Spieler der Welt!
Vielleicht ist er aktuell sogar DER beste, das meint zumindest auch Giannis Antetokounmpo. Für diese Behauptung brauchte es nichts weiter als eine magische Performance des Nets-Stars, der gegen die Bucks womöglich das beste Spiel seiner Karriere zeigte. Laut Game Score von basketball-reference.com waren KDs 49 Punkte (16/23 FG), 17 Rebounds, 10 Assists, 3 Steals und 2 Blocks auf jeden Fall gut für sein bisher bestes Playoff-Spiel - und das drittbeste aller Zeiten nach dieser Metrik!
Um diese Annahme mit ein paar Zahlen zu unterfüttern: Noch nie legte ein NBA-Spieler eine 45/15/10-Statline in der Postseason auf, seine Feldwurfquote von 69,6 Prozent war die drittbeste in einem 40-Punkte-Triple-Double in der Playoff-Historie. Die 49 Zähler waren die zweitmeisten in einem Playoff-Triple-Double.
Die Nets haben jeden einzelnen Zähler davon gebraucht. Durant ballerte sein Team mit seinem historischen Meisterwerk von einem 17-Punkte-Rückstand zurück in die Partie und letztlich zum Sieg. Er war entweder als Scorer oder als Vorlagengeber an 43 der letzten 52 Nets-Punkten direkt beteiligt, 20 Zähler erzielte er allein im Schlussabschnitt.
Sein Pullup-Jumper war an diesem Abend wieder einmal tödlich, beispielsweise als in der Schlussminute eine Possession zusammenbrach und Durant die Nets von Downtown rettete. Seine Attacken auf den gegnerischen Korb waren unaufhaltsam.
Dabei hätte man eigentlich vermuten können, dass KD irgendwann einmal müde wird. Das dezimierte Nets-Team war darauf angewiesen, dass ihr einziger verbliebener, komplett gesunder Superstar die komplette Partie durchspielt. Seit LeBron James 2018 hat kein Spieler mehr jede Minute eines Playoff-Spiels absolviert.
"Einfach albern" nannte beispielsweise Coach Steve Nash diesen Auftritt, der Durants Karriere prägen wird. Eine jetzt schon legendäre Laufbahn in der Association hat in Spiel 5 einen weiteren Höhepunkt bekommen. Und das, als sein Team es am dringendsten gebraucht hat.
2. James Harden ist weit entfernt von 100 Prozent
Zur Halbzeitpause wurde in NBA-Kreisen fleißig diskutiert, ob ein James Harden in dieser Verfassung wirklich eine Hilfe für die Nets ist. Nachdem er die vergangenen vier Partien aufgrund einer Oberschenkelverletzung aus Spiel 1 weitestgehend verpasst hatte, kehrte er nun zurück. Und Stand nach den ersten 24 Minuten bei 0/6 aus dem Feld und 0 Punkten - laut ESPN Stats & Info war das seine schlechteste Ausbeute in einer Playoff-Halbzeit aller Zeiten.
Für jeden ersichtlich fehlte "The Beard" seine Explosivität, er war kaum in der Lage, die gegnerische Zone mit Drives zu attackieren. Tatsächlich kam er die komplette Partie über auf keinen einzigen Abschluss in direkter Ringnähe, stattdessen schickte er 8 seiner 10 Würfe von Downtown auf die Reise - keiner landete im Korb.
Und dennoch ließ Coach Nash seinen Point Guard 46 Minuten ran, genau wie Durant bekam auch Harden kaum eine Pause. Nash selbst nannte diesen Umstand in Anbetracht des lädierten Oberschenkels des 31-Jährigen "nicht ideal", doch in dem potenziellen Schlüsselspiel der Serie blieb ihm kaum eine andere Wahl.
Denn Hardens Leistung war alles andere als katastrophal, trotz am Ende nur 5 Zählern bei 1/10 aus dem Feld und 4 Ballverlusten. Zum einen gebührt ihm eine Menge Respekt, dass er für sein Team aufopferungsvoll alles aus sich herausholte, zum anderen half sein Passing (8 Assists, dazu 6 Rebounds) der Nets-Offense, bevor KD das Heft im vierten Viertel endgültig in die Hand nahm. Letztlich verstanden es die Bucks aber auch nicht, Harden als Schwachstelle in der Defense kontinuierlich anzugreifen (dazu später mehr). Vor Spiel 6 in der Nacht auf Freitag bleibt ihm nicht viel Zeit zur Regeneration, Brooklyn hofft dennoch auf einen fitteren Harden - sonst bräuchte es wohl eine erneute Monster-Leistung von Durant.
3. Ist Jeff Green der neue Joe Harris?
Harden war körperlich nicht in der Lage, in Spiel 5 in die Rolle des zweiten Scorers der Nets zu schlüpfen. Da auch Kyrie Irving aufgrund seiner Knöchelverletzung nicht mit von der Partie war, suchten die Nets verzweifelt jemanden, der in die Bresche springen könnte. Sie fanden ihn in Jeff Green.
In seinem zweiten Spiel nach Verletzungspause stellte er direkt mit einem neuen Playoff-Karrierebestwert seine Bedeutung für die Nets unter Beweis. Tatsächlich hat er seit der Saison 2017/18 nicht mehr so viele Punkte aufs Scoreboard gebracht wie in Spiel 5 (27) - egal ob Playoffs oder Regular Season. 7 erfolgreiche Dreier (bei 8 Versuchen) gelangen ihm in der Postseason ebenfalls noch nie.
"Er war unglaublich", lobte Coach Nash den 34-Jährigen, der auch defensiv gegen Antetokounmpo einige gute Szenen hatte. "Kevins Leistung war historisch, aber Jeff war derjenige, der uns lange Zeit im Spiel gehalten hat." Greens Shooting war auch insofern lebensnotwendig für Brooklyn, da Joe Harris derzeit kein Scheunentor trifft.
Der 75-Millionen-Dollar-Mann stand in Spiel 3 und 4 bei äußerst mageren 3/13 aus der Distanz, nun folgte ein 1/7-Abend aus dem Dreipunkteland. Also lag es an Green, und einem in Halbzeit zwei verbesserten Blake Griffin (17, 3/6 Dreier), die Ehre des Supporting Casts zu retten und Durant zu unterstützen. Green und Griffin waren die einzigen beiden Nets-Akteure mit einer zweistelligen Punkteausbeute. Doch kann Green diese Leistung auch bestätigen?
4. Die Bucks-Defense: Kein Lösungsansatz gegen Durant
Der Löwenanteil am Sieg der Nets gehört natürlich KD, keine Frage. Doch bei den Gründen für das furiose Comeback der Hausherren muss auch der Gegner zwingend erwähnt werden: Die Bucks haben ihren kolossalen Einbruch zum Teil auch selbst zu verschulden. Angefangen mit ihrer Defense, die keine Antwort auf Durant hatte - aber auch kaum Lösungsansätze lieferte.
Klar, an einem Abend wie diesem, wenn bei Durant einfach alles flutscht, ist es unfassbar schwer, wenn nicht gar unmöglich, den zweifachen Finals-MVP in seine Schranken zu weisen. Nur ein Beispiel: Laut ESPN versenkte KD in der zweiten Halbzeit 8 von 11 Würfen, die als "contested", also eng verteidigt, eingestuft wurden. Auch beim zuvor angesprochenen KD-Dreier in der Schlussminute war Khris Middleton eng an Durant dran. Was soll man da noch machen?
Eine Möglichkeit wäre, den Ball aus Durants Händen zu zwingen, doch das geschah viel zu wenig. Die Bucks schickten kaum Double-Teams gegen KD, sondern versuchten es vornehmlich mit P.J. Tucker, Jrue Holiday und Middleton in der Verteidigung des "Slim Reapers". Während gerade Tucker seinem Kumpel das Leben in Spiel 4 noch schwer machen konnte, hatte er nun mit Foulproblemen zu kämpfen.
Warum nicht versuchen, Durant mit Double-Teams aus seinem Rhythmus zu bringen? Oder warum nicht einfach mal den zweifachen Defensive Player of the Year auf den Nets-Star ansetzen? Beides passierte in Spiel 5 unverständlicherweise nicht, stattdessen ließ man die magische Durant-Nacht über sich ergehen.
Giannis kündigte zwar an, die Herausforderung in der Defense gegen KD in Spiel 6 übernehmen zu wollen, das kommt aber mitunter zu spät. Diese Anpassung wäre sicherlich schon in Spiel 5 sinnvoll gewesen, anstatt sich von Durant auseinander nehmen zu lassen. Womöglich hätte Durant an diesem Abend auch gegen den Greek Freak nach Belieben gepunktet - dass er das kann, steht außer Frage -, aber dass Coach Mike Budenholzer es noch nicht einmal versucht hat, ist fast schon fahrlässig.
5. Die Bucks-Offense: Entgegen jede Vernunft
Der Einbruch der Bucks-Offense muss dabei als fast noch katastrophaler bezeichnet werden als die Schwierigkeiten in der Defense gegen einen überragenden Durant. Die Gäste hatten das Spiel unter Kontrolle, noch Mitte des dritten Viertels einen 17-Punkte-Vorsprung auf der Habenseite. Und dennoch schaffte es Milwaukee nicht, genügend zu scoren, um das Spiel nach Hause zu bringen.
Während Durant auf der einen Seite Mismatches, zum Beispiel die Drop Coverage von Brook Lopez oder Switches von Pat Connaughton, gnadenlos attackierte, gab die Bucks-Offense vor allem im vierten Viertel Rätsel auf. Genau dieses Attackieren der gegnerischen Schwachstellen blieb nämlich aus.
In erster Linie ist hier Harden zu nennen, der in seinem angeschlagenen Gesundheitszustand selten in der Lage war, einen Verteidiger vor sich zu halten. In einigen Situationen in der ersten Halbzeit nutzte Milwaukee diesem Umstand aus, doch in der entscheidenden Phase der Partie passierte dies kaum. Ein Beispiel: 1:50 Minuten vor dem Ende ging Antetokounmpo gegen Harden in den Post und setzte einen Fadeaway-Jumper an den Ring, anstatt das Face-Up anzunehmen und gegen The Beard in die Zone zu ziehen. Das wäre in diesem Fall wohl die vielversprechendere Option gewesen.
Zudem versuchten die Bucks es kaum, Durant in der Defense aus dem Weg zu gehen. Laut ESPN trafen die Gäste nur 2/8 aus dem Feld in direkten Duellen gegen den wohl besten Verteidiger des Gegners, dennoch sah sich der Angreifer immer wieder diesem Matchup ausgesetzt, anstatt beispielsweise Lopez im Post gegen einen Guard zu bedienen.
Das galt unter anderem auch für Middleton, der in der Crunchtime einen Baseline-Jumper über KD an die Seite des Backboards setzte. Generell wurde die eigentlich zweite Scoring-Option der Bucks im Schlussabschnitt dieser Rolle nicht gerecht. Middleton traf nur einen seiner 6 Versuche für 3 Punkte.
So konnte sich Milwaukee dem Comeback der Hausherren nicht erwehren. Nun bleibt die Frage, ob dieser Schlag in die Magengrube die Bucks nachhaltig mitgenommen hat oder ob Giannis und Co. eine Reaktion zeigen können. Sollte in Spiel 6 tatsächlich das Playoff-Aus besiegelt werden, steht eine stürmische - und wahrscheinlich kurze - Offseason für Coach Bud an. Die vergebene Chance, Spiel 5 gegen die angeschlagenen Nets zu klauen, könnte die Bucks noch verfolgen.
Nets vs. Bucks: Die Serie im Überblick - Stand: 3-2
Spiel | Datum | Uhrzeit | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 6. Juni | 1.30 Uhr | Nets | Bucks | 115:107 |
2 | 8. Juni | 1.30 Uhr | Nets | Bucks | 125:86 |
3 | 11. Juni | 1.30 Uhr | Bucks | Nets | 86:83 |
4 | 13. Juni | 21 Uhr | Bucks | Nets | 107:96 |
5 | 16. Juni | 2.30 Uhr | Nets | Bucks | 114:108 |
6 | 18. Juni | 2.30 Uhr | Bucks | Nets | |
7* | 20. Juni | tba | Nets | Bucks |
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