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NBA Playoffs - James Harden-Block beschert Houston Duell mit den Lakers: Erst "großer Mist", dann Matchwinner

Von Philipp Schmidt
Hardens Block sicherte den Rockets den Einzug in die zweite Runde.
© getty

Nicht zum ersten Mal in der Karriere von James Harden sah es in Spiel 7 gegen die Oklahoma City Thunder danach aus, als ob The Beard auf der größtmöglichen Bühne nicht abliefern könnte. Offensiv zeigte er eine ganz schwache Leistung. In Erinnerung wird jedoch eine Szene am anderen Ende des Feldes bleiben, die den 104:102-Erfolg (hier geht's zu den Höhepunkten) ermöglichte.

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"Offensiv war das ein großer Mist. Ich konnte keinen Wurf treffen, habe den Ball weggeworfen und alles getan, was ich nicht tun sollte." Das sind in der Regel nicht die Worte von jemandem, der seinem Team gerade zum Einzug in die zweite Runde der Playoffs verholfen und ihm ein Matchup mit den Los Angeles Lakers und LeBron James beschert hat.

Wie so oft im Sport reichte für James Harden allerdings eine einzige Aktion, um das Narrativ des Spiels komplett zu verändern. An Spiel 7 der ersten Runde der Playoffs in der Western Conference 2020 werden Basketball-Fans deshalb zurückdenken, weil Harden 1,5 Sekunden vor Ende der Partie beim Stand von 103:102 für die Rockets einen Dreier von Luguentz Dort blockte - und nicht deshalb, weil sein vorheriger Auftritt alles andere als Lobeshymnen verdient hatte.

Ein rabenschwarzer Abend für James Harden

Seine Statistiken nach gut 37 Minuten Einsatzzeit sprachen eine deutliche Sprache. Nur vier von 15 Würfen fanden ihr Ziel, aus der Distanz sah es mit einem Treffer bei neun Versuchen noch düsterer aus. Hinzu kamen immerhin 9 Assists bei 4 Turnovern sowie acht verwandelte Freiwürfe bei neun Versuchen. Hardens Kritiker waren im vierten Viertel schon in Lauerstellung gegangen. Es wurden Erinnerungen an schwache Playoff-Auftritte in Entscheidungsspielen wie zum Beispiel Game 6 vor drei Jahren gegen die San Antonio Spurs wach, als Harden bei der 75:114-Niederlage gerade einmal 10 Punkte (2/11 FG) verbuchte.

Auch aus den Serien gegen Golden State lassen sich einige weitere Lowlights aus Hardens Playoff-Resümee finden, diesmal riss der Bärtige - ausgerecht durch Defense - das Ruder noch einmal um, auch wenn offensiv nur wenig gelingen mochte. Harden fand kein gutes Gleichgewicht zwischen dem Kreieren des eigenen Wurfes und des Einsetzens seiner Mitspieler. Die guten Assist-Zahlen waren auch der Tatsache geschuldet, dass sich die Rockets gleich 11 Offensiv-Rebounds schnappten und entsprechend 88-mal auf den Korb ballerten (OKC: 76-mal).

Dass die Dreierschützen wie Robert Covington (6/11), Eric Gordon (5/9) oder Jeff Green (3/4) irgendwann einige der 49 Distanzwürfe versenken würden, war (von einigen starken Kickout-Pässen abgesehen) in erster Linie nicht den überragenden Vorlagen Hardens zu verdanken, sondern einfache Wahrscheinlichkeitsrechnung. Vielmehr fielen die 4 Turnover auf, weil diese fast alle vermeidbar waren.

James Harden erwischt offensiv gegen OKC Tag zum Vergessen

Hielt sich Harden in einigen Spielen der Serie zu Beginn bewusst zurück, um seinen Mitspielern einen Rhythmus zu verschaffen, versuchte er dieses Mal frühzeitig voranzugehen und selbst Punkte auf die Anzeigetafel zu bringen. Das Problem: Mit 4 Punkten im ersten Viertel bei 1/6 aus dem Feld ging dieses Vorhaben gehörig schief. Auch klatschten die ersten drei Dreier auf den Ring.

Seinen Anteil daran hatte auch ein 21-jähriger Rookie, der wie Harden die Arizona State University besucht hatte: Luguentz Dort. Der Thunder-Guard kümmert sich bereits die gesamte Serie über um die Bewachung Hardens - und das mit durchaus sichtbarem Erfolg.

Einen Spieler von dessen Niveau, der wie in den Spielen 1 und 5 gut aufgelegt war und hochprozentig traf, kann auch Dort nicht komplett abmelden. Sein Einfluss auf das Spiel des Scoring Champions war jedoch unverkennbar. "Er hat sich den Hintern aufgerissen und wird eine lange Karriere in dieser Liga haben", lobte Harden nach dem Spiel sein Gegenüber.

James Harden: Dreierquoten in der Serie gegen OKC

SpielTreffer/VersucheQuote (in Prozent)
16/1346,2
22/1118,2
33/1323,1
46/1540
54/850
63/1127,3
71/911,1

Symptomatisch für dieses verrückte Spiel 7 war die Tatsache, dass sich die eigentlichen Fachgebiete von Dort und Harden um 180 Grad wandelten: Während Dort im Laufe der Serie zwar neben seiner starken Defense auch das grüne Licht in der Offense erhielt, wenn er nicht gedeckt wird, dies aber mit einer Trefferquote von kläglichen 18,4 Prozent (7/38) nicht bestrafen konnte, stellt sich die Situation bei Harden konträr dar - eigentlich.

Defensivspezialist Dort nahm im entscheidenden Spiel 21 Würfe - die mit Abstand meisten in seinem Team - und verwandelte davon zehn, sechs aus der Distanz. Mit 30 Punkten stellte er ein neues Career High auf und brach zudem den Punkterekord für einen Thunder-Rookie in den Playoffs. Vorheriger Rekordhalter? James Harden.

Dieser hatte mit besagten Schwierigkeiten in der Offense zu kämpfen, machte diese Defizite mit gutem Einsatz in der Verteidigung aber zumindest teilweise wieder wett. Auch die Zahlen stimmen: Harden eroberte zweimal den Ball, blockte bereits vor seiner Last-Second-Heldentat zwei Würfe und kam mit +9 auf den besten Plus/Minus-Wert aller eingesetzten Spieler.

Sein Einfluss auf das Rockets-Spiel war also weiterhin positiv, was etwa damit begründet werden kann, dass auch an schlechten Tagen der Respekt vor ihm so groß ist, dass Räume für die Mitspieler entstehen, die unter anderem Russell Westbrook (20 Punkte, 9/20 FG) mit zahlreichen Abschlüssen in der Zone nutzte.

Harden lobt Teamkollegen: "Haben mir Selbstvertrauen gegeben"

Seine Teamkollegen waren es auch, denen Harden das größte Verdienst an seiner Leistung zusprach: "Meine Teamkollegen haben mir Selbstvertrauen gegeben. Das ganze Jahr versuche ich schon besser auf dieser Seite des Balls zu sein, auch heute lag darauf der Fokus. Ich wollte das Spiel defensiv bestmöglich verändern und das habe ich geschafft. Ich wollte Dort einfach keinen Platz lassen."

Die Schlussphase der Partie war von zunehmender Hektik und Nervosität geprägt, kaum waren noch durchdachte und zu Ende gebrachte Spielzüge zu erkennen. "Die letzten 60 Sekunden war ich wie betäubt. Ich erinnere mich an nichts mehr außer an das letzte Play", sagte Harden zur Crunchtime, während Rockets-Coach Mike D'Antoni das Ende als "ein bisschen verrückt" bezeichnete.

Dass es der Coach der Rockets nach diesem nervenaufreibenden Spiel nicht mehr schaffte, seine Gedanken zu sortieren, beweisen auch seine Reaktionen auf die Fragen nach dem kommenden Gegner und der nur zweitägigen Pause: Auf die Antwort "Wir fliegen jetzt nach L.A, dort ist es immer schwierig, aber wir sind in einem guten Zustand" folgte "Gottseidank haben wir ein junges Team", was rein objektiv beides nicht wirklich stimmte.

Harden und LeBron: Das erste Playoff-Duell seit 2012

Spiel 1 gegen die Lakers, den Top-Seed der Western Conference, findet in der Nacht auf Samstag um 3 Uhr deutscher Zeit statt - übrigens nicht in L.A., sondern weiter in der Bubble des Disney Resorts in Orlando, Florida. Harden traf zuletzt 2012 in den Finals mit den Thunder in den Playoffs auf LeBron James, damals noch im Jersey der Miami Heat. "Sie haben Superstar-Power und eine gute erste Runde gespielt. Aber wir werden uns erholen und bereit sein."

Dann wird auch wieder eine bessere Offensiv-Leistung von Harden vonnöten sein, wenn die Überraschung gegen einen der großen Favoriten auf den Titel gelingen soll. Auch die Defense kann sein Team aber bestens gebrauchen.

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