Seit elf Jahren ist Rick Carlisle als Head Coach der Dallas Mavericks und damit an der Seite von Dirk Nowitzki aktiv. Gemeinsam mit der Mavs-Legende brachte er 2011 die Championship nach Dallas. Im Interview mit DAZN und SPOX sprach der 59-Jährige über die gemeinsame Zeit mit dem Dirkster und was den Deutschen so besonders macht.
Außerdem prognostiziert der Mavs-Coach seinem jungen Team um Luka Doncic und Kristaps Porzingis eine strahlende Zukunft und blickt voraus auf das womöglich letzte Heimspiel von Dirk Nowitzki gegen die Suns (Mittwoch, 10. April, ab 2.30 Uhr live auf DAZN).
Mr. Carlisle, Sie sind bereits elf Jahre hier in Dallas und damit elf Jahre der Head Coach von Dirk Nowitzki. Was macht ihn so besonders für Sie als Coach?
Rick Carlisle: Nun ja, seine Größe als Spieler ist das Offensichtliche. Er ist die Definition von jemandem, der den Unterschied ausmacht, und das seit über zwei Dekaden. Was ich damit meine: Wenn er den Court betritt, dann gibt es einen Gegenspieler, der ihn über das ganze Feld eng verteidigt. Das öffnet Räume für die anderen vier Spieler. Er ist jemand, der es den anderen Spielern auf dem Feld immer ermöglicht hat, besser zu spielen, weil er Aufmerksamkeit auf sich zieht. Das ist aber nur die strategische Seite.
Und wie sieht die andere Seite aus?
Carlisle: Wenn du über Leadership sprichst, darüber, ein guter Teamkollege zu sein und solche Sachen, ist er das Nonplusultra. Er ist extrem bescheiden, er liebt es, Teil eines Teams zu sein, Teil von etwas, das größer ist als er selbst. Er liebt die Kameradschaft in der Kabine. Das einzige, was er immer wollte, war eine Championship zu gewinnen - oder mehrere. In seinen ersten zehn, elf oder zwölf Jahren hat er einen harten Kampf durchgemacht, um sich seinen Weg dorthin zu erarbeiten. 2006 waren sie nah dran, konnten das große Ziel aber nicht erreichen. 2011 hat er, zum großen Teil aufgrund der Opfer, die er finanziell erbracht hat, indem er aus seinem Vertrag ausgestiegen ist und neu unterschrieben hat, Platz gelassen, um neue, gute Spieler zu holen.
... zum Beispiel Center Tyson Chandler.
Carlisle: Und Tyson war derjenige, der das Team 2011 vervollständigt hat. Dirk hatte also einen großen Einfluss auf dem Parkett, aber er war auch großartig in der Community - man braucht es fast nicht zu sagen, aber er wird in Dallas geliebt. Einige der anderen Dinge, die er getan hat - mit seinem Vertrag und dem Verzicht auf viel Geld, um das Team wettbewerbsfähig zu halten - sind beispiellos für großartige Spieler. So etwas sieht man nicht häufig. Er ist einfach einzigartig.
Durch die Meisterschaft 2011 ist sich das Team natürlich nähergekommen. Wie ist Ihre persönliche Beziehung zu ihm?
Carlisle: Er ist einer meiner liebsten Menschen aller Zeiten. Ich betrachte Dirk als tollen Freund. Unsere Beziehung hat sich über eine Dekade entwickelt. Ich habe eine Menge über ihn gelernt, er hat eine Menge über mich gelernt. Er hat mir eine Menge beigebracht, ich hoffe, dass ich ihm geholfen habe. Aber wenn du gemeinsam durch so eine lange Periode mit intensivem Wettbewerb und einem Championship-Run gehst, solche Sachen bleiben ein Leben lang. Ich schätze meine Freundschaft mit Dirk sehr. Ich glaube, das ist eine lebenslange Freundschaft und das ist sehr bedeutsam.
Gab es in den vergangenen elf Jahren Gelegenheiten, um Zeit abseits des Courts zu verbringen, oder war es immer eine reine Coach-Spieler-Beziehung?
Carlisle: Es gab ein paar Dinge, die wir von Zeit zu Zeit gemeinsam gemacht haben. Während der Saison respektiere ich aber Dirks Zeit mit seiner Familie sehr. Er hat eine Familie mit drei Kindern und sie haben nicht viel Zeit gemeinsam. Als ich den Job bekommen habe, bin ich nach Würzburg gereist und habe vier Tage mit ihm und Holger (Geschwindner, Anm. d. Red.) verbracht. Ich habe ihn und seine Familie besser kennengelernt und erfahren, wo er herkommt. Das sind sehr wichtige Dinge. Die elf Jahre seit dieser Zeit sind extrem schnell vergangen. Die Erfahrung an seiner Seite ist etwas, das ist so locker und läuft so einfach, dass die Zeit verfliegt.
Gibt es einen Moment mit Dirk, der Ihnen für immer in Erinnerung bleiben wird?
Carlisle: Ich muss sagen, das war die Championship. In dem Moment, als 2011 Spiel 6 endete und wir gewannen, habe ich gesehen, wie Dirk die Arena verlassen hat. Die Emotionen haben ihn einfach überwältigt. Er hat sich gesammelt und ist zurückgekommen. Es müssen alle möglichen Dinge durch seinen Kopf gegangen sein. Sie hatten 2006 die schwierige Serie gegen Miami, fünf Jahre zuvor. Die Menge an Arbeit, die 2007 bis 2011 von Nöten war, um wieder an die Spitze zu kommen und erneut eine Chance zu bekommen ... Ich denke, all diese Gefühle haben ihn überflutet, er hatte Freudentränen in den Augen.
Anschließend gab es natürlich eine riesige Party. Das Team hat gefeiert und ich vermute, Dirk hat ebenfalls ziemlich hart gefeiert. Wie war der Sommer nach der Championship?
Carlisle: Das war einer der seltsamen Dinge an 2011. Es gab am 1. Juli einen Lockout und dadurch war es uns nicht erlaubt, mit den Spielern zu sprechen und sie durften nicht mit uns sprechen. Das war etwas bizarr. Aber ich weiß, dass Dirk und viele seiner Teamkollegen viel Zeit miteinander verbracht und gemeinsam gefeiert haben. Es gab eine Situation bei den ESPY-Awards in L.A., da hat die Liga eine Ausnahme gemacht. Mark (Cuban, Eigentümer der Mavericks, Anm. d. Red.) durfte mit ein paar Jungs hingehen und mit ihnen auf der Bühne sein, das war schön. Aber wir reden über einen der vielleicht bedeutendsten Momente in seinem Leben als Profi. Er hat unter Beweis gestellt, dass er einer der Jungs ist, die ihr Team auf ihre Schultern nehmen können. Und das für eine Organisation und Franchise, zu der er so loyal war.
Und natürlich spielt er heute immer noch, mittlerweile in seiner 21. Saison für die Mavs. Wie ist es für Sie als Coach, ihn heute spielen zu lassen - ist es schwierig, ihn aufzustellen? Ist er immer noch in der Lage, auf einem ähnlichen Level zu spielen wie in den letzten Jahren?
Carlisle: Ja, das ist er. Als er im Dezember das erste Mal von seiner Operation zurückkehrte, war es nicht leicht. Es war schwierig. Er hatte kein Training Camp. Er hat im Grunde mit unseren Praktikanten Scrimmages gemacht und so versucht, in Form zu kommen. Anfangs haben wir ihn nur in der ersten Hälfte spielen lassen. Aber er hat weitergearbeitet und weiter alles gegeben. Mit der Zeit hat er besser und besser gespielt, was man natürlich erwarten konnte. Das ist das Verhaltensmuster großartiger Spieler.
Viele Fans und Experten vermuten, dass dies seine letzte Saison ist, obwohl noch nichts bestätigt wurde. Wissen Sie vielleicht ein bisschen mehr als wir?
Carlisle: Wenn das der Fall wäre, würde ich es Ihnen nicht verraten. (lacht) Das wäre nicht angemessen. Ich weiß nichts. Niemand weiß etwas. Dirk ist ein sehr zurückhaltender Typ. Ich finde es sehr faszinierend, dass er, obwohl er noch nichts angekündigt hat, jede Nacht dieses unglaubliche Maß an Liebe und Respekt überall in der Liga bekommt. Das zu sehen, war einfach unglaublich.
Und es ist hoch verdient. Am Mittwoch, bei seinem womöglich letzten Heimspiel gegen die Suns (ab 2.30 Uhr live auf DAZN), wird seine Karriere gefeiert werden. Was denken Sie, wird in der Stadt Dallas und in der Arena passieren?
Carlisle: Es wird wild. Das wird verrückt hier drinnen. Allein schon durch den Gedanken, dass es sein letztes Spiel im American Airlines Center sein könnte, wird es das heißeste Ticket seit der Championship sein. Ich weiß, dass er einen unglaublichen Empfang bekommen wird. Ich plane definitiv, ihn in diesem Spiel so viel spielen zu lassen, wie es geht. Aber wir haben ein Back-to-Back. Wir spielen in San Antonio am nächsten Abend (Donnerstag, ab 2 Uhr live auf DAZN), es werden also zwei sehr arbeitsreiche Tage.
Für die Mavericks sieht die Zukunft mit Luka Doncic, Kristaps Porzingis und vielleicht auch Dirk in der nächsten Saison besser aus als in den letzten Jahren. Denken Sie bereits an die nächste Saison und die Zukunft der Mavericks?
Carlisle: Ja, ich denke viel über die Zukunft nach. Wir sind ganz am Ende der Saison, da schaust du immer ein bisschen voraus. Wir haben einige richtig gute, junge Spieler, die wir mögen. Wir haben einige Jungs per Trade akquiriert, die wir wirklich mögen. Ich denke, die Zukunft ist sehr vielversprechend. Und egal ob Dirk spielt oder nicht, ich bin sehr zuversichtlich, dass er in irgendeiner Funktion ein Teil unserer Zukunft sein wird. Entweder in der Organisation im Front Office oder vielleicht in einer Rolle auf dem Parkett, aber das wird natürlich ihm überlassen sein. Aber für einen Kerl, der die Trainingshalle so sehr liebt wie er - einfach wegzugehen und nie wieder zurückzukommen, das klingt für mich nicht sehr wahrscheinlich.