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NBA: Die Boston Celtics und Sorgenkind Hayward - Warten auf Gordon

Gordon Hayward und die Boston Celtics sind noch lange nicht da, wo sie hinwollen.
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Im Gegensatz zu den anderen Top-Teams der Eastern Conference hielten die Boston Celtics ihre Füße zur Trade Deadline still und veränderten ihren Kader nicht. Dies hatte mehrere Gründe - nicht zuletzt die Komplikationen bei einem möglichen Angebot für Anthony Davis -, darunter aber auch den folgenden: Ihr Hoffnungsträger, der potenzielle neue Star, steht eigentlich schon im Kader.

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In der Nacht auf Mittwoch reisen die Boston Celtics zum Härtetest bei den Golden State Warriors (ab 4.30 Uhr auf DAZN).

Blickt man nur auf die Schlagzeilen rund um die Celtics-Saison 18/19, könnte man meinen, dass es sich hier um ein dramatisch schlechtes Team handelt, das keine Chance mehr auf die Playoffs hat. Unzufriedenheit hier, Enttäuschung da, dazu die mittlerweile doch sehr lauten Gerüchte um einen Abgang von Kyrie Irving. Über die ganze Saison ist bei den Celtics noch keine Ruhe eingekehrt.

Dass Boston beim Net-Rating trotzdem Platz 3 (+5) nach den alles überragenden Bucks (+8,8) und Warriors (+6,2) belegt, wirkt da eher nebensächlich - mit Recht: Immer, wenn die Celtics scheinbar die Kurve kriegen, folgt eine peinliche Niederlage, gern auch mal gefolgt von einer teaminternen Krisensitzung. Für ein richtiges Top-Team sind die Celtics, Rating hin oder her, viel zu inkonstant. Zumal der Trend definitiv in die falsche Richtung geht.

Man kann dafür viele Gründe heranziehen, allen voran wohl die Feinjustierung zwischen den jungen Spielern, die vergangene Saison die Conference Finals erreichten, und den eigentlich etablierten Stars. Viel wurde darüber bereits geschrieben. Vielleicht noch wichtiger ist aber Gordon Hayward.

Der frühere All-Star ist eine der größten Enttäuschungen der bisherigen Celtics-Saison und gleichzeitig so etwas wie der größte (einzige?) Hoffnungsträger für ihren Rest. Philly holte Tobias Harris, Toronto holte Marc Gasol, die Bucks schnappten sich Nikola Mirotic. Bekommt Boston noch in dieser Saison den echten Gordon Hayward? Oder zumindest einen Spieler, der diesem ähnelt?

Gordon Hayward: Der Allrounder ist weg

Als im Sommer und im Herbst von den Celtics als Finals-Favoriten gesprochen wurde, als Irving sagte, dass er auf jeden Fall langfristig in Boston bleiben wolle, rechnete man fast überall mit einem Hayward, der ähnlich wie vor seinem Wechsel von Utah nach Boston auftreten würde. Wahrscheinlich war das naiv - die Realität ist in jedem Fall eine andere.

Hayward bei den Jazz (und vor seinem Knöchelbruch) war ein aggressiver Athlet, ein dynamischer Spieler, der nie Kontakt scheute und in seinen letzten beiden gesunden Saisons immerhin 6 Freiwürfe im Schnitt zog. Der All-Star von 2017 war ein optimaler Allrounder: Er konnte verteidigen, werfen, sich Punkte im System erarbeiten oder auf eigene Faust welche kreieren - für sich und für andere.

Hayward bei den Celtics ist ein ganz anderer Spieler. Allen voran ist er kontaktscheu. Wenn er zum Korb geht, spielt er in den meisten Fällen ab, sein Zögern ist extrem auffällig. Hayward zieht als Folge nur 2,4 Freiwürfe und ist bei weitem nicht der komplette Spieler, der im Sommer 2017 einen 128-Millionen-Dollar-Vertrag unterschreiben durfte.

Warriors-Spieler über Hayward: "Er schadet ihnen"

Weder offensiv noch defensiv agiert Hayward mit der letzten Konsequenz, was den Celtics im Lauf der Saison schon mehr als einmal Probleme bereitet hat. Nicht zuletzt in einem hochklassigen Duell gegen die Warriors Ende Januar, in dem Hayward in 22 Minuten nur 2 Punkte erzielte und danach via Jeff Goodman (Stadium) von einem anonymen Warriors-Spieler "angezählt" wurde.

"Gordon Hayward ist im Moment nicht Gordon Hayward. Er schadet ihnen. Er ist eine Schwachstelle an beiden Enden des Courts", soll dieser Spieler gesagt haben. Es ist kein Wunder, dass sich niemand damit zitieren lassen wollte - selbst wenn es die Wahrheit war, hat wohl jeder Verständnis dafür, dass man nach einer solchen Verletzung Zeit braucht.

Der glatte Durchbruch im ersten Saisonspiel 17/18 hatte eine traumatisierende Wirkung; selbst wenn medizinisch alles vollkommen in Ordnung ist, gehört eben mehr dazu, dem Bein wirklich zu vertrauen und es voll zu belasten. Dieser Prozess verläuft individuell - Shaun Livingston etwa brauchte nach seiner traumatischen Knieverletzung mehrere Jahre, um wieder voll auf die Höhe zu kommen. Paul George brauchte ebenfalls seine Zeit und ist jetzt, fast fünf Jahre nach seiner Verletzung, besser denn je.

Das Spiel gegen die Golden State Warriors war einer der Saison-Tiefpunkte für Gordon Hayward.
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Das Spiel gegen die Golden State Warriors war einer der Saison-Tiefpunkte für Gordon Hayward.

Ausreißer nach oben und unten

Wie lange es bei Hayward dauern wird, ist nicht absehbar. Es gab im Lauf der Saison durchaus schon Ausreißer nach oben, unter anderem in beiden Spielen gegen die Timberwolves, als er 30 und 35 Punkte erzielte, es gab aber auch schon 30 Spiele, in denen er nicht einmal 10 Punkte erreichte. Dabei gab es durchaus einen subtilen, konstanten Fortschritt: Bis inklusive Februar hat Hayward seinen Punkteschnitt in jedem Saisonmonat etwas gesteigert.

Während seine Quoten im Dezember absolut fürchterlich waren, geht der Trend auch hier nach oben, im Februar waren sie sogar sehr gut. Auch sein Einfluss auf die Teamleistung war in dieser Phase sehr positiv. Brad Stevens setzte ihn als de facto-Playmaker von der Bank ein und ließ die Offense primär über ihn laufen, was gut funktionierte: Im besagten Februar erreichten die Celtics mit Hayward On-Court ein Offensiv-Rating von 116,5 (Net-Rating: +8,4), ohne ihn waren es nur 98,2 (respektive -12,9). Hayward macht den Ball schneller als etwa Kyrie oder Jayson Tatum - auch deshalb galt er ursprünglich als potenziell idealer Robin neben Kyries Batman.

Dieser ideale Robin wird er indes in dieser Saison nicht mehr. Nachdem er sich während des All-Star Breaks am Knöchel verletzte (der andere), ist nun wieder Sand im Getriebe: In fünf Spielen seit der Pause hat Hayward ganze sieben seiner 25 Würfe getroffen und wirkt wieder wie ein Schatten seiner Selbst.

Ganz so verheerend wird es kaum bleiben, trotzdem dienen diese Spiele wieder als Erinnerung - Hayward ist kein gefestigter Spieler. Er ist fragil - im Gegensatz zum Rest seines Teams hat er allerdings verständliche Gründe dafür. Dass er dennoch versucht, positiv zu bleiben und seinen Beitrag zu leisten, könnte dem Rest des Teams eigentlich als Vorbild dienen.

Die Statistiken von Gordon Hayward pro Monat

MonatSpielePunkteAssistsFG%3FG%Net-Rating
Oktober610,21,740,736,42,4
November1410,33,941,726,46,6
Dezember1210,43,837348,6
Januar1411,53,346,531,90,9
Februar (pre All-Star)714,6457,152,411,3
Post All-Star55,23,230,812,50,8

Marcus Smart erkennt Haywards Opfer an

Das hat auch der Leader der Celtics anerkannt. "Es gibt keine Entschuldigungen für irgendjemanden", sagte Marcus Smart kürzlich. "Wenn Gordon [eine Rolle von der Bank akzeptieren] kann, ein All-Star, ein Max-Player, dann gibt es keine Entschuldigung für irgendjemanden, keine Opfer zu bringen. Gerade bei ihm, der von einer Verletzung wiederkommt und sich neu beweisen will. Es sagt viel über ihn aus, dass er eine solche Rolle akzeptieren kann, ohne sich zu beschweren."

Beschwert hat sich in Boston in dieser Saison bisher tatsächlich fast jeder, Hayward aber nicht. Nach guten Spielen freut er sich über seinen Fortschritt, nach schlechten merkt er an, wie weit sein Weg zurück noch ist, ohne seinen Optimismus zu verlieren. Dabei ist seit seinem Wechsel zu den Celtics nichts so gelaufen, wie er es sich erhofft hatte. Und momentan sieht es danach aus, als würde sich das zumindest in dieser Saison auch eher nicht mehr ändern.

Das Gute ist: Etwas Zeit bleibt Hayward und den Celtics noch, um sich zu finden. Das Schlechte: Das Team ist vielleicht stärker auf den Rekonvaleszenten angewiesen, als es irgendjemand vor der Saison erwartet hatte.

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