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Es muss ja nicht immer ein Wal sein

Hassan Whiteside und Goran Dragic sind weiterhin die Stars der Heat
© getty

Mit großen Ambitionen gingen die Miami Heat in die Offseason, letzten Endes war Kelly Olynyk jedoch der prominenteste Neuzugang - und die eigenen Free Agents wurden üppig bezahlt. Die Strategie des letzten Jahrzehnts wurde von Pat Riley damit auf den Kopf gestellt. Die Offseason in der Analyse.

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Die Transaktionen der Miami Heat

Im Zuge des Drafts überraschten die Heat mit der Entscheidung, an 14. Stelle Edrice "Bam" Adebayo auszuwählen - viele Experten hatten den Big Man außerhalb der Lottery eingeschätzt. Seine Leistungen in der Summer League deuteten aber immerhin an, dass die Entscheidung gut war. Im Anschluss richtete sich der Fokus von Heat-Pate Pat Riley sofort auf Wunschspieler Gordon Hayward.

Während dieser zwischen Miami, Boston und Utah hin- und herüberlegte, waren Riley die Hände gebunden. Zwar einigte man sich mit Chris Bosh auf eine "einvernehmliche" Trennung, um andere Free Agents konnte sich Miami aber nicht kümmern - bis Hayward am 4. Juli seine Entscheidung pro Boston bekannt gab. Da auch "Plan B" Blake Griffin bereits vom Markt war, war die "Waljagd", wie Riley es in der Vergangenheit genannt hatte, schnell wieder beendet.

Also machte er etwas für ihn sehr Untypisches: Er nahm viel Geld in die Hand, um den (mittelmäßigen) Status Quo aufrechtzuerhalten. Dion Waiters (4 Jahre, 52 Millionen Dollar) und James Johnson (3 Jahre, 43,3 Millionen, Spieler-Option für ein viertes Jahr) wurden für ihre jeweiligen Career-Years üppig belohnt, Team-Legende Udonis Haslem wurde für ein weiteres Jahr gehalten.

Der namhafteste Neuzugang war letzten Endes Kelly Olynyk (4 Jahre, 50 Millionen, Spieler-Option im vierten Jahr), der in Boston wegen Hayward nicht mehr bezahlt werden konnte. Per Trade holten sich die Heat darüber hinaus Big Man A.J. Hammons für Josh McRoberts von den Mavericks. Luis Montero und Derrick Walton Jr. wurden mit Two-Way Contracts ausgestattet, zudem wurde noch der bei den Celtics entlassene Jordan Mickey zum Minimum geholt.

Die Strategie der Miami Heat

30-11. Das ist die Bilanz, die am South Beach für Euphorie sorgt - in der zweiten Saisonhälfte gehörte Miami zu den besten Teams der Liga. Zwar war man in der ersten Saisonhälfte mit 11-30 auch eins der schlechtesten Teams, allerdings scheint man darauf zu hoffen, dass das die weniger aussagekräftige Saisonhälfte war.

Ein nomineller Franchise Player wurde also nicht geholt und dieser wird auch im Sommer 2018 nicht zu bekommen sein, obwohl ja durchaus viele Hochkaräter auf dem Markt sein werden: Bereits jetzt stehen für die Saison 2018/19 111 Millionen Dollar an garantierten Verträgen in den Büchern. 2019/20 wären es knapp 109 Millionen, sollten Whiteside und Dragic ihre Spieleroptionen ziehen.

Das bedeutet: Der Kern der Heat wird mittelfristig nur durch Trades verändert werden können, zumal die Heat weder 2018 noch 2021 den eigenen Erstrundenpick haben. Miami setzt darauf, dass in den überwiegend jungen Spielern noch einiges an unausgeschöpftem Potenzial schlummert und dass Spieler wie Waiters oder Johnson ihre Motivation und Form beibehalten, obwohl sie jetzt bezahlt wurden.

Im Idealfall soll Erik Spoelstra, der in der vergangenen Saison endlich die ihm schon lange zustehende Wertschätzung von allen Seiten erfuhr, aus dieser homogenen Einheit ein Team formen, das ähnlich wie die 2004er Pistons jede Star-Truppe in Angst und Schrecken versetzt.

Die Schwachstellen der Miami Heat

In vielerlei Hinsicht waren die Heat vergangene Saison so mittelmäßig wie ihre 41-41-Bilanz: Abgesehen von ihrer vorzüglichen Defense (das fünftbeste Defensiv-Rating: 106,7) fielen sie in kaum einer Hinsicht besonders positiv oder besonders negativ auf. Abgesehen von den Freiwürfen: Miami holte sich die drittwenigsten Freebies und versenkte sie mit der schlechtesten Quote - und das ohne klassisches Hack-A-Shaq-Opfer im Kader.

Diese Schwäche ist exemplarisch für das wesentliche Problem der Heat in der Offense: Sie haben nicht die eine verlässliche Go-to-Option, die man in brenzligen Situationen losschickt, um Punkte oder Freiwürfe zu erarbeiten. Dragic ist noch immer ein guter Driver, auch er zog aber bloß 5,2 Freiwürfe pro Spiel.

Waiters würde sich selbst mit Sicherheit als besten Clutch-Player der Liga bezeichnen, er kam allerdings nur auf 2,8 Freebies und verließ sich in der Schlussphase fast ausschließlich auf den Jumper. Zwar traf er auch mal (der berühmteste Fall: Sein Game-Winner gegen die Warriors), aber nicht beständig genug: Miami hatte in Clutch-Situationen insgesamt ein Net-Rating von -10,7 alias Platz 23 ligaweit. Milwaukee war das einzige Playoff-Team, das schlechter war.

Was bedeutet das im Hinblick auf die Offseason? Nun - Hayward hätte den Heat definitiv weitergeholfen, gerade in engen Situationen, wenn ein Bucket her muss. Aber vielleicht kann Olynyk seine Magie aus Spiel 7 der Eastern Conference Semifinals gegen Washington ja von nun an öfter abrufen...

Der Hoffnungsträger der Miami Heat

Das zweite Jahr war kein gutes für Justise Winslow. Zwar hob er seinen Punkteschnitt auf 10,9 Punkte, allerdings produzierte er dabei fürchterliche Quoten (35,6 Prozent FG, 20 Prozent 3FG) und verletzte sich dann auch noch schwer. Mit einem Riss im Schultergelenk verpasste Winslow bisher das komplette Kalenderjahr 2017 und lief insgesamt in der vergangenen Saison bloß 18 Mal auf.

Nun soll Winslow aber wieder vollkommen fit sein - und steht in der Bringschuld. In der Defense hat der No.10-Pick von 2015 zwar schon großes Potenzial gezeigt, offensiv blieb es bisher jedoch bei Ansätzen, insbesondere beim Wurf. Möglichkeiten dürften sich ihm dennoch bieten, denn Winslow ist innerhalb des Kaders der Spieler mit der vielleicht höchsten "Upside" - und er ist noch immer erst 21 Jahre alt.

"Wir bewerten diesen Jungen nach gerade einmal 96 Spielen als Profi. Ich denke, das ist unfair", hatte Riley bei der Pressekonferenz zum Ende der Saison noch moniert. Innerhalb der Organisation halten sie weiterhin sehr große Stücke auf den Small Forward.

Das Fazit

Man kann den Heat keinen Vorwurf machen, dass sie weder Hayward noch Griffin bekommen haben. Allem Anschein nach haben sie dabei ja nichts falsch gemacht - die Spieler haben sich aber eben anders entschieden. Passiert. Die restliche Offseason darf man dann aber doch kritisch bewerten.

Niemand behauptet, man habe Geld für miese Spieler rausgeworfen, aber Stars sind Olynyk, Waiters und Johnson eben nicht. Und während es völlig legitim gewesen wäre, wie im letzten Jahr mit Einjahresverträgen um sich zu werfen, wirkt es etwas bizarr, dass alle für mindestens drei Jahre gehalten wurden. Glaubt Riley wirklich, dieses Team könnte auf Dauer eine Gefahr für die Golden States, Clevelands oder Bostons dieser Welt darstellen? Wohl kaum.

Riley wird vielmehr wissen, dass dieses Team im Osten locker für einen Playoff-Platz gut ist, vielleicht sogar 50 Siege, aber eben nicht mehr. Und damit ist er nicht zufrieden: "Ich will um Titel spielen, darum geht es und darum ging es immer. Aber man muss dafür nicht auf Walfang gehen. Man kann wichtige Spieler via Trade bekommen und muss nicht zwingend 38 Millionen pro Jahr für einen Spieler bezahlen. Einige dieser Maximalverträge sind lächerlich", sagte Riles kürzlich zum Miami Herald.

Er mag einerseits Recht haben - gleichzeitig ist es aber auch gut möglich, dass er den Trade-Wert seiner eigenen Spieler überschätzt.

Die Note: 4

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