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"Elfrid erinnert mich an Nash"

Channing Frye (l.) gibt in Orlando den Mentor für Elfrid Payton und Co.
© getty

Channing Frye gibt bei den jungen Orlando Magic mit 32 Jahren den Herbergsvater. SPOX sprach im Vorfeld der Global Games (Magic - Raptors, 21 Uhr im LIVESTREAM) in London mit dem Veteranen über wichtige Lehren, seine Karriere-Highlights - und die Abhängigkeit vom Point Guard. Außerdem: Welche Qualitäten von Steve Nash er bei Elfrid Payton sieht.

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SPOX: Channing, Sie haben bei den Magic als einer der ganz wenigen Veteranen eine besondere Rolle. Können Sie Ihren Alltag ein wenig beschreiben?

Channing Frye: Um ehrlich zu sein, bin ich gewissermaßen ein Ruhepol für unsere ganzen Youngster. Mit ein bisschen Erfahrung weiß man eben, dass die Saison lange dauert und ein einziges Spiel nicht über den Rest des Jahres oder den Rest deiner Karriere entscheiden wird. Da ist es wichtig, zwischendurch auch mal zu entspannen und nicht alles überzubewerten. Ich versuche darauf zu achten, dass die Jungs entspannt, aber trotzdem fokussiert bleiben und dass wir unsere Zeit gemeinsam genießen.

SPOX: Müssen Sie auch manchmal einen Teamkollegen aufbauen, nachdem er von Coach Scott Skiles zusammengefaltet wurde? Skiles gilt ja doch eher als Drill Sergeant...

Frye: Ach, so schlimm ist er gar nicht. Da habe ich schon wesentlich härtere Typen erlebt. (lacht) Er ist einfach nur sehr detailversessen, ein Perfektionist. Das halte ich gerade bei so einem jungen Team auch für sehr wichtig. Er hilft uns allen dabei, jeden Tag ein bisschen besser zu werden und als Team zu wachsen. Er hat eine klare Linie und zieht die durch, das ist gut für dieses Team.

SPOX: Die ersten Resultate sieht man ja bereits, die Magic stehen deutlich besser da als im letzten Jahr um diese Zeit. Auch bei Ihnen sind die Quoten deutlich besser geworden. Was hat sich im Detail verändert?

Frye: Das Ball Movement bei uns ist viel besser geworden, jeder weiß jetzt besser, wo er stehen muss beziehungsweise wohin er zu gehen hat. Und ganz ehrlich: Viele der jungen Spieler sind auch einfach ein ganzes Stück besser als letztes Jahr. Wir haben so viele Profis im zweiten oder dritten Jahr, da hilft dir jeder Tag dabei, das Spiel besser zu verstehen. Was mich angeht: Ich habe jetzt ein besseres Gefühl dafür, wann und in welcher Situation ich wo den Ball bekommen werde, um abzudrücken. Das zusätzliche Selbstverständnis ist da sehr hilfreich und kommt eben durch das System, das mit der Zeit immer besser verinnerlicht wird.

SPOX: Der Großteil ihrer Würfe kommt ja als Spot-Up-Shooter - wie wichtig ist daher für sie der Point Guard?

Frye: Naja, ich bin stark von ihm abhängig! (lacht) Aber das sind wir alle. Der Point Guard hat für mich die wichtigste Rolle auf dem Feld inne, gerade wenn man bedenkt, in welche Richtung sich Basketball mittlerweile entwickelt. Es geht immer mehr um die Guards. Als Aufbau musst du die Pace des Spiels verstehen und wissen, wann du selber den Abschluss suchst und wann du jemand anderem Würfe verschaffst. In der Hinsicht haben unsere jungen Guards in dieser Saison einen großen Schritt gemacht, wovon ich auch profitiere. Diese Entwicklung ist aber natürlich noch nicht abgeschlossen.

SPOX: Sie spielten in Phoenix einige Zeit mit Steve Nash zusammen, dem vielleicht besten Point Guard seiner Generation. Haben Sie aus diesen Jahren etwas mitgenommen, was Sie jetzt an beispielsweise Elfrid Payton weitergeben können?

Frye: Definitiv. Steve verstand das Spiel besser als jeder andere, mit dem ich je zusammengespielt habe. Was mich am meisten beeindruckt hat: Er hat uns mit seiner Selbstlosigkeit angesteckt. Jeder von uns fing auf einmal an, den Extra-Pass zu spielen, einfach weil er es eingeführt hat. Er war ein großartiger Passer, er hat aber auch aus jedem anderen einen besseren Passer gemacht. Das kann man natürlich nicht eins zu eins weitergeben, aber ich versuche Elfrid bei der Balance zu helfen. Er ist schon großartig darin, seinen Mitspielern gute Würfe zu verschaffen, manchmal ist er aber noch zu sehr darauf fokussiert. Er muss noch lernen, dass er durchaus auch selbst mal abschließen darf. Aber gut, so ist es besser als andersrum. (lacht)

SPOX: Natürlich ist Payton noch sehr jung und Nash eine absolute Legende. Dennoch: Gibt es für Sie irgendwelche Parallelen zwischen den beiden?

Frye: Ein Vergleich wäre zu diesem Zeitpunkt unfair, das ist richtig. Aber Elfrid erinnert mich wirklich in vielerlei Hinsicht an Steve. Er hat auch diese Galligkeit, diesen unbedingten Siegeswillen, der Steve ausgezeichnet hat. Steve war natürlich ein besserer Shooter, aber Elfrid kann da noch wachsen und ist wiederum schon jetzt ein besserer Verteidiger. Steve wird es mir sicher auch nicht übel nehmen, wenn ich sage, dass Elfrid viel athletischer ist. Und interessante Frisuren haben beide. (lacht) Im Ernst: Elfrid hat noch viel Arbeit vor sich, in allen Facetten des Spiels. Wenn er sich seine Aggressivität aber behält, kann er auf jeden Fall einer der besten Point Guards in dieser Liga werden. Das Potenzial ist da.

SPOX: Wie bewerten Sie generell die Lage des Teams? Sie haben ja schon den einen oder anderen Rebuild mitgemacht, beispielsweise 2006 und 2007 bei den Knicks.

Frye: Puh... Das ist zwar lange her, trotzdem kann ich eindeutig sagen, dass mir die aktuelle Lage viel lieber ist! (lacht) Damals in New York passte gefühlt überhaupt nichts zusammen, das ist bei uns ganz anders. Mir gefällt es, wie wir hier alle an einem Strang ziehen und als Team funktionieren. Das ist auch der Stadt nicht entgangen, die Stimmung in Orlando ist sehr positiv, was unser Team betrifft.

SPOX: Es scheint, als wäre der Osten in dieser Saison - mal abgesehen von Cleveland - weit offen. Was ist für die Magic Ihrer Meinung nach zu holen?

Frye: Ganz ehrlich: Es wird so viel über die Playoffs geredet. Ich finde aber, wir sollten vorerst die Füße still halten. Für uns geht es nur darum, als Team zu wachsen und gewissermaßen unser eigenes Rennen zu laufen. Wenn die Saison sich dem Ende zuneigt, sind wir schon eine ganze Ecke klüger, aber ich denke nicht, dass wir uns jetzt irgendwelche konkreten Ziele setzen sollten. In den nächsten Jahren sollten wir uns mit dem derzeitigen Kern Schritt für Schritt unter den besten vier Teams im Osten etablieren, aber bis dahin ist es noch ein ganzes Stück. Wir werden schon sehen, ob dann vielleicht eine Überraschung auf uns wartet.

SPOX: Damit kennen Sie sich ja gewissermaßen ganz gut aus: 2010 rechnete ja auch niemand damit, dass sie mit den Suns die Western Conference Finals erreichen würden. Ihr Karriere-Highlight?

Frye: Definitiv! Das war ein unglaublicher Team-Erfolg und eine Saison, die ich nie vergessen werde. Ähnlich ging es mir allerdings auch in der Saison 2013/14, als wir mit 48 Siegen knapp die Playoffs verpassten. Vor der Saison hatte niemand einen Pfifferling auf uns gesetzt und trotzdem hielten wir uns bis zum Ende im Geschäft. Wir hatten damals einen unglaublichen Team-Spirit, bis heute stehe ich mit Eric Bledsoe, Goran Dragic, Markieff Morris und P.J. Tucker in Kontakt. Das war auf jeden Fall auch eins der schönsten Jahre meiner Karriere.

SPOX: Was ist dort seitdem schief gelaufen?

Frye: Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Spieler gerieten stärker unter Druck, das Front Office lag mit ein paar Moves daneben und so ging dem Team offenbar der Spirit verloren, den ich dort noch erlebt habe. Manchmal passen bestimmte Situationen und Persönlichkeiten einfach nicht zusammen - da steckt gar nicht unbedingt eine größere Wahrheit dahinter.

SPOX: Was ist angesichts dieser Erfahrungen und Erkenntnisse der wichtigste Rat, den Sie Ihren jungen Kollegen mitgeben können?

Frye: Einfach wertzuschätzen, was sie machen. Du kannst ein schlechtes Spiel machen, du kannst mal verlieren oder bei einem Team unzufrieden sein, aber all das geht vorüber und ändert nichts daran, dass dieser Job ein absoluter Traumjob ist. Schaut euch um: Wir sind hier in einer tollen Stadt wie London und können das Spiel spielen, das wir lieben. Wer hätte das denn als Kind erwartet? Man sollte sich nicht ständig Sorgen machen und den Moment auch einfach mal genießen. Es ist wichtig, diese Perspektive nicht zu verlieren.

Channing Frye im Steckbrief

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